Es ist eine Kamera, auf die wir lange warten mussten – die ZX1 von ZEISS. Zwischen Ankündigung und Markterscheinung vergingen rund 2 Jahre, was im Rahmen von Digitalisierungsprodukten Ewigkeiten zu sein scheinen.
Darum erstaunt es auch nicht, dass die ZX1 recht viel Kritik erntet und das zumeist von Leuten, die sie gar nicht oder nur kurz benutzt haben. Ich habe die Kamera für ein Projekt zu Verfügung gestellt bekommen und kann sie ein paar Monate lang nutzen. Ein paar Monate lang ist sie nun auch schon da und ich lasse mir zugegebenermaßen Zeit damit, eine Bewertung zu ermitteln.
Aufbau und Haptik
Die ZEISS ZX1 ist eine ungewöhnlich designte Kamera mit einem fest verbauten 35mm f2 Distagon Objektiv. Letzteres weist sowohl einen Blenden- als auch einen Fokusring auf. Der Fokusring läuft weich und gedämpft, ist aber leider ein focus-by-wire ohne Stops am jeweiligen Ende. Für das Fokussieren ist es schade, allerdings bleibt so theoretisch die Möglichkeit offen, im Autofokusmodus dort andere Funktionen, wie stufenlose Fokuslupe oder Belichtungskorrektur, drauf zu legen – das wäre zumindest ein Vorschlag in Richtung ZEISS.
Der Blendenring lässt sich in Drittelblenden verstellen und hat auch eine A(utomatik)stellung. Läuft sauber und klickt leise. Beide Ringe sind leicht gummiert, wie wir das von den Touit- und Batis- Objektiven kennen. Zudem verfügt das Objektiv der ZEISS ZX1 über einen Schalter um manuellen und automatischen Fokus zu wählen.
Der Griff erscheint zunächst verkehrt herum. Herkömmliche Griffe an Kameras wölben sich nach vorn, so dass die Hand sie umgreifen kann. Dieser kommt einem in die Handfläche entgegen. Durch die Bauhöhe der ZX1 liegt dieser Griff enorm gut in der Hand. Die Oberfläche ist angenehm texturiert, auch wenn man mal leicht schwitzige Hände hat, fühlt sich das gut und sicher an.
Die Oberseite wird von zwei Rädchen dominiert, dazu kommt ein Schalter und der Auslöseknopf. Die Rädchen sind für Zeit und ISO, der Schalter für Ein/Aus und Moduswechsel. Der Auslöseknopf ist für… Ach kommt. Das ist klar. Letzterer hat einen recht langen Weg, so dass man nicht versehentlich auslöst. Recht angenehm, wie ich finde. Toll wäre ein Drahtauslöseranschluss gewesen, aber sowas zieht eben immer auch Schmutz an.
Die Rückseite der ZEISS ZX1 wird fast vollständig von einem Touchdisplay eingenommen, das auch einen Knick aufweist. Darüber befindet sich ein Funktionsknopf, den man mit Belichtungsbasics belegen kann (aber mehr auch nicht).
Das Display und der Sucher
Ausnahmsweise mal ein eigener kurzer Absatz zum Display… Es ist leicht geknickt um letztlich einen Funktionsbereich für den rechten Daumen vom Anzeige- und Fokussierbereich (quasi die Hauptfläche) haptisch zu unterscheiden. Das funktioniert in der Anwendung recht gut, ich bin einmal zu oft mit dem Daumen versehentlich auf den Funktionsbereich gekommen um hier wirklich „sehr gut“ zu schreiben. Aber man muss eben auch lernen, mit der ZX1 zu arbeiten.
Das Touchdisplay funktioniert gut, aber nicht sehr gut. Es ist mir manchmal ein bisschen träge, wenn ich beispielsweise rechts die Menüleiste verändern bzw verschieben will oder im Hauptteil den Fokuspunkt verziehe. Allerdings hilft diese Trägheit wiederum, dass man nichts mit der Wange verstellt, wenn man den Sucher nutzt. Die Auflösung auf dem Display ist für meine Belange hoch genug, die Anzeigequalität und Helligkeit sind auch perfekt.
Beim Sucher der ZEISS ZX1 kann ich nicht unbedingt schwärmen. Er ist „ok“ – liegt mir vielleicht zwei Millimeter zu weit in Richtung Mitte, so dass meine relativ normal weit auseinander stehenden Augen nicht ganz perfekt ran kommen – bedeutet einfach ein bisschen mehr Druck an der Nase. Das wiederum führt dazu, dass man nicht immer genau mittig rein schaut und dadurch ggf auch mal die Ränder des Minidisplays, was ein EVF nunmal ist, wahrnimmt. Das ist nicht schlimm und auch höchst individuell eingeschätzt, ich will es aber erwähnen, weil es den Eindruck schmälert.
Zudem kommt noch die Tendenz der ZEISS ZX1, höheres ISO-Rauschen direkt auf Sucher und Display zu zeigen. Man bekommt einen sehr exakten Eindruck vom fertigen Bild inkl „lila Rauschen“. 😉
Das Fotografieren mit der ZEISS ZX1
Nun endlich geht es ans Eingemachte. Die Bedienung der ZX1 ist etwas anders als bei anderen Kameras. Das ist in Ordnung, man weiß vorher, worauf man sich einlässt. Ich erwarte keinen Sonycomputer und keine leicaeske Reduzierung. Ich erwarte auch kein perfekt austariertes Konzept wie bei Canon respektive Nikon. Und auch kein halbretro wie bei Fuji.
Man wählt PASM, indem man das jeweilige Rädchen, das nicht manuell bedient werden soll, auf die A Stellung bringt. Das kennen wir von Fuji. Die Belichtungskorrektur liegt allerdings leider nicht auf dem kleineren Daumenrad, sondern im Touchmenü, welches auch mit Kamera am Auge funktioniert. Ich muss sagen, das liegt mir so überhaupt nicht. Bei Stativarbeit ist es cool, weil ich beim Tatschen (hihi) weniger dran ruckle als beim Rädchen drehen. Beim freien Fotografieren ist es eher nervig.
Nervig ist ein gutes Stichwort, was die „längste Verschlusszeit“ bei Auto-ISO angeht. Stellt man 1/15sek ein, dann will die Kamera auch 1/15sek wählen, wenn man bei Blendenpriorität und fester ISO fotografiert. Dass sie das bei Auto-ISO tut, ist klar. Bei fester ISO gehe ich aber davon aus, dass auch längere Zeiten gewählt werden. Aber nein, da muss ich dann manuell ran. Einerseits ist das eine Beschränkung, die dazu führt, dass ich nicht verwackle – insofern nett; andererseits ist das unerwartet, da ich diese Einschränkung ja nur für den Fall „Auto-ISO“ gewählt habe. Nun ja. Weiß man es, verschwindet das recht schnell.
Ich merke, dass ich mit der ZX1 am liebsten manuell fotografiere und das dank Belichtungsvorschau auch sehr gut und simpel funktioniert. Belichtungskorrektur mache ich, indem ich entweder Zeit oder ISO ändere und bei einer Arbeitsblende bleibe. So komme ich tatsächlich in den Flow, den ZEISS in der Werbung der ZX1 verspricht. Man bewegt sich nur im Belichtungsdreieck zwischen Blende, Zeit und ISO. Das ist einfach und direkt. Die ZEISS ZX1 ist eine Kamera, bei der ich mich sehr wenig in den Automatiken bewege.
Der Autofokus könnte schneller sein, aber treffsicher ist er. Die ZX1 kann keinesfalls mit aktuellen Kameras mithalten, was die Fokusgeschwindigkeit angeht. Wirklich lahm ist sie aber auch nicht. Und ganz ehrlich: Das Objektiv ist der Knaller. Und das meine ich ganz positiv. Sehr sehr scharf im Fokuspunkt, sehr angenehmer Schärfeabfall ins Bokeh, das Lichtermanagement ist super – keine chromatischen Aberrationen – oder man muss sie richtig provozieren. Für den Charakter könnte es fast mehr Flares haben.
Die ZEISS ZX1 nochmal betrachtet
Beim Anschauen und Lesen von Reviews sind mir ein paar Sachen aufgefallen, die ich nicht ganz bestätigen kann.
Jemand sprach von unterschiedlichen Farbergebnissen zwischen verschiedenen Entwicklern etc. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich erlebe die Ergebnisse der ZX1 als farbstabil und treu. Ziemlich nah an Hasselblad und manchmal ein bisschen auf der kühlen Seite.
Oft wurde kritisiert, dass man nicht richtig lang belichten könne, weil das nur bis 3sek oder ähnliches geht. Nun ja. Das Menü der ZX1 ist eigentlich ganz einfach. Stellt man auf langes Belichten ein, kann man zunächst aussuchen, mit welcher Verzögerung die Kamera aufnimmt um nicht zu verwackeln. Direkt daneben im Menü wählt man dann die Dauer der Belichtung. Sekundengenau bis zu Vier Minuten(!) – eine Funktion, die ich so bei keiner anderen Kamera gesehen habe. Sie kann auch automatisch bis zu vier Minuten aufnehmen. Man muss es ihr nur einstellen. Und solche Einstellungen macht man bei fast allen anderen Kameras per Daumenrad. Hier bei der ZX1 eben per Touch. Und da verstehe ich, warum man das nicht gleich findet, wenn man die ZX1 nur drei oder vier Tage zum Testen hat.
Der Videomodus der ZX1 ist etwas arm. Kein Stabilisator, auch nicht elektronisch, trotz Cropfaktor. Das Mikro ist erstaunlich gut. Die Belichtungsroutinen sind sehr schlau und angenehm, aber man muss definitiv mit Stativ filmen für angenehme Ergebnisse. 4k 30fps oder 1080p in 60fps- mehr gibt es nicht. Es ist ein Fotoapparat. 😉
Das Editieren und Teilen
Lightroom, Facebook und Instagram sowie Clouddienste wie OneDrive sind mit der Kamera verknüpfbar. Das ist ziemlich cool, aber allzusehr nutze ich es nicht. Bis auf Lightroom allerdings. Ich habe schon manchmal auf der Kamera editiert und dann das Ergebnis auf dem Smartphone dank Lighroom-Cloud gehabt. Bei der Android Oberfläche würde ich mir einen Appstore wünschen und bspw Telegram installieren um mir und anderen auch Bilder direkt schicken zu können. Die Kamera kann das per Mail, was auch gut funktioniert. Aber Messenger sind einfacher und schneller, dafür gibt es sie ja.
Die elende Preisdiskussion zur ZX1 möchte ich hier nicht wirklich führen. Ist die Kamera 6000 Euro wert? Ja, wenn du es bezahlen möchtest. Nein, wenn du es nicht bezahlen möchtest. Die Gründe, die zu deiner Entscheidung führen, sind so vielfältig, dass man da ewig diskutieren kann. Lassen wir es einfach. 😉
Fazit und Meinung
Ich muss sagen, dass meine Meinung zur ZEISS ZX1 am Anfang wie eine junge Birke im Wind war – Hin und her gerissen. Zunächst war ich einfach nur fasziniert von den Bildergebnissen. Dann kamen ein paar nervige Punkte in der Bedienung zum Vorschein. Dann fand ich mich plötzlich super zurecht und muss nun sagen, dass ich unglaublich gern damit arbeite. Aufgrund der Umstände der letzten Monate waren da keine Hochzeiten oder große Events dabei, ich schätze mal, dass dabei der Fokus mit seiner Geschwindigkeit ein Thema werden könnte.
Die Bildergebnisse erfreuen mich sehr, die ZX1 macht Spaß beim Benutzen. Mehr als ich gedacht habe, nachdem ich mir andere Aussagen dazu zu Gemüte geführt hatte. Schön ist auch, dass die Firmware nachgebessert wurde und der Fokus sich verbessert hat.
Was ich mir wünschen würde ist eine Erweiterung von Funktionsknopf und Fokusring in den Möglichkeiten und eine Möglichkeit, Messenger zu installieren. Aber das war’s auch schon. Ich mag sie, die schrullige ZX1.
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