Vor längerer Zeit, in Internetweise gerechnet quasi Äonen, hatte ich schonmal eine Hasselblad X1D zum Testen bekommen. Das war ein Testzeitraum von 3 Tagen gewesen, inklusive Lieferung und Abholung. Damals hatte ich einen sehr positiven Eindruck gewonnen. Dank unserer freundschaftlichen Zusammenarbeit mit FOTO-GÖRLITZ konnte ich jetzt mal ein paar Tage mehr mit einer X1D verbringen. Bitte lest auch unbedingt den „älteren“ Artikel zur X1D.
Hintergrund meines Tests war inzwischen der Gedanke, ob sich die X1D immer noch lohnt, jetzt da die X1D II verfügbar ist. Gebrauchtpreise sind ja oft erschwinglicher als Neupreise und da bildet die X1D keine Ausnahme. Verbesserungen an der X1D II sind hauptsächlich in Sachen Geschwindigkeit passiert. Zusätzlich gab es ein Update im button layout und Display gegenüber der ersten Version. Das user interface ist für mich etwas, das ich sehr stark in den Bereich „Geschmackssache“ lege. Da sieht es jeder Tester anders und das hat oft nicht unerheblichen Einfluss auf das Gesamtergebnis.
Handling und Performance der X1D
Ich freu mich immer, wenn ich mal so ein richtig großes Paket zum Testen erhalte. Mir standen die X1D und die 30mm XCD, 45mm XCD und 90mm XCD Objektive zur Verfügung. Dazu kamen eine originale Hasselblad Tasche (made by Billingham) und mehrere Wechselakkus. Alles war wie neu und ist es immer noch. 😉
Die X1D funktioniert fehlerfrei. Ich hatte direkt mal die neueste Firmware aufgespielt, was den AF noch treffsicherer machte und auch alle Rädchen in korrekter Weise funktionieren ließ. Eine zwischenzeitliche Version hatte bei manchen Kameras das vordere Rädchen etwas seltsam sprunghaft funktionieren lassen. Das Problem hatte ich dann nicht. Wer also gebraucht kauft, sollte unbedingt direkt die neueste Version aufspielen um die komplette Freude zu haben.
Mein Augenmerk hatte ich speziell auf die Geschwindigkeit gelegt. Natürlich ist dank Firmware die X1D etwas schneller als sie Ende 2017 noch war. Elektronischen Verschluss hat sie bekommen (schon lange), was Adapterlösungen nun zulässt – mit den Beschränkungen, die ein elektronischer Verschluss eben mit sich bringt. An den ersten zwei Tagen war ich etwas „herausgefordert“ von einer wiederkehrenden Fehlermeldung: „Speicherkarte zu langsam“. Ich hatte SanDisk Extreme Pro verbaut, aber das reichte der Hasselblad X1D scheinbar nicht aus. Eine Lexar mit 180MB/s brachte da Abhilfe… Hätte ich von einer Kamera mit Hardware von 2017 nicht unbedingt erwartet, aber hey. Sie haben scheinbar das Entleeren des Puffers auf die Speicherkarte etwas optimiert im Laufe der Zeit. Speicherzeiten waren jedenfalls schon schneller als „damals“.
Im Handling mag ich diese Kamera unheimlich. Die Knöpfe liegen genau da, wo sie sein sollen. Man kann mehrere Knöpfe in ihren Funktionen festlegen und damit die Beschriftung ignorieren. Das empfinde ich als echten Gewinn. Der Griff ermöglicht es mir, diese Kamera wirklich lange am Stück zu benutzen. Das Hitzeproblem damaliger Versionen ist auch besser im Griff. Dazu im nächsten Kapitel mehr.
Insgesamt ist die X1D keine Rennschnitte, aber eine Spaßbremse ist sie nicht.
Das Fotografieren mit der X1D
Mir macht die Kamera tatsächlich Spaß, auch wenn ich nebenbei ganz andere Kameras daneben halten kann. Verglichen mit der Nikon Z7, einer Leica SL oder SL2 oder einer Sony A7 ist sie tatsächlich auch im Akt des Fotografierens etwas langsamer als die genannten Modelle. Dabei geht es mir weniger um Schreib- und Verarbeitungsgeschwindigkeit, sondern eher um Autofokus, Auslöseverzögerung, Änderung von Belichtungswerten etc.
Um wirklich eine „schnelle“ Kamera aus der X1D zu machen, waren ein paar Kniffe notwendig. Diese habe ich nicht nur der reinen Geschwindigkeit wegen gemacht. Hier mal eine Liste der Einstellungen…
Den Autofokus habe ich ausgeschaltet: Die Einstellung ging in die Richtung manueller Fokus mit AF durch Daumendruck auf den AF-D button – back button focus, oder wie das immer genannt wird. Mir war es wichtig den AF vom Auslöser zu entkoppeln, denn selbst mit gedrückter AF-D Taste hat bei focus-recompose die Kamera immer mal wieder, aber eben nicht immer, neu fokussiert beim Auslösen. Also weg vom Auslöser damit. Die Verstellung der Fokuspunkte über die Rädchen finde ich gewöhnungsbedürftig. Nicht schlecht, aber man muss sich wirklich dran gewöhnen. Man kann den Fokus auch per touch auf dem Display verschieben während man den Sucher benutzt. Das ist, wenn es vorhanden ist, eines meiner liebsten Features bei AF-Kameras. Bei der X1D ist das leider etwas träge implementiert. Was man einstellen kann, ist, dass der Fokuspunkt nach der Aufnahme grundsätzlich in die Mitte zurückspringt oder eben am gewählten Ort bleibt. Jeder, wie er will.
Aufnahmemodus manuell: Normalerweise fotografiere ich bei Blendenpriorität. Diese Angewohnheit kommt von den vielen adaptierten Objektiven her, die oft nicht mit der Kamera kommunizieren und daher andere Modi außen vor bleiben. Mit der X1D habe ich tatsächlich am liebsten in „M“ fotografiert. Das liegt vor allem am Belichtungsprogramm der Hasselblad X1D. Werte haben sich trotz AE-L manchmal verstellt. Dann war nach dem Aufwecken aus dem Standby plötzlich alles mal dreifach überbelichtet etc. Belichtungskorrektur erfordert manchmal ein „ewiges“ Drehen am Rädchen. Ich übertreibe ein wenig um euch meine Überraschung zu vermitteln, die mich in dem Moment heimsuchte. Letztlich heißt es, dass ab und zu ein Wert verstellt war oder von der Kamera merkwürdig errechnet wurde. So setzte ich in M eine Arbeitsblende und passte per Rad einfach selbst die Verschlusszeiten an. ISO ließ ich auch lieber fest eingestellt. Back to the basics! Macht aber nix, durch den EVF sieht man ja genau, was man bekommt. Komplett manuell zu arbeiten ist also wirklich kein Hindernis.
Die X1D hatte ich immer gern in der Hand mit Handschlaufe. Mit dem damaligen Hitzeproblem hatte ich nicht zu kämpfen. Ich habe die Stromsparoptionen allerdings gut ausgenutzt. Jeweils auf die kürzesten Zeiten eingestellt, so dass die Kamera sehr schnell ins Standby wechselt. Das kann man ja auch selbstständig tun durch kurzen Druck auf den „Ein-Aus-Schalter“. Die Kamera wacht dann wirklich sehr schnell wieder auf. Legt man sie allerdings so richtig „schlafen“ durch langen Druck auf den Schalter, dauert es beim Hochfahren 5-6 Sekunden. Das macht man üblicherweise ja nur am Anfang mal, insofern störte mich persönlich das nicht.
Fazit
Für mich ist die Hasselblad X1D nach wie vor eine lohnenswerte Alternative, auch wenn es eine neuere Version gibt. Man bekommt eine Kamera mit wirklich unglaublich gutem Farbmanagement in den Rohdaten, ein hervorragendes Objektivumfeld und eine Bedienung, die perfekt und „reduziert“ ist. Es ist ein Werkzeug für den Fotografen, der mal bewusst ein paar Fotos machen will. Wer wirklich viel knipst, guckt woanders. Ich habe spaßeshalber mal den Serienbildmodus ausprobiert… hihi. 1 Bild pro Sekunde. Und das ohne Nachfokussieren. Für diese Anwendung hat man sie nicht.
In Ruhe ein Foto schießen, Fokus und Belichtung genau wählen, gern auch mit Stativ und dann Rohdaten haben, die viel hergeben. Dafür ist sie perfekt. Für Aufträge in Sachen Digitalisierung wäre die Hasselblad, besäße ich eine, meine erste Wahl. Nicht zuletzt deshalb, weil ich bei der X1D gefühlt die farbexakteste Wiedergabe des fotografierten Objekts hinbekomme. Wenn jetzt noch CaptureOne diese Kamera unterstützen würde… aber das wird wohl nichts. Im Bereich Mittelformat sind PhaseOne und Hasselblad nunmal Konkurrenten.
Leave a reply
Danke für den Bericht, wie immer sehr lebendig und/aber ehrlich geschrieben. Übrigens sehr tolle, tiefe Bilder – vor allem der tote Baum in der Wiese
Dankeschön! Dieses tiefe und zugleich plastische Zeichnen finde ich auch am interessantesten am gesamten System. Das liegt vermutlich eher an den Objektiven als am Sensorformat an sich. Momentan habe ich die GFX 50r von Fuji hier und da bekomme ich ganz andere Bilder raus irgendwie. Auch gut, aber anders.