Alter Schwede!
Victor Hasselblad, der alte Schwede, hatte Zeit Lebens mit der Fotografie zu tun – so will es scheinen. Hier und da hatte er mit verschiedenen Herstellern zu tun und eine Freundschaft verband ihn unter anderem mit George Eastman (denke: Eastman Kodak). Eine spannende Biographie, die man sich als interessierter Fotograf mal antun sollte.
Die Firma Hasselblad wurde 1941 gegründet und baute im Verlauf der Zeit verschiedene Modelle für das Mittelformat; besonders pflegte man dabei das 6×6(cm) Format. Was man mit dem Namen verknüpft, dürfte vor allem die 500er Serie sein. Basierend auf der „ersten zivilen“ Mittelformatkamera 1600F, hatte man hier nun ein modulares System geschaffen: Ein Spiegelreflexkasten, an den man ein Rückteil mit Film und entsprechend ein Objektiv ansetzte. Die Hasselblad-Objektive wurden hier für die V-Serie von Zeiss gefertigt und für die spätere H-Serie von Fujifilm. Für die V-Serie ging man zum Zentralverschluss innerhalb der Objektive über.
Innovativ an den Hasselblad Mittelformatkameras ist für mich vor allem der Formfaktor und das „System“ an sich. Letztlich kann man es noch heute benutzen, längst auch mit digitalen Rückteilen. Eine Hasselblad 500 ist damit eine jahrzehntelange Wertanlage, sozusagen.
Form und Funktion
Als jemand, den digitales Mittelformat schon reizt, der aber einen handlichen Formfaktor schätzt, kam dann im letzten Jahr die X1D gerade recht. Es ist zwar nicht das 6×6 oder 60×45 Format, immerhin jedoch rund 44x33mm. Das ist schon etwas größer als Kleinbildformat (ich lach immer mal wieder über „Vollformat“ oder „full frame“) und bei der Sensorgröße machen Auflösungen über 30Mp auch Sinn (man bedenke den pixel pitch usw). Insofern war ich schon bei der Ankündigung ganz aus dem Häuschen. Im letzten Jahr auf der Photokina konnte ich dann mit der X1D schon einmal spielen und während sie da noch ein paar Probleme aufwies, ist heute schon ein sehr ausgereiftes Produkt auf dem Markt.
Es war wichtig, noch einmal in die Geschichte zu schauen, denn die Innovation, die in der X1D steckt, ist für mich hauptsächlich zweierlei: Form und Reduktion. Während eine Fujifilm GFX bspw recht viele Features einer modernen Digitalkamera aufweist (hey, es ist ja auch eine…), verzichtet man bei der X1D auf vieles. Und das sehr zum Guten, wie ich finde. Es gibt keine Filmmodi oder großartige Einstellungsmöglichkeiten. Man hat ein sehr einfaches Menü mit touchscreen. Letztlich hat man die Kamera in etwa 3-4min auf seine Bedürfnisse konfiguriert und danach benötigt man das Menü nicht weiter (na gut, zum Formatieren der Speicherkarte).
Der Formfaktor ist für mich fast fehlerlos. Fast. Der Griff ist erstaunlich gut geformt und bietet dem Akku schön viel Platz. Dennoch wird nach wie vor jener recht warm (was eines der anfänglichen Probleme war). Schön ist an der Stelle das Detail, dass der Akku den Body verschließt, es gibt keine extra Klappe, die abbrechen könnte. Die Akkulaufzeit fand ich recht gut. Ich habe nur einmal zu Beginn aufgeladen und dann für den gesamten Testzeitraum nicht wieder nachladen müssen. Waren ja auch nur drei Tage, aber in denen habe ich ja einiges fotografiert. Den Akku entnimmt man aus der Kamera und steckt das Kabel des Ladegerätes direkt dort hinein. Ein erster Schreck überfiel mich, als das Ladegerät nur einen britischen Stecker aufwies. Ich konnte mir da aber behelfen. Per USB kann man auch Aufladen bspw beim Autofahren oder dergleichen.
Der Body ist sehr reduziert designt. Während der Griff aus zwei Wülsten besteht, ist die linke Seite komplett eckig. Mir gefällt das als Reminiszenz an Hasselblads Vergangenheit schon sehr. Die Knöpfe liegen rechts vom Display, alle gut per Daumen zu erreichen. Zwei Funktionsrädchen für Daumen und Zeigefinger im Griff runden alles ab. Das Hauptmodusrad kann versenkt werden, was den Weg des Zeigefingers zu zwei Funktionsknöpfen auf dem Deckel erleichtert. Diese liegen für mich nicht ganz optimal. Erstens würde ich ihre Reihenfolge vertauschen, so dass ich leichter an die Fokusverstellung komme und weniger gut an den Weißabgleich. Zweitens sind sie einfach einen Ticken zu weit weg vom Griff – und das obwohl meine Hände nicht gerade klein sind. Die mehrfache Belegung der Tasten hat man schnell kapiert. Kurz drücken dies, lang drücken jenes.
Insgesamt ist die Steuerung genau aufs Fotografieren ausgelegt, weniger auf schnelles Verstellen bspw der Messmethode. Interessant fand ich die Funktion, dass die Belichtungskorrektur auf Wunsch nach jeder Aufnahme wieder auf 0 zurück springt. Das kann man auch ändern, so dass sich die Kamera die Einstellung merkt.
Das Display und der Sucher sind für mich erste Sahne. Es flackert nichts und ist alles schön groß und schnell („responsive“) sozusagen. Einzig beim Einschalten gibt es manchmal ein kurzes Aufblitzen des Suchers. Ich kann nur empfehlen, die Kamera nicht schon am Auge zu haben beim Einschalten… Das war wirklich sehr hell! Zum Ein- und Ausschalten: Man setzt die X1D mit kurzem Knopfdruck in einen Standby-Modus– per Auslöser weckt man sie wieder auf. Wer dann nicht nochmal drückt, schaltet die Kamera auch nicht aus. Wenn man bspw einen Stadtbummel macht, ist ein Standby natürlich praktisch. Aus dem ausgeschalteten Zustand braucht die Kamera recht lange, ehe sie bereit ist. Da kann man schonmal was verpassen. Per Standby ist es allerdings „ok“ – keine DSLR. 😉
Der Autofokus ist recht schnell und zumeist auch treffsicher. Wer mit einer Fuji X-Pro1 nach mehreren Updates arbeitet, kennt damit auch die Geschwindigkeit der X1D- nicht langsam aber auch nicht wirklich schnell. Diese Aussage treffe ich nach ein paar Tagen mit dem 90mm Objektiv.
Das 90mm XCD Objektiv
In vergangenen Tests hatte ich zumeist das 45mm Objektiv von Hasselblad gefunden. Allein schon deshalb wollte ich unbedingt mal das 90mm testen. Wenn schon Mittelformat, dann auch eine etwas längere Brennweite, dachte ich mir. Das 90er zeichnet sehr sauber. Ich tu mich fast schwer, dazu etwas zu sagen – es fokussiert schnell und leise, es ist sauscharf und nicht allzuschwer. Fokus-by-wire bleibt für mich immer eine suboptimale Lösung, aber das ist persönliche Präferenz. Das Bokeh ist unauffällig aber tendenziell eher unruhig. Flares treten auf, stören aber nicht weiter. Ich habe es ausschließlich ohne Gegenlichtblende eingesetzt.
Den Bildwinkel würde ich mit einem 60m auf Kleinbild vergleichen, auch wenn das rechnerisch sicher nicht ganz hinhaut. Man kann schon mal ein Portrait damit machen. Für ein All-Round-everyday (oder wie auch immer) Objektiv eignet sich sicher das 45mm besser.
In der Nutzung – die X1D mit dem XCD 3.2/90mm
Tjaaaaaa. Ich habe vor manchen Tests ein bisschen die Befürchtung, dass man da etwas in die Hand bekommt, das man dann durchs Ausprobieren auch gern besitzen würde. Während die Hasselblad X1D manch eine Eigenschaft aufweist, die andere Kameras besser lösen, bewahrheitet sich meine Befürchtung hier etwas. Aber der Reihe nach.
Die X1D geliehen zu bekommen war eigentlich schon eine kleine Odyssee. Auf der Messe haben wir von Qimago einen Kontakt gefunden. Der wiederum vermittelte mich dann später an eine Agentur in München, welche mich wiederum nach Schweden vermittelte. Nach einigem sehr positivem Hin und Her wurde ich nach London vermittelt. Dort angekommen ging es auch ein paar Monate (jepp. Monate.) hin und her bis ein Termin gefunden wurde. Jener wurde dann sehr kurzfristig verlegt, was wiederum mehrere Änderungen der Lieferadresse nach sich zog… Ihr merkt, es war nicht einfach, aber stets sehr freundlich und wirklich positiv. An dieser Stelle nochmal DANKE! Man sieht, dass es schwierig sein kann, ich bin froh, dass alles gut geklappt hat.
Als die X1D dann per Express Kurier aus London kam, war die Freude groß – richtiges Datum und richtige Adresse. Immerhin! Akku kurz aufladen (Speicherkarte hatten sie gleich mitgeschickt) und los ging es. Ich hatte bereits vor Monaten die Hasselblad Software (kostenlos übrigens) für die Rohdaten installiert. Capture One liest diese natürlich nicht – ist ja der „Feind“ sozusagen… 😉 Die Software kommt in allen Varianten auch auf einem USB-Stick mitgeliefert, so dass man direkt installieren kann. Sehr praktisch, wie ich finde.
Objektiv drauf und los geht’s. Im November nur drei Tage Zeit zu haben, neben der Arbeit eine Kamera ausführlich zu testen, ist schwierig. Letztlich hat man vielleicht einmal Glück mit dem Licht. So auch bei mir. Was mir insgesamt auffiel, kann man aber auch so beschreiben. Positiv, wie bereit oben beschrieben, empfinde ich die Einfachheit des Menüs und der Steuerung. Man kann gar nicht irgendwelche Tasten belegen, weil die wenigen Einstellmöglichkeiten alle schon gut positioniert sind (bis auf die beiden Knöpfe, siehe oben). Insofern ist die Kamera sofort fertig und der Fotograf wird nicht weiter abgelenkt. Wenn man das jetzt gut findet, dann ist recht schnell klar, dass der nächste Kritikpunkt dem allerdings widerspricht: Ich schätze es persönlich sehr, die Anzeige auf Schwarzweiß zu setzen und dazu dann noch ein RAW zu haben. Das ist hier nicht möglich, auch nicht im JPG+RAW Modus. Aber was soll’s?! Letztlich spart man ne Menge Platz, wenn man gleich RAW fotografiert und gut ist.
Mit der Phocus-Software muss ich mich noch genauer befassen. Wirklich in Betrieb genommen habe ich das Programm erst mit der X1D – die Software scheint erstmal recht leistungsfähig, aber ich brauche immer ne ganze Weile um einen workflow zu entwickeln.
Bei Fotografieren selbst tritt die Kamera super in den Hintergrund. Mir ging es zumindest so, dass ich völlig problemlos mit der X1D fotografieren konnte. Als Sonygeschädigter war das eine Wohltat. Letztlich gehe ich mit mehreren Systemen regelmäßig um: Nikon, Fuji, Sony. Bei Canon-Tests musste ich mich immer etwas umgewöhnen. Bei Hasselblad brauchte ich mich an gar nichts gewöhnen. Die Kamera funktionierte einfach.
Das hört sich alles ganz positiv an… Aber es gibt auch „downsides“. Ich finde zum Beispiel die Blackout-Zeit beim Auslösen viiiiiieeeeeel zu lang. Das ist sicher der Bauweise geschuldet, aber herrje! Echt jetzt? Wenn ich mir vorstelle, dass da jemand im Studio arbeiten möchte… Man ist quasi im Blindflug. Ich hatte das Gefühl teilweise eine halbe Sekunde oder länger kein Bild zu haben. Das ist keine Phase des Schreibens auf die Karte sondern einfach Verschluss zu auf zu und wieder bereit sein. Wenn man so quirlige Kinder hat wie ich, dann ist da quasi eine Ewigkeit zwischen zwei Fotos. Nutzt man den Sucher, fragt man sich, ob das Kind dann vielleicht schon weg ist… 😉
Insgesamt benimmt sich die X1D wie viele andere spiegellose Systemkameras auch (sie ist ja auch eine). Positiv sehe ich die Reduzierung und das Handling, negativ die Blackoutzeit. Sie ist gemessen an der Sensorgröße recht leicht und wirklich sehr handlich. Da kommt eine GFX wirklich nicht mit.
Investieren?
Jetzt wird’s spannend!
Für die Studionutzer oder Blitzfotografen ist so ein Zentralverschluss im Objektiv natürlich der heilige Gral. Für mich sind eher andere Sachen wichtig. Kürzere Verschlusszeiten und vor allem die Objektivauswahl ist für mich ausschlaggebend, ob ich in ein System investiere oder nicht. Bislang stehen 4 XCD Objektive zur Verfügung (November 2017): 120mm, 90mm, 45mm, 30mm. Damit deckt man die allermeisten Situationen ab, gar keine Frage. Wenn man dann mit den Ergebnissen der Objektive zufrieden ist, kann man aufhören, hier weiterzulesen und einfach zum nächsten Händler fahren…
Bei der Ankündigung der X1D war ich, wie oben geschrieben, wirklich sofort begeistert. Leider wurde ich sehr ernüchtert, als klar wurde, dass die Kamera keinen Verschluss hat. Einige Hoffnungen gingen damit den Bach runter. Ich habe bspw einen wundervollen Objektivpark, der weil lange zusammengespart und zielsicher eingekauft meine Bedürfnisse auch abbildet. Die meisten dieser Linsen hab ich wegen des konsistenten Looks, den sie liefern. Ich habe da hauptsächlich in Zeiss mit Nikon F-Mount investiert, weil sich diese Linsen wunderbar adaptieren lassen – Nikon sowieso, Fuji, Sony und andere natürlich auch. Natürlich würde ich die auch an einen größeren Sensor schnallen, auch wenn ich weiß, dass sie nicht alles ausleuchten. Aber der Teil, den sie dann ausleuchten, kommt mit guter Auflösung und sehr hoher Dynamik daher. Dazu ein user interface wie bei der X1D… Ein Traum! Und ein Traum bleibt es auch. Denn an den Body kann man zwar Objektive des H-Systems per Adapter nutzen, aber sonst nur XCD-Linsen. Schaaaaade! Die X1D zu kaufen fällt finanziell ohnehin flach (Möchte jemand sponsorn? :-P).
Meine Traumkombination wäre eine X1D mit dem 55er Otus von Zeiss. Das ist allerdings technisch nicht möglich, es sei denn, jemand baut einen Adapter mit Zentralverschluss. Der Platz dürfte reichen. Mir geht es dabei weniger um die Sensorgröße als um das Handling dieser Kamera. Die XCD-Linsen müsste man genauer kennenlernen um sagen zu können, ob sich der Wechsel lohnt.
Mein Fazit: Der Test hat den Wunsch nach einer Hasselblad X1d noch erhöht. Mist. 😉
Die Bilder unbedingt anklicken und groß anschauen:
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Hallo Elmar,
danke für den schönen Bericht. Leider hast du auch mein „Haben-wollen“ deutlich erhöht ;-). Aber so eine X1D liegt deutlich außerhalb meiner finaziellen Möglichkeiten. Allerdings habe ich das auch immer von Leica behauptet, und jetzt habe ich eine. Da hast du übrigens auch einfache Bedienung und Zeiss-Objektive ;-). Aber für mich. hat eben auch der große Sensor seinen Reiz, und den möchte ich auch durch die passenden Objektive nutzen können.
Zur Zeit bin ich allerdings in dem seltenen Zustand einigermaßen wunschlos glücklich zu sein, so dass ich ganz entspannt abwarten kann, was sonst noch so kommt. Nächstes Jahr soll ja auch eine neue MF-Kamera von Fuji kommen und Nikon steigt wohl endlich in den spiegellosen Markt ein. 2018 wird sich sehr spannend.
In diesem Sinne wünsche ich dir und den anderen von Qimago einen guten Rutsch ins neue Jahr und weiterhin viele spannende Berichte.
Viele Grüße,
Ralf
Hallo,
mittlerweile besitze ich eine X1D, und bin such etwas traurig, dass ich Leica m objektive und Nikon f objektive, u.a. auch das Otus55 nicht verwenden kann. Was ich nicht verstehe, es gibt zahlreiche Adapter für diese Linsen, aber das kann doch nicht funktionieren ohne Verschluss ?
Grüße
Michael
Hallo Michael,
Das Problem sehe ich auch. Tatsächlich hat das letzte Firmware Update den elektronischen Verschluss ermöglicht, so dass man auf diese Weise Fremdglas adaptieren kann. 🙂
Viele Grüße!
Elmar
Ok, dann bräuchte ich vermutlich nur das Update ! Supi ! Danke für die Knfo !