Kurz nach Erscheinen der ersten ZEISS Milvus Objektive vor ein paar Jahren hatte ich die Möglichkeit gehabt, ein paar davon zu testen. Allerdings bekam ich vier oder fünf Objektive gleichzeitig für vier Wochen und diese Wochen waren in einem November… Nicht ideal um sich wirklich alle Objektive vorzunehmen.
Daher hatte ich ZEISS gebeten, mir nochmal einzeln etwas zur Verfügung zu stellen. Ich konnte mich nun also dem Milvus 1.4 /85 mal genauer widmen. Das ist insbesondere interessant, da es aus gleichem Hause ein Otus 1.4/85 gibt, welches nochmal etwas größer, anders konstruiert und deutlich teurer ist. Welches nimmt denn der geneigte ZEISS-Genießer?
Haptik und Aufbau
Das Milvus 1.4/ 85 kommt im anthrazit-grau-schwarzen Design daher, das wir von anderen Objektiven auch kennen. Mit rund 120mm Länge (je nach Mount) und einem Filterdurchmesser von 77mm ist es nicht eben klein, wird aber vom ZEISS Otus 1.4/ 85 noch getoppt (Filter 86mm, Länge 138mm). Beide kommen als Planar Design daher und beide sind verhältnismäßig junge Rechnungen, die sich vom Planar 85mm f1.4 Classic unterscheiden. Das Otus bietet unter anderem den Vorteil der apochromatischen Vergütung. Das führt zu einer Vermeidung von Farbsäumen, die beim klassischen Planar ja teils sehr deutlich waren. Beim Milvus sind sie auffindbar, aber selten.
In der Haptik gibt es für mich einen Kritikpunkt an der Milvus-Reihe: Das drehende Gehäuse. Es gibt zwar einen gummierten Fokusring, aber letztlich dreht sich die äußere Hülle des Objektivs fast komplett beim Fokussieren. Ein Abstützen mit der linken Hand während des Fokussierens mit einem Finger bspw ist dadurch nicht gut möglich. Beim Otus hingegen dreht sich nur der Fokusring.
Was mir wirklich gut gefällt an der Milvus-Reihe und damit auch am Milvus 1.4/ 85 ist wiederum die Wetterfestigkeit. Die Dichtung zur Kamera hin macht einen wirklich guten Eindruck und ich hatte im Regenwetter auch kein schlechtes Gewissen dem Objektiv bzw dem Leihgeber gegenüber. Eine Sorge weniger!
Der Blendenring (ich hatte die Version für Nikon) sitzt sehr nah am Gehäuse, was in Hinblick auf eine Steuerung durch Bedienrad ohnehin sinnvoll ist. Man kann allerdings beim Adaptieren an andere Kameras die Blende gut durch den Blendenring steuern.
Leistung
Ein 85mm setze ich weniger ein um etwas weiter entfernte Objekte aufzunehmen. Vielmehr schätze ich daran die konzise Sichtweise auf die Welt. Das Ausschnitthafte. Das Detail.
Beim letzten Mal ausleihen hatte ich das Objektiv hauptsächlich an zwei Kameras eingesetzt: Nikon Df und Nikon F3. Dieses Mal kam es an mehreren Kameras zum Einsatz. Nikon Df, Nikon F2, Nikon FM2/T und Nikon Z7 mit dem originalen FTZ-Adapter. Jede davon lässt sich anders nutzen, insbesondere der Unterschied zum spiegellosen System ist natürlich augenscheinlich. Endlich problemloses Fokussieren per EVF! Bei der F3 und der FM2 kommen natürlich Schnittbildindikatoren per Mattscheibe zum Einsatz.
Insgesamt lässt sich das Milvus 1.4/ 85 recht flott und genau fokussieren. Der Mikrokontrast ist recht hoch, so dass man den Abfall in die Unschärfe gut erkennen kann und entsprechend klar scharfstellen kann – auch im optischen Sucher der Df, die kein Schnittbild liefern kann. Im EVF der Z7 benötigte ich oft nicht einmal die Lupe. Fokus Peaking ist nicht so meins, dazu kann ich keine Aussage treffen. Der Fokusweg ist recht lang, so dass man wirklich exakt fokussieren kann (und muss). Die Unschärfe beginnt angenehm abrupt, so dass man einen leichten 3D-Pop erkennen kann. Das mag ich persönlich an ZEISS Objektiven sehr. Wenn der Übergang ins Bokeh zu weich ist, dann ist ein Objektiv gefühlt nirgends richtig scharf bei offenen Blenden. Hier bin ich wirklich sehr zufrieden. Meine Erfahrung mit dem Otus 1.4/85 deckt sich damit. Ich würde allerdings dem Otus etwas mehr künstlerischen Pinselstrich unterstellen und muss hinzufügen, dass das Otus 1.4/ 85 mein liebstes Objektiv aus der Otus-Reihe ist.
Das Milvus 1.4/ 85 ist ab Offenblende schon richtig scharf. Man muss natürlich beachten, dass der Schärfebereich bei 85mm auf Kleinbild bei Blende 1.4 nicht sonderlich tief ist bei, sagen wir mal, 5 bis 10m Fokusabstand. Insofern kann ein kleines Wackeln des Fotografen oder des Objekts schon zu Abweichungen führen.
Als leichtes Tele fürs Arbeiten ist das Milvus 1.4/ 85 einfach perfekt. Ja, kein Autofokus… Das wird für viele ein Ausschlusskriterium sein. Aber hey. Wer sich darauf einlassen kann wird mit einem nahezu perfekten 85er belohnt. Nahezu? Ja, man sieht hier und da bei offener Blende ein paar chromatische Aberrationen. Das ist nicht weiter tragisch und wer es gar nicht ertragen mag, muss auch nicht weinen. Es gibt ja immer noch das Otus…
Fazit zum Milvus 1.4/ 85
Mir persönlich hat das Milvus 1.4/ 85 einfach sehr sehr gut gefallen. Selbst ohne den finanziellen Faktor wäre es für mich schwer zu entscheiden, ob ich Otus oder Milvus wählen würde. Unglaublich scharf und kontrastreich sind beide. Das Otus ist ein wenig künstlerischer in der Abbildung und chromatische Aberrationen hatte ich dort nie. Dafür wiederum ist das Milvus 1.4/ 85 etwas kleiner und leichter, einfach alltagstauglicher. Es balanciert auch an einer Nikon FM2/T noch ganz gut. Das wäre mit einem Otus schon deutlich frontlastiger.
Das Milvus 1.4/ 85 ist nun bereits vor ein paar Jahren raus gekommen und man könnte meinen, da müsse etwas Neues her. Mitnichten! Es ist meines Erachtens nach eines der Gläser, die man sich mal leistet und dann durch mehrere Kameragenerationen mitnimmt. Auf den 47 Mp der Nikon Z7 gab es keinerlei Probleme, ebenso wie bei den 16 Mp der Df oder den Filmen in den analogen Kameras. Definitiv eine lohnenswerte Investition!
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