Ich gebe es zu: Mich hat das Objektiv total geflasht.
Aber lieber der Reihe nach.
Zeiss hat seit Jahren ein 18mm f3.5 im Programm für Nikon und Canon (D)SLR. Ein großes, schönes und leistungsfähiges Glas. Ein 18mm f4 gab es auch für den Contax/Yashica Anschluss und auch diese Linse macht richtig Freude. Für die Milvus Reihe wurde das 18mm Objektiv nochmals überarbeitet und nun haben wir ein 18mm Distagon mit aktueller T* Beschichtung vorliegen, das nach Milvus-Design gebaut wurde. Ich persönlich mag die „Classic“-Reihe vom Desgin her lieber, aber das tut hier nichts zur Sache.
Als jemand, der desöfteren mit einem 15mm f2.8 Distagon arbeitet und von diesem recht verwöhnt ist, war ich zunächst skeptisch. 15mm ist schon richtig „weit“. Das 21er, das ich mal geliehen hatte, ist auch richtig dynamisch. Also warum sollte man eine 18mm Brennweite dazwischen anschaffen?!
Genau, weil es Spaß macht! Das 18er hatte ich nun ein paar Wochen lang und bin etwas traurig, dass ich es zurück schicken muss. Das Objektiv macht richtig Spaß. Bei Offenblende kann man tatsächlich schon mit etwas Unschärfe spielen – die Möglichkeit, ab 25cm zu fokussieren, hilft dabei ungemein. Der Zeisstypische hohe Mikrokontrast macht hier richtig Sinn in Sachen Freistellung. Der Schärfeverlauf wird dadurch deutlich und die recht starke Vignettierung bei Offenblende macht das Objektiv charaktervoll. Auch wenn ich mit nun genau dieser Brennweite nicht allzu vertraut bin, habe ich es mir gewagt, das 18er auf einer Hochzeit einzusetzen und bin von der Leistung ganz überzeugt. Man muss halt recht nah ran oder aber man hat ziemlich viel kleines Zeug auf seinen Bildern.
Die Haptik des 18ers ist recht gut. Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt von den Gummiringen bei den Milvus und Otus (oder bei den Touit – aber da habe ich Autofokus und brauche den Fokusring nicht so häufig). Drehen lässt der Fokusring auf butterweiche Weise. Man bekommt es auch mit einer DSLR gut hin, schnell und treffsicher zu fokussieren dank des erwähnten Mikrokontrastes. Vorausgesetzt, der Dioptrienausgleich ist korrekt eingestellt, natürlich. Der Blendenring an der Nikonversion funktioniert prima, an der Canon benötigt man ihn nicht. Auch dort sitzt das Objektiv sauber. (Versehentlich hatte ich zuerst eine Canonversion bekommen – glücklicherweise hatte ich gerade eine Canon ausgeliehen.) An meiner Df ist das Objektiv gut ausbalanciert – an einer „herkömmlichen“ Nikon mit dem üblichen Griff sitzt das Objektiv sicher auch perfekt in der Hand. Es ist leichter als man denkt, aber immer noch nicht leicht. Die Sonnenblende rastet auch sauber ein und unterstützt die gesamte Formgebung des Objektivs. Tulpenförmig ist sie und nicht zu ausladend. Damit ist das Objektiv bei, ähem, people photography auch nicht zu aufdringlich. Mal abgesehen davon, dass es ohnehin total unaufdringlich ist, mit einem Superweitwinkel richtig nah ran zu gehen für ein Portrait. 😉
Was mir richtig Spaß gemacht hat, ist die „eingebaute Vignettierfunktion“ bei Offenblende. Man kann damit Menschen oder Objekte im Gegenlicht fotografieren, ohne dass der Himmel dann zu hell wird bspw. (Ja…. man könnte auch mal ins Gegenlicht blitzen, aber da bin ich eigen.). Normalerweise würde ich nie mit einem Weitwinkel, wie diesem hier, offenblendig arbeiten. Bei f2.8 ist der Schärfebereich bei allem über 3m aber bereits recht üppig, so dass man auch mal am Tage bei f2.8 draußen knipsen kann und schöne satte Himmel erhält. Das ist natürlich nicht so die feine Art.
Bokeh und Scharf-Unscharf ist Zeisstypisch „cool“. Ich mag den klaren Wechsel ins Unscharfe und ich mag auch die recht runden Bokehscheibchen. Die Kontraste im Unscharfen bleiben im angenehmen Bereich – unscharfe Linien sehen nicht so streng aus wie bei Fujinons beispielsweise. Das ist eine Eigenschaft, die ich bei Objektiven sehr schätze. Wenn schon Bokeh, dann auch gut „neblig“ sozusagen.
Warum mich das Objektiv „flasht“… Tja. Ich hätte nicht so eine krasse Schärfe und 3d-Pop erwartet. Ich hatte nicht erwartet, dass der Bildwinkel mir so liegen würde. Ich habe nicht mit dem fantastischen Mikrokontrast gerechnet oder den poppigen Farben (lieber unten in die Galerie klicken, da ist ein bisschen mehr Qualität drin). Es ist insgesamt besser als ich dachte. Aus dem Karton an die Kamera. Scharf gestellt, ausgelöst und „Geil!“ (Verzeihung!). Das ist wirklich toll. Und dadurch, dass dieses 18mm f2.8 Distagon nicht allzuschwer ist (für ein Zeiss 😉 ), kann man es wirklich gut dabei haben.
Bei der besagten Hochzeit hatte ich es auf Kleinbildformat fast die ganze Zeit drauf gesetzt für Innen- und Außenaufnahmen direkt in der Gesellschaft. Normalerweise steh ich da auf das 25mm f2 Distagon, aber hier war das 18er auch bestens aufgehoben. Macht schon „Laune“, das Objektiv bei Events einzusetzen. Witzigerweise habe ich es so ziemlich gar nicht für Landschaften eingesetzt. Da muss es ja auch nicht immer weitwinklig sein… 😉
In der Galerie noch ein paar Bilder mit dem Milvus 18mm. Draufklicken, Freude haben! 🙂
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Hallo Elmar, das ist jetzt das zweite Objektiv, was ich in deinem Blog lese. Ich habe vor mir wieder ein Zeiss zu zu legen und schwanke zwischen 15 mm und 18 mm. Ich hatte mir schon mal das Zeiss -85 mm ausgeliehen. Das war auch erstaunlich gut, aber auch sehr schwer. die 18 mm hier überzeuge mich sehr. Bis auf ein bis zwei Perspektiven finde ich jedes Bild gelungen. Aber du findest immer eine gute Auswahl, wo Objekte oder Personen sich im Bild befinden müssen, dass es interessant wirkt. Sehr ausgewogen. Ich könnte bei eBay das -18 mm 2.8 für 1200 € bekommen. Ich glaube das wäre ein Angebot. Ich hatte auch schon mal aus der Klassikreihe das 25 2.0 und das 35 2.0. Leider habe ich diese verkauft. Ich würde es an meiner Nikon Z Kamera verwenden und hoffe das ich durch das Focus Picking auch die Schärfe erreiche.
Hi Oliver, ich denke, das Milvus 18mm ist wirklich ein fantastisches Objektiv. Würde ich heute vor der Wahl stehen, würde ich das 18er dem 15er vorziehen. Das wäre keine Frage der Qualität des Objektivs, sondern persönliche Vorliebe zum Bildwinkel. Die 1200€ erscheinen mir auch als gutes Angebot. Viele Grüße! Elmar