Die Sigma FP ist in vieler Hinsicht eine besondere Kamera. Das offensichtliche ist, es ist die kleinste und leichteste Kleinbild aka Vollformat Kamera auf dem Kameramarkt.
Aber der Reihe nach. Zuerst einmal will ich hier ganz deutlich machen:
Alles, was ich hier schreibe, ist meine ehrliche Meinung. Ich werde von Sigma weder bezahlt, noch wurde mir gesagt, was ich sagen soll oder eben nicht. Ich will dies hier so deutlich sagen, da ich mich in manchen Punkten wirklich sehr positiv über die Kamera äußere. Einfach, weil ich sie eben genau so toll finde. Gleichzeitig habe ich versucht, alle Punkte, die mir negativ auffielen, auch zu adressieren.
Als nächstes will ich mich recht herzlich bei Sigma Deutschland bedanken, dass ich die Kamera und das passende Kit-Objektiv zur Verfügung gestellt bekommen habe, um mir mein ganz eigenes Bild von der Kamera machen zu können. Diese Erfahrungen will ich hier gerne mit Euch teilen.
Ferner muss ich hier auch Maher Maleh danke sagen, denn bei einem Besuch bei ihm fiel mir diese kleine, merkwürdig aussehende Kamera auf, und nach ein paar Minuten des Spielens damit war meine Neugier geweckt.
Voll kleines Vollformat
Sigma wirbt bei der Sigma FP damit, dass es sich um die kleinste Vollformat Kamera auf dem Markt handelt. Das alleine weckt schon meine Neugier. In der Sigma steckt ein 35mm Vollformat (35,9 x 23,9mm) Hintergrundbeleuchteter Bayer CMOS-Sensor mit 24 MegaPixel Auflösung. Auch wenn ich kein absoluter Vollformat Fanatiker bin, der alles kleiner als diese Sensorgröße als Spielzeug abtut, so muss ich gestehen, dass ich einen großen Sensor sehr mag. So ein Kleinbildsensor bringt einfach ein paar Vorteile mit sich. Sollen wir das ausdiskutieren?!
Die Kamera ist das eine, sehr entscheidend ist natürlich auch das Objektiv. Wie man im Titelbild sieht, ist das Kit-Objektiv hier passend zur Kamera angenehm klein. Ja, es ist „nur“ ein f2.8 Glas, aber (Achtung: Spoiler!) es ist echt ein sehr cooles Glas, und egal, was man von der Sigma FP selber hält, eins ist klar: Sie benötigt nicht zwingend lichtstarke Objektive. Wie meinen? Einfach weiter lesen! 😉
Zu der ganzen Wahrheit um das mit dem „kleinste Vollformatkamera“ gehört aber auch, dass dieser Kamera ein paar Dinge fehlen. Und dies nicht etwa, weil die Entwickler das vergessen hätten, vielmehr ist Sigma hier einen interessanten neuen Weg gegangen.
Sie haben nämlich ein modulares System entwickelt. Um die Sigma FP zu „Deiner“ Kamera zu machen, muss und kann man diese eben selber konfigurieren. So sieht zumindest Sigmas Idee hinter dem ganzen aus.
Dies wird vor allem deutlich, wenn man sich auf der Sigma Website zur Sigma FP umschaut. Sigma bietet dort zum freien Download verfügbar die 3D-Daten an. Sigma schreibt dort:
Offenes Konzept
Die SIGMA fp ist eine Kamera, dessen Modularität im Vordergrund steht. Aus diesem Grund stellen wir die 3D-Daten der Kamera für Zubehörhersteller zur Verfügung, um das System noch besser an die individuellen Wünsche anpassen zu können. Die 3D-Daten finden Sie hier.
Hinzu kommt, dass in naher Zukunft das SDK freigegeben wird. Sprich Entwickler können an der Firmware Änderungen vornehmen. Diese beiden Dinge zusammen können die Sigma langfristig zu einer extrem spannenden Kamera machen.
Die Sigma FP kommt im Kit mit dem ganz hervorragenden 45mm f2.8 Contemporary und einem zusätzlichen Blitzschuh, der gleichzeitig als Kabelfixierung für den Mikro-HDMI Anschluss funktioniert.
Ich war dankbar, von Sigma noch den separat erhältlichen Handgriff HG-11 erhalten zu haben. Dieser trägt kaum auf und verbessert gleichzeitig die Ergonomie der Kamera enorm. Den LCD Sucher LVF-11 hätte ich gerne auch ausprobiert, aber das funktionierte leztlich leider nicht. Ich will mich nicht beschweren, aber es wäre schon sehr interessant gewesen, diesen auch zu testen, zumal ich von anderen Testern gehört habe, dass er echt sehr cool sein soll. Dass er etwas groß ist, ist jetzt mal außen vor.
Sigma hatte mir zudem ermöglicht, einige der wirklich coolen Festbrennweiten der Sigma Art Serie mit der FP zu testen. Ich muss aber gestehen, dass ich für meine Zwecke das 45mm interessanter fand. Die Art Serie ist echt was sehr Feines, aber am Ende sind sie mir persönlich an der FP zu groß gewesen. Hilfreich war natürlich, dass ich die Bildleistung des 45mm sehr gut fand und bis auf die Anfangsblende nichts zu meckern hatte. Aber selbst die f2.8 fand ich im Fotoalltag kaum bis gar nicht schlimm.
Cine oder Still?
Diese Frage ist bei der Sigma FP wirklich berechtigt, denn im Gegensatz zu den allermeisten Fotokameras auf dem Markt ist die Sigma FP kein Fotoapparat, der auch für Film verwendet werden kann. Es verhält sich hier fast schon andersherum. Die Sigma FP ist in meinen Augen eine Kamera, die sich wohl in erster Linie an Cinematographen wendet, und wir Fotografen kommen natürlich auch auf unsere Kosten.
Da ich kein Fachmann bin, was Film betrifft, musste ich mich im Netz selber erst einmal etwas schlaulesen/schauen. Diese Kamera ist imstande, 4k bis maximal 30fps im RAW-Format (!) zu filmen. Die Betonung liegt hier ganz klar auf dem RAW-Format beim Filmen. Wenn man die Body- und Sensorgröße betrachtet, ist das wirklich eine sehr beachtliche Leistung, und somit ist die Sigma FP wirklich einzigartig auf dem Markt.
Ich habe kaum bis gar nicht damit gefilmt, denn zum einen bin ich einfach nicht der richtige, der das Potential dieser Kamera beurteilen kann, wenn es um Filmen geht, und zum anderen muss man, um wirklich an die Leistung dieser Kamera ranzukommen, mit extrem schnellen SD-Karten arbeiten, die einfach sehr teuer sind. Alternativ muss man mit SSD-Festplatten arbeiten. Letzteres ist wohl das sinnvollste, aber es war mir dann am Ende zu aufwendig, zumal das riesige Dateien werden, die mein Rechner vermutlich eher sehr gemächlich verarbeiten könnte.
Ich empfehle für die Interessenten unter Euch dagegen dieses Video. Es ist mittlerweile etwas veraltet, da Sigma erst kürzlich mit einem Update der Firmware herausgekommen ist und viele der dort angesprochenen Probleme adressiert hat, aber es ist dennoch sehr interessant.
Aber ich will das hier noch einmal sehr deutlich machen: Diese Kamera kommt mit vielen Profitools für Filmer daher, aber für uns Fotografen ist diese Kamera auch extrem (!) interessant.
Wir Fotografen brauchen in erster Linie eine Kamera mit top Bildergebnissen. Achtung Spoiler: Wir werden nicht enttäuscht!
Das Bedienkonzept
Das Bedienkonzept der Sigma FP empfinde ich persönlich als angenehm einfach. Ich bin LEICA M Fotograf, ich bin also einfache Bedienkonzepte durchaus gewöhnt. Ich will nicht soweit gehen, die Sigma FP mit einer Leica M zu vergleichen, und doch empfinde ich beim Fotografieren mit der Sigma FP ein ähnliches einfaches Konzept, und dies vom ersten Moment an.
Wenn man sich die Knöpfe, Schalter und Drehregler auf der Kamera anschaut, fällt einem auf: Es gibt nicht viel.
Ich mag das. Ich kann mit Kameras, die zu viele Knöpfe und Schalter haben, meist wenig anfangen. Ich brauche im Grunde nur 4 Hauptmerkmale an einer Kamera, und die will ich schnell und umkompliziert erreichen können. Blende, Zeit, ISO und den Autofokus, je nach Modus eben auch die Belichtungskorrektur. Ich gebe zu, dass ich oft auch nur die Blende und den Fokus direkt beeinflusse. Den Rest überlasse ich oft auch der Kamera. In bestimmten Lichtsituationen, oder wo ich eine bestimmte Belichtung will, wähle ich natürlich alles selber.
Hier ist die Sigma FP sehr einfach zu bedienen. Ich habe zu 99% das 45er benutzt. Die Blende wähle ich an dem Objektiv vor. Die Zeit an einem der Wahlräder. Für andere Einstellungen habe ich mir die wichtigsten in das Quickmenü (QS Taste) gelegt.
Etwas schade finde ich, dass die Taste Tone- (Tonwertkurve) und Color-Taste (jpg Simulation) nicht frei konfigurierbar sind. Als RAW Shooter hätte ich mir hier die Option gewünscht, eine andere Funktion auf diese legen zu können.
Was dagegen nicht so schön ist, ist der fehlende Sucher. Ich bin kein Klappdisplay „Fanatiker“, aber kein Sucher und kein Klappdisplay ist tatsächlich etwas schade, denn was diese Kamera an Bildergebnissen liefert, spielt definitiv in der Profiliga in meinen Augen. Ich kann mir aber vorstellen, dass dieser Umstand für viele Interessierte ein wichtiger Punkt ist. Sigma hat einen Sucher im Programm, dieser trägt jedoch sehr auf und macht die kleine Kamera wieder deutlich größer.
Bildqualität
Ich habe es oben schon angesprochen: Die Bildqualität der Sigma FP liefert in meinen Augen extrem hochwertige Ergebnisse. Der Sensor hat dabei einen sehr hohen Dynamikumfang, und in Sachen HighISO habe ich selten Kameras gesehen, die so detailreiche Aufnahmen liefern wie die Sigma FP. Ich bin ein RAW Fotograf. Was ich in Lightroom hier in Sachen Farbe aus den Dateien heraushole, hat mich sehr begeistert. Capture One genießt ja den Ruf, hier noch einmal ein deutlich besseres Farbmanagement zu haben. Ich kenne das Programm leider nicht und bin auch zu faul ,mich da einzuarbeiten, aber ich weiß, dass Elmar hier Erfahrungen hat. Vielleicht kann er ja hier etwas dazu sagen. [Anmerkung Elmar: Die fp Dateien bleiben in der Bearbeitung durch Capture One auch angenehm rauschfrei – lange habe ich die Kamera noch nicht, sehe sie in ähnlichem Licht wie Mehrdad das tut.]
Besonders beeindruckt hat mich hier tatsächlich das HighISO Verhalten der Sigma FP. Mit meinen Kameras, die ich so nutze, gehe ich selten über ISO6400. ISO10.000 nutze ich dann zum Beispiel bei meiner M10 nur im absoluten Notfall. Bei der Sigma FP war ich wirklich nicht schlecht erstaunt, als ich die Ergebnisse bei ISO12.800 sah. Der Detailreichtum bei so einer hohen ISO Zahl kannte ich bis dahin von keiner anderen Kamera!
Die Besonderheiten der Sigma FP
Ich habe oben ja schon ein paar Dinge angesprochen, die die Sigma FP in meinen Augen zu einem recht besonderen Fotoapparat machen. Dass sie in Sachen Filmen noch einmal was ganz Besonderes ist, will ich wie gesagt jetzt aus Mangel an persönlichem Wissen hier mal außen vor lassen. Neben der herausragenden Bildqualität und der doch recht angenehm einfachen Bedienung gibt es aber eine Besonderheit an der Kamera, die nicht nur positiv ist.
Die Sigma FP hat keinen mechanischen Verschluss. Von 30s bis 1/8000s löst der Verschluss rein elektrisch aus. Im Kameramenü kann man einstellen, dass die Kamera keine Shutterlag zeigt. Das ist einerseits genial, andererseits gewöhnungsbedürftig. Man kann die Kamera also so einstellen, dass man im Grunde keinen Aussetzer im Display sieht. Ich gebe zu, das war sehr ungewohnt und irgendwie cool, aber ich habe mich kaum daran gewöhnen können, dass dennoch eine Aufnahme getätigt wurde, und habe nach wirklich fast jeder Aufnahme kontrolliert. Das war mir dann irgendwann zu doof, sodass ich das dann doch wieder eingeschaltet hatte.
Schwierig wird die Sigma FP und ihr elektronischer Verschluss dagegen für Studio- bzw. Blitzlicht-Fotografen. Hier ist der rein elektronische Verschluss ein Hindernis. Je nachdem, in welcher Bitrate man fotografiert, 12 oder 14 Bit, beträgt die Blitzsynchronzeit 1/30 bzw. 1/15 Sekunde. Erschwerend kommt hinzu, dass derzeit nur Sigmablitze unterstützt werden und der Hotshoe bzw. sein Mittenkontakt nicht einmal für einen Funksender zum Auslösen von Blitzanlagen genutzt werden kann. Das macht die Sigma FP leider für diesen Bereich der Fotografie eher unbrauchbar.
Auf der anderen Seite sind dann da die Bilddateien, und hier vor allem auch die jpg Dateien. Auch wenn ich mich hier eventuell wiederhole, ich bin auch von den jpgs begeistert. Nicht nur, dass die Farben in den einzelnen Farbsimulationen sehr schön gerendert werden, sie sind qualitativ auch sehr hochwertig und lassen noch eine Menge Spielraum in der Bearbeitung zu. Ich kenne ähnlich gute jpgs eigentlich nur von Fujifilm X-Series Kameras.
Für wen ist die Sigma FP geeignet
Ich nehme mal bewusst die Filmer heraus aus meiner Betrachtung, da, wie gesagt, nicht meine Kernkompetenz. 😉
Diese Frage ist im Grunde leicht zu beantworten und doch auch wieder nicht so recht. Leicht, weil die Bildqualität in meinen Augen so herausragend gut ist, was HighISO, Farben und Detailreichtum angeht, dass sie den höchsten Ansprüchen genügen wird.
Wer auf einen Sucher nicht verzichten kann/will, für den ist die Sigma FP derzeit leider (noch) nichts. Dies kann sich mit dem bald erscheinenden SDK ändern, das wird die Zukunft wohl zeigen.
Wer Sportfotograf ist und sich schnell bewegende Objekte/Personen ablichtet, der sollte aufgrund des RollingShutter-Effekts auch eher Abstand von der Sigma FP nehmen. Studio-/Blitzfotografen sollten zumindest noch etwas abwarten, was die Zukunft bringt bei Sigma.
Dass kein wifi/Bluetooth an Bord ist, kann nicht unerwähnt bleiben.
Wenn all diese Dinge nicht absolutes „Muss“ für jemanden sind, er/sie eine kleine und leichte Kamera mit extrem (!) guter HighISO Leistung z.B. für Reisen, Landschaft, Street, Architektur, Alltag und Familie sucht, der sollte sich unbedingt die Sigma FP ansehen. Sie ist diesen genauen Blick definitiv Wert. Die Bildqualität ist einfach genial. Ich muss gestehen, ich habe mich doch ein wenig (sehr) in die Sigma FP mit dem 45mm verschossen. Ja, ich habe eine kleine Liste an Sigma geschickt, was ich mir als Fotograf (!) anders wünschen würde, aber die kleine ist dennoch ein ganz heißer Kandidat, um demnächst bei mir einzuziehen.
Die Sigma FP ist eine richtig tolle Kamera – mit ein paar „aber“. 😉
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