Ich konnte mir den Oberwerth Matterhorn mal genauer anschauen. Mehrdad hatte ihn für ein Video zur Verfügung gestellt bekommen und ich durfte diese Situation schamlos ausnutzen um mir mal diesen interessanten Rucksack genauer anzusehen.
Vielleicht sollte ich darauf hinweisen, dass ich ein paar Jahre lang im Einzelhandel tätig war – genauer gesagt in der Outdoor-Sparte und das zu einer Zeit, in der noch nicht jeder mit der Outdoorjacke bestens geschützt die Expedition zum Supermarkt antrat, sondern wir Sachen verkauften, die tatsächlich im Hochgebirge eingesetzt wurden und dafür gemacht waren. Lifestyle kam später.
Aus dieser Zeit habe ich mir eine Angewohnheit mitgenommen, Material und Verarbeitung von Kleidung und Ausrüstung zu Überprüfen. Teilweise haben wir manche Sachen auch an Großhändler bzw. Firmen zurück gesandt, wenn die Qualität nicht stimmte. Dafür kamen Leute zu uns um sich für den Himalaya oder die Seilschaft an den Aiguilles du Midi auszurüsten. Quasi bevor man nahezu befördert wurde. Schöne Zeiten! Definitiv jedoch lernt man, auf Inhaltsstoffe der Materialien, Nähte und verbaute Kleinteile zu achten.
Insofern wollte ich, nachdem ich immer einen Bogen um die fancy pancy Fototaschen gemacht habe, mal sowas wie den Oberwerth betrachten. Weniger um mich für eine Expedition auszurüsten (dafür isser nix!), vielmehr um zu schauen, ob die recht hochpreisige Marke sich in ihrem Produkt dem Premiumanspruch treu bleibt.
Form und Praxis
Der Oberwerth Matterhorn sieht zunächst erstmal aus wie ein „grumpy hippo“. Eine sehr klassische Rucksackform, großer Hauptteil, flache Fronttasche, hinten Laptopfach. Letzteres fällt zunächst gar nicht auf. Die Trägergurte sind „normal breit“ dimensioniert, für einen Alltags-Fotorucksack auch ausreichend gepolstert. Schwerere Lasten mit mehr als 12kg würde ich dafür nicht empfehlen. Insgesamt sieht mein Gestaltsinn in diesem Rucksack ständig Gesichter. Auweia.
Das Laptopfach bietet scheinbar Platz für einen 13“ Laptop und ist in beide Richtungen leicht gepolstert. Schön ist, dass diese Polster verhindern, dass der Rucksack in sich zusammenfällt, wenn man mal das Innenteil heraus nimmt. Kennt ihr das, wenn man einen Rucksack packen möchte und der ständig einstürzt? Das hat man hier nicht. Sehr gut. Der Innenstoff im Laptopteil ist auch rutschig genug um auch Papier knitterfrei zu transportieren und wiederum griffig genug, dass einem der Laptop nicht raus fällt. Generell lässt sich dieses Fach nicht zu hundert Prozent öffnen und ausklappen. Es ist dadurch mehr Einschub als Fach. Das verhindert natürlich versehentliche Stürze des Inhalts. Ein eventuelles Reinigen wird dadurch natürlich schwieriger.
Das Frontfach ist organisiert wie eine Art Geldbörse. Mehrere Einschübe für Kreditkarten, diverse kleinere Fächer, auch verschließbar. Das gesamte Fach wird mit einem Reißverschluß geschlossen.
Das Hauptfach verfügt über ein herausnehmbares Fototaschenteil. Dazu gleich mehr. An der Rückwand befindet sich noch ein Reißverschlussfach, das im Normalfall hinter dem Fototeil verborgen ist. Man sieht, dass der Rucksack auch ohne „Fototaschenfunktion“ gut nutzbar sein soll.
An der Rückseite befinden sich natürlich die Tragegurte. Die Verstellringe sind aus eloxiertem Metall gefertigt und vermitteln eine schwere Qualität. Sie lassen sich gut anlupfen um den Gurt zu verstellen – und das ist wieder so eine Geschichte… Man kann sie gut mit Handschuhen bedienen, sie stoppen die Gurte auch zuverlässig. Genau so wünscht man sich das für den Alltag. Die Gurte kann man hinter einem Querstreifen verstecken. Letzterer dient zur Befestigung des Rucksacks auf einem Trolleygriff. Der Oberwerth Matterhorn geht sicher als Handgepäck durch. Das Leder würde ich auch ungern auf’s Gepäckband werfen…
Ausstattung und Verwendung
Im Hauptfach ist zunächst erstmal eine Art Fototaschenteil eingearbeitet. Dieses ist oben und unten per Klettverschluss (breit und stabil) befestigt. Das Fototaschenteil ist in sich gestaltbar. Man kann, wie branchenüblich, die einzelnen Abteilungen in Maßen selbst festlegen. Der Gestaltung sind Grenzen gesetzt. Die kleineren Trennstücke greifen per Klettverschluss in den Kunstfilz. Diese Klettis könnten etwas stärker sein.
Beim Hauptfach fällt auf, dass es sich nicht vollständig aufklappen lässt. Das wiederum ist für Reinigung und Handling manchmal doof – ABER: Wenn die Frontklappe nicht auf fallen kann, besteht zum einen keine Gefahr, dass aus dem Hauptfach was fällt (wäre auch unwahrscheinlich, weil man das Fach ja öffnet um was rauszuholen, also dort beschäftigt ist). Zum anderen wird dadurch aber auch das Frontfach aufrecht stehen bleiben, was den Verlust von Speicherkarten, Geldbörsen (Platingeldklammern?) unwahrscheinlicher macht. Zudem sind Hauptteil und Frontklappe des Rucksacks miteinander durch Dehnfalten miteinander verknüpfbar um den Effekt des „eher Einschub als Fach“ zu vergrößern. Die Druckknöpfe dazu sind wertig und halten sicher.
Nimmt man das Fototeil heraus, eröffnet sich ein passabler Alltagsrucksack. An der Rückseite innen ist nochmal ein Dokumentenfach untergebracht. Das ist immer ganz praktisch als „Organizer“.
Materialität und Verarbeitung
Leder, Messing, Polyester. Der Rucksack besteht aus Rindsleder. Dickem schwarzen Leder. Innen dann findet sich Stoff, der Polyester zu sein scheint. Teilweise glatte Abschnitte in Rot, im Fototeil Kunstfilz, ebenfalls rot. Ich finde das ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber es passt ja gut zum Schwarz.
Die Reißverschlüsse sind zum Teil aus Kunststoff, mit Schlitten aus Messing. Die Fähnchen sind wiederum aus Leder außen und Kunststoff innen. Das ist stimmig und greift sich gut. Insgesamt muss ich hier mal was loben: Selten so gute Verarbeitung rings um die Reißverschlüsse gesehen. Die Reißverschlussabdeckungsleisten (Galgenrätsel!) sind perfekt dimensioniert. Es war mir nicht möglich, einen eingeklemmten Reißverschluss (Reißverschlussabdeckungsleisteneinklemmvorkommnis) zu provozieren. Die Verschlüsse laufen dadurch unglaublich flüssig. Perfekt also? Hmm. Für mich als Anwender ja. Für den gelegentlichen Taschendieb laufen sie auch so flüssig. Muss man wissen. 😉
Die Verarbeitung ist überall hochwertig. Nirgends stehen Fäden über oder sind Ecken schlecht vernäht. Die Werkstücke sind sauber zugeschnitten, die Vorgaben bei der Fertigung müssen wirklich streng sein. Alles passt sauber ineinander. Das erinnert mich an 45min Handpolieren bei der Leica T… Aber im Ernst. Wer wirklich auf saubere Verarbeitung Wert legt, kann getrost zum Oberwerth greifen.
Praktikabilität und Fazit
Ich konnte zum Test mal zwei Kameras darin unterbringen und auch zwei große bzw drei bis vier kleinere Objektive. Allerdings, und das gebe ich zu, habe ich das „liegend“ getan. Ich weiß nicht, ob das Setup im Rucksack auch rutschstabil gewesen wäre. So viel schleppe ich aber auch nur im seltensten Fall mit. Für eine Leica M mit verbautem Objektiv, dazu zwei Wechselobjektive, kleines Tischstativ und im Rückteil ein 10“ Tablet wäre der Rucksack nahezu perfekt.
Mir persönlich ist er für einen Rucksack zu klein – ich schätze, das ist der Eigenschaft als Handgepäck geschuldet. Zu klein deshalb, weil mein Kreuz dafür zu breit ist. Der Rucksack würde dann recht hoch sitzen, was zum einen fipsig aussieht (egal!) und zum anderen einfach auf die Mitte des Rückens drückt- was bei etwas mehr Gewicht nervt. Ich bin mit 1,77m kein Riese und verpasse geradeso das Maß der Schweizer Garde (gottseidank). Geschmacklich möchte ich den Rucksack nicht bewerten, das ist kein sinnhaftes Unterfangen. Würde jedenfalls zu meinem Aston Martin passen, wenn ich den nicht in heller Ausstattung bestellt hätte. 😉 (SCHERZ!)
Was vielleicht ganz angenehm ist: Der Rucksack sieht nicht nach Fototasche aus. Von weitem ist es eben ein kleiner schwarzer Lederrucksack. Die Qualität offenbart sich hauptsächlich in der Verarbeitung und Haptik – bis dahin ist er unpretentiös, was ich positiv aufnehme.
Ich selbst arbeite bei Taschen und Rucksäcken eher mit Produkten einer anderen Firma aus dem „Outdoor-Bereich“, aber das ist aus der persönlichen Vergangenheit und der hohen Zufriedenheit damit tradiert. Der Oberwerth Marathon hat mich tatsächlich ganz schön fasziniert, gebe ich zu.
Mehrdad hat seine Gedanken zu dem Rucksack in einem Video geteilt.
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