Endlich das 50mm Objektiv, um alle 50er zu knechten…? Als jemand, der das ZEISS Otus 55 rund 1,5 Jahre besaß und gern verwendet hat, habe ich mich dem fast genauso großen und noch hochpreisigeren Leica Summilux-SL 50mm f1.4 mal genähert. Zwei unterschiedliche Objektive, die allerdings in ihrer Zielgruppe ähnlich angelegt sein dürften. Fünfziger gibt es ja nun wirklich viele. Es ist eine Standardbrennweite, die in keinem System fehlen darf. Sie kommen in verschiedenen Qualitäten und Preisen und Lichtstärken daher. Oft auch mit sehr unterschiedlichem Charakter. Insofern, wenn es ohnehin für einen Hersteller eher Pflicht ist als Kür, sollte man sich gerade die 50mm Varianten mal anschauen.
Dank der Unterstützung von FOTO-GÖRLITZ hatte ich die Gelegenheit, das 50mm Summilux-SL auszuprobieren.
Handling
Beim Auspacken merkt man gleich: Hier ist eher Werkzeug als Spielzeug in der Kiste. Es ist groß, schwer und beim Ansetzen an die Kamera rastet es satt und perfekt ein. Die Oberfläche glänzt leicht, ist glatt, der Fokusring gummiert. Einen Blendenring hat das Objektiv nicht, das wird über ein Daumenrad an der Kamera geregelt. Hier setzt man Profiware zusammen.
Das 50er Summilux-SL ist kein leichtes Objektiv. Wenn man es mit der M-Mount Version vergleicht, welche manchen an ihrer M schon zu schwer ist, liegen da immer noch Welten dazwischen. Das Summilux-SL ist tatsächlich eher mit einem Otus 55 zu vergleichen oder einer anderen lichtstarken DSLR-Festbrennweite.
Offenbar wurde es hinsichtlich der optischen Leistung konstruiert und nicht auf klein getrimmt. Ich kann allerdings sagen, dass es an der SL (und auch einer Panasonic S1R bspw) sehr gut ausbalanciert ist. Der Balancepunkt liegt so ziemlich genau einen kleinen Fingerbreit vor dem Bajonett. Damit hat man im Handling über lange Zeit noch viel Kraftreserven, da es um einen guten Punkt herum rotiert sozusagen. Es ist geradeso noch nicht so groß, dass es Menschen abschreckt, die man fotografieren möchte. (Eines der Argumente, die in den elenden Diskussionen über mirrorless vs DSLR immer wieder kommen.) Ich habe zumeist den Balancepunkt des Systems auf den Zeigefinger der linken Hand abgelegt, was die Komposition und das Warten auf den rechten Moment sehr einfach gestaltete.
Obwohl es focus-by-wire ist, kann man recht angenehm manuell fokussieren. Auslöser halb gedrückt halten und schnell mal am Ring drehen für einen manual override. Je nach Geschwindigkeit des Drehens wird dabei sehr langsam und präzise eingestellt oder aber schnell große Sprünge gemacht. Also eine übliche Implementierung.
Autofokusgeschwindigkeit ist gut, aber nicht sehr gut. Ich hatte es an drei Kameras probiert: Leica CL, Leica SL und Panasonic S1R. An keiner der Kameras ist es wirklich ultraschnell. Wirklich langsam war es allerdings auch nicht. Hmm. Wer flüsterleises quasi „Instant-Scharfstellen“ durch supersonic-highspeed AF diverser DSLRs gewöhnt ist, wird hier nicht wirklich fündig. Das liegt auch viel an der verwendeten Kamera, das ist klar. Allerdings muss beim 50er Lux-SL einiges an Glas bewegt werden…
Bildqualität
Die Qualität hinsichtlich Schärfe, Kontrast, Farbwiedergabe, Bokehverlauf und damit Freistellung ist sehr hoch. Als jemand, der das ZEISS Otus 55 für 1,5 Jahre genutzt hat, wage ich ein paar Vergleiche. Letztlich spielen beide Objektive in der Preiskategorie von 3000+ Euro und sind in ihren Leistungswerten sehr ähnlich. Beide sind auf den Punkt scharf, beide stellen sehr sauber frei. Insbesondere, wenn man auch den Vordergrund „unscharf“ mit einbezieht, ergibt sich der Effekt der Plastizität. Beim Otus kommt gegenüber dem Summilux-SL allerdings ein leicht künstlerischer Charakter hinzu. Manches im Bokeh wirkt wie gemalt. Das ist beim Summilux-SL anders, hier bleibt alles klar bzw eben unscharf-weich. Weder das eine noch das andere kann ich wirklich bevorzugen – das ist persönlicher Geschmack. Beide Objektive liefern im Schärfebereich einen erstaunlich hohen Mikrokontrast und damit einen starken pixelgenauen Schärfeeindruck. Mit dem fantastischen Sucher der Leica SL kombiniert fiele mir eine Kaufentscheidung zwischen den beiden Objektiven echt schwer. (Wer Autofokus mag, braucht natürlich nicht überlegen. 😉 ) Ähnliche optische Wirkung findet man beim 50mm f1.2 L Objektiv für Canon EOS R. Auch dieses ist recht groß, allerdings in der Bauweise deutlich leichter. Zwischen den Dreien kann man sich kaum entscheiden. Letztlich spricht für das Otus, dass man es an verschiedene Systeme adaptieren kann, was bei den 50er Konkurrenten nicht möglich ist.
Ein Punkt, den ich gern betrachte, ist, wie Objektive mit Lichtern bzw hellen Bereichen im Bokeh umgehen. Damit meine ich jetzt nicht „Bokeh bubbles“, sondern Lichtschein. Glüht das ein bisschen? Scheint es? Ist es hart umrissen und fängt dadurch an zu stören? Solcherlei. Das 50mm Summilux-SL gehört für mich in die „Lichtfänger“-Kategorie. Soll heißen, das Licht im Bokeh entwickelt einen Schein, aber noch keinen „classic glow“. Hart umrissen ist es nicht, was mir gut gefällt – zu schnell werden sonst helle Stellen einfach zu „Flächen“ im Bild. Hier bewahrt man sich die natürliche Bildwirkung.
Und nun?
Insgesamt kommt das 50mm f1.4 auch nach dem Test rüber wie ein Werkzeug für die professionelle Fotografie. Bildqualität stimmt, Verarbeitung auch. Das Handling ist super durch die wirklich gute Balance. Der Charakter ist eher auf der neutralen Seite, was hier jetzt mal sehr positiv gemeint ist. Die Bilder kommen sofort plastisch-fantastisch daher und lassen viel Raum zur Bearbeitung. Wenn das Objektiv zu künstlerisch zeichnet ist das für den Fotografen manchmal schön und gut, für den Kunden aber womöglich nicht wünschenswert.
Für den Reisenden, der nicht viel tragen möchte, wäre womöglich eine andere Variante sinnvoller, vielleicht ein Summilux-M, ein ZEISS C-Sonnar 50mm ZM an der SL oder dergleichen. Mit letzterer Kombination erhielte man allerdings einen etwas, hmmm, klassischeren Look als mit dem Summilux-SL.
Für mich persönlich, denn ich mag es, den Bildwinkel von 50mm an Kleinbildformat einzusetzen, ist die Leica SL mit dem 50mm Summilux-SL eine perfekte Kombination. Ähnlich empfand ich auch die Canon EOS R mit dem 50mm f1.2 Objektiv. Die Haptik beider Systeme ist allerdings grundverschieden. Schaut auch mal in das Review dort. Wer jetzt nicht unbedingt bei Leica landen möchte, kann sich entspannt zurück lehnen – andere Mütter haben auch schöne Töchter! Das eine 50er, das alle anderen ins Dunkel treibt, wird es nicht geben. Nicht umsonst gibt es viele verschiedene Meinungen. Ich persönlich mag manchmal den klassischen Look des 50er C-Sonnars und manchmal auch den klaren Look des Milvus 50mm f1.4 oder den zeichnerischen Look des Otus, oder den „perfekten“ sauberen Look des 50er Summilux-SL… (Oder nach wie vor der Geheimtipp: 50mm f1.7 ZEISS Planar für C/Y…). Ihr seht, man muss sich (nicht) entscheiden. 😀
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