30 Jahre Mauerfall… Die Wiedervereinigung Deutschlands auf ein festes Datum festzulegen, funktioniert so nicht. Es war und ist ein langer Prozess, für viele nicht abgeschlossen und zudem infrage gestellt. Wir drei haben uns mal speziell in Richtung Mauerfall am 9. November 1989 orientiert – was sind unsere Erinnerungen an diese Zeit oder auch im Speziellen an den Ort Berlin.

Freigang!
Mauerfall… Tja. Direkt den Mauerfall habe ich im Fernsehen gesehen. Das war ziemlich unglaublich damals. Man merkte den Leuten die Freude an, dass sie nicht Panzern gegenüber standen, sondern Menschen, die ihre Arme ausbreiteten. Es ist für mich persönlich aber weniger der Mauerfall an sich, der mir in Erinnerung geblieben ist. Es die direkte Zeit danach und davor.
Etwas später fuhren wir nach West-Berlin um unsere Verwandtschaft dort zu besuchen. Mitten in Kreuzberg war das. Man besuchte sich nun öfter mal gegenseitig, das war wirklich schön. Eine der ersten bleibenden Erinnerungen war ein Mercedes, der auf unseren Lada aufgefahren war. Die Front des Sterns war zerdellt, an der Stoßstange des Ladas gerade mal ein Kratzer. Der W-Berliner hat gelacht und sich mit 50 D-Mark freigekauft. Als er dann seinen Mercedes begutachtet hatte, lachte er nicht mehr so. Aber es war ok.
Meine eindrücklichste Erinnerung jedoch sind Krawalle. (Hey, Berlin! Wer hat, der kann, wa?) Krawalle zum 1. Mai dürften das gewesen sein. Direkt 1990. Auf Besuch in Kreuzberg und dann zu Fuß zu einer Pizzeria in Friedrichshain gelaufen… Das war abenteuerlich. Überall Vermummte. Als damals noch kleiner Mensch (10) fragte ich meine Eltern, wer das ist und warum die so aussehen. Alle schwarz gekleidet, Kapuze auf, Gesichtsmasken. „Das sind Autonome.“ War die Antwort. Fand ich cool. Die „Autonomen“ waren nämlich allesamt freundlich zu mir. Grüßten und winkten. Dann betraten wir aus einer Seitenstraße die Warschauer Straße… Wow! Unzählige „Six-Packs“ (also Mannschaftswagen der Polizei). Polizisten mit Schilden und Knüppeln. Interessanter Eindruck, der da entstand. Das ist das neue Berlin?
Über den Kater (frühe 1990er) nach der Party (1989) kann man noch vieles schreiben – den Bogen möchte ich hier aber nicht spannen. Ich persönlich finde es toll, dass die Deutschlands es geschafft haben, sich friedlich zusammen zu finden. Mit allen Gewinnern und Verlierern.
Mauerfall… Ich war noch ein paar Wochen 17 Jahre als ich das abends im Fernsehen sah. Am nächsten Tag sind wir natürlich alle an die Mauer. Verrückt! Immer wenn wir Besuch in Berlin hatten, gingen wir natürlich auch zur Mauer. An das Brandenburger Tor. Die Stimmung vor dem Mauerfall war dort immer irgendwie leer. Ich kann das nicht anders beschreiben. Es waren gefühlt halt immer wenig Menschen da. Die Sicht Richtung Ost-Berlin von dieser Stelle war auch menschenleer.
Am 10. November 1989 als ich das erste Mal selbst live vor Ort war, war die Sicht eine gänzlich andere. Überall Menschen. Auf der Mauer, zu ihren Füßen auf der Westseite, mehrere 100 Meter davor. Bis dahin hatte ich nicht so viele glückliche, lachende, staunende, weinende, ausgeflippte, junge und alte Menschen gesehen wie dieser Tage. VoPos standen auf der Mauer und ihre Blicke waren irgendwie von Unsicherheit geprägt? Ich erinnere mich, dass ich sie da auf der Mauer beobachtete und mich fragte: ‚Was geht wohl in Ihnen vor?‘
Berlin war ab dem 09.11.1989 für eine ganze Weile im Ausnahmezustand. Aber es war kein unangenehmer oder gar angsteinflößender Zustand. Man war gut drauf. Vor Banken standen die neuen BRD Bürger Schlange. Bananen gab es in Berlin eine ganze Weile nicht zu kaufen….was war ich da froh drüber. 😉
Der Berliner Osten blühte auf zur Partyszene Europas? Ich war 17 Jahre und voll in meiner wilden Zeit. Das war eine spannende und tolle Zeit in Berlin.
Heute 30 Jahre später sind die Berliner meiner Meinung nach schon vereint, für mich als alter Berliner Wessi ist die Stadt dennoch in Ost und West getrennt. Ich meide die Ostbezirke. Die Ampelschaltungen dauern teilweise ewig, der Verkehr im Osten geht mir komplett auf den Keks, grüner finde ich es immer noch im Westen der Stadt.
Ob das Land es geschafft hat, sich zu vereinen? Wenn ich mir manch ein Wahlergebnis so ansehe, dann habe ich da leider hier und da meine Zweifel.
Ich wünsche mir bei manchem dieses Gefühl zurück, was sie wohl hatten als ihnen klar wurde: Die Welt steht ihnen jetzt zumindest theoretisch offen!
Mauerfall… Ich war damals 18 Jahre alt und von uns Dreien eindeutig am weitesten vom Weltgeschehen entfernt, aber doch immer dabei und mittendrin. Im November 1989 steckte ich mitten in meinem Auslandsaufenthalt und habe eine Highschool in den USA besucht. Und das war nicht nur im Hinblick auf die persönliche Entwicklung ein Glücksfall, sondern auch im Umgang mit dieser, die deutsche Geschichte so prägenden Zeit.
Eigentlich bin ich ja der westlichste „Wessi“ von uns, denn bis 1999 habe ich im Ruhrgebiet gelebt und hatte so gar keine Berührungen mit dem Osten. Es gab keine Verwandtschaft dort und auch sonst keine Beziehungen hinter die Mauer. Den üblichen touristischen Besuch am Brandenburger Tor mit einem Blick auf die andere Seite hab ich natürlich auch mal absolviert, aber das war es dann auch.
Und dann war ich 1989 mehr als 7000km weg vom Geschehen und da ich der einzige deutsche Schüler dort in der Umgebung war, war klar, dass mich viele löcherten und mir viele Fragen stellten. Ich war in dieser Zeit gefragter Gast in allen Schulklassen und habe dort in Vorträgen viel über Deutschland und die DDR erzählt.
Live dabei war ich dann aber 1990, denn just genau zum Tag der Wiedervereinigung am 03.10.1990 war ich – zurück in Deutschland – auf einer Klassenfahrt in Berlin. Berlin war rappelvoll und wir spulten unser Programm ab, jedoch wurde von den Lehrern verboten, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Logisch, dass wir uns daran nicht hielten. Mein Freund und ich hatten uns extra einen Hammer und einen Meißel eingepackt und holten uns dann beide ein Stück der Mauer.
Heute denke ich, dass ich meinen Beitrag zur Wiedervereinigung beigetragen habe, bin ich doch seit 20 Jahren Brandenburger und will hier auch nicht mehr weg. Das Miteinander und das Durchmischen der Gesellschaft ist der einzige Weg, um diese Wiedervereinigung irgendwann zu vollenden. Ich glaube aber, dass es erst dann gelingen wird, wenn es keine Generation mehr gibt, die noch beides kennt.
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