Die Affäre war kurz.
Kurz und heiß. Schon lange hatte ich mit ihr geliebäugelt, immer mal wieder vorsichtig herüber gelinst. Verstolen eher als aufrichtig. Wage ich es? Oder lieber nicht? Die Chance ergab sich und ich nutzte sie, die Gelegenheit. Der Körper ist schlank. Griffig an den richtigen Stellen und angenehm rund da, wo es rund sein soll. Ein „scharfes Gerät“ würden manche wohl sagen. Doch hält der erste Eindruck, was er verspricht? Wie stellt sie sich an, wenn es länger dauert? Schein = Sein?
Leica fasziniert viele. Auch mich hat der „göttliche Knipskasten“, der zur Zeit meiner Faszination noch M9 hieß, einmal gefesselt. Messsuchertechnik, Kleinbildformat, Reduktion auf das Wesentliche (*hust*) und dann diese vielen vielen Bilder im Netz, die mit einer M9 gemacht wurden… All das ließ mich nicht kalt. Immer wieder schielte ich in diese Richtung und versuchte mir darüber klar zu werden, was mich da so faszinierte. Nach einer Weile war mir klar, was die meisten dieser Bilder gemeinsam hatten: Subjekt des Bildes zumeist in der Mitte, Helligkeitsabfall nach außen, Schärfeabfall durch häufige Verwendung von Offenblende, meist „analogartig“ verfärbte Bilder. Naja. „Retrolook“ eben. Aber brauchte ich dafür eine Leica? Meine Anforderungen waren andere (und die konnte die M9 wirklich überhaupt nicht erfüllen) und so kam alles anders.
Was mir im Gedächtnis geblieben ist, sind die Objektive. Viele der Bilder, die mich wirklich reizten, waren mit einer Linse namens C-Sonnar 50mm f.15 entstanden. Die hatten was, diese Bilder. Aufgeblendet nicht so hyperscharf. Abgeblendet wirklich ok. Der Übergang von scharf zu unscharf wirklich interessant. Leichte Swirlyness im Bokeh. Alles cool, irgendwie. Leider machte diese Linse so erstmal gar nicht Sinn auf meinem Fuji X Kram. Dachte ich. Also habe ich mich nicht weiter damit beschäftigt. Irgendwie. Nicht.
Und dann einige Jahre später hatte ich dann doch sehr große Lust, das Sonnar mal auszuprobieren und darüber auch was zu schreiben. Ich mag die Linse in den meisten Fällen. Aber eins habe ich auch halbwegs bitter gelernt: Man muss sie wirklich erstmal gut kennenlernen bevor man damit was ernsthaftes aufnimmt. Ich habe eine Menge Bilder „ver-„schossen, die in der Sucherlupe erstmal gut aussahen und dann später am Monitor zwar „Charakter“ haben, aber für moderne Menschen, die Schärfe gewöhnt sind, nicht unbedingt so einfach akzeptabel sind. Da liegt das Problem aber eindeutig beim Fotografen (oder natürlich beim Betrachter…) Irre, eine Linse mitzunehmen, die man nicht gut kennt, wenn es mal um echte Ergebnisse geht. Also: Don’t blame the lens! (Gut, dass es keine Leica Elmar Linse war, sonst hätte ich jetzt sicher schlechte Wortwitze gemacht!)
Das Zeiss C-Sonnar 50mm f1.5 ist ein Objektiv, dessen Rechnung schon einige Jahrzehnte zurückreicht (wenn mich nicht alles täuscht in die Zeit vor dem zweiten Weltkrieg). Oft ist es russisch kopiert worden, man denke hier an Jupiter Objektive (ich besaß mal eins, das war ganz wunderbar). Auch Carl Zeiss Jena hatte eine Art Ableger gebaut. Die Rechnung ist gut und bewährt, kann man also positiv vermelden. Das Sonnar (von Sonne, weil „lichtstark“) ist im Grunde eines der ersten wirklich lichtstarken Objektive für Messsucher. Während andernorts noch mit maximaler f3.5 gearbeitet werden musste, konnte man hier auch mal auf f2 aufblenden oder eben zur Not auf f1.5 – bei ISO-Werten um die 100, ist das mitunter durchaus hilfreich. Film war nicht so empfindlich und wenn der Fotograf halbwegs kurze Belichtungszeiten von 1/15sek haben wollte, war oft genug eine f1.5 nötig – für manche heute sicher unvorstellbar, aber ja! Damals(TM) wurde so fotografiert. Keine 1/200, „denn sonst verwackel ich immer“. Da kommt die kleine Taschensonne gut daher. Das C-Sonnar ist im Grunde eine dieser Linsen, die Zeiss quasi „schon ewig“ im Programm hat. Ein Objektiv, das mit der Firma wuchs und dennoch deren Erbe verkörpert – perfekt für die Heritage-Reihe hier!
Es ist klein, leicht und sexy. Also, wenn man das so sagen möchte. Kurz vorher hatte ich ja auch mal Iberit getestet und die Haptik des 50er Sonnars war nach den Iberit einfach eine Wohltat. Tut mir leid, aber das war wirklich augenfällig. Fokus- und Blendenring drehen sich sauber und da wackelt nichts. Die Griffigkeit ist sehr gut. Es ist nicht zu klein. Der silberne Ring ganz vorn stört mich persönlich nicht, da es kein Makro-Objektiv ist und ich nicht davon ausgehe, irgendwo mal diesen Ring in einer Spiegelung wiederzufinden. Apropos „nicht Makro“: Ein Messsucherobjektiv der alten Sorte hat natürlich eine recht hohe Naheinstellgrenze. Nix mit 25cm vom Film zum Objekt, Nein!, hier sind es satte 90cm. Für reine Messsucher ist diese Beschränkung auch ok, denn den Parallaxenausgleich zu denken, fällt nicht jedem Fotografen leicht. In der heutigen Zeit muss da vielleicht endlich mal umgedacht werden: Liveview gibt es sogar bei Leica inzwischen. Und wer seiner Einschätzung nicht vertrauen mag, der fotografiert einfach nicht so nah…
Offenblendig ist das Sonnar 50mm wirklich sehr weich. Man hat beim Fokussieren auf dem EVF schon einen starken Schärfeeindruck. Das dürfte am guten Mikrokontrast des Objektivs liegen. Wirklich tief ist die Schärfezone allerdings nicht und leicht gebogen dürfte sie auch sein. Wer mit EVF fotografiert nutzt hier unbedingt die versetzbaren Fokuspunkte. Sonst kann nicht gewährleistet werden, dass wirklich am gewünschten Punkt die Schärfe liegt. Abblenden hilft. Allerdings darf man das nicht DSLR-Style machen, also nicht bei Offenblende fokussieren und dann erst leicht abblenden. Es gibt manchmal einen minimalen Fokusshift, so dass die Schärfeebene leicht verschoben ist. Lieber erst abblenden und dann fokussieren. Der Messsucherpilot kann freilich darüber schmunzeln. Er muss ja auch nicht durch das Objektiv schauen bzw ignoriert diese Möglichkeit ja systembedingt. Für den Umgang mit Blenden f1.5 bis f2.8 sollte man mit dem Sonnar jedenfalls üben. Wenn gelernt, belohnt das Sonnar die Übungen schon sehr.
Abgeblendet ist das Sonnar positiv unauffällig. Es tut, was es soll, und das macht es gut. Hauseigen hat es eine starke Konkurrenz. Während das Sonnar nominal f1.5 bietet, kommt ebenso ein Planar 50mm f2 daher. Das Sonnar muss man ohnehin auf f2 oder weiter abblenden um wirklich scharf damit zu fotografieren. Das Planar ist bei f2 bereits so scharf. Nimmt sich also nichts… Bis auf die Bildwirkung. 3D-Pop haben sie beide. Das Sonnar jedoch ruft mit seinen Bildern bei vielen etwas wach, das ich am ehesten mit fotografischer Erinnerung gleichsetzen würde. Man sieht die Bilder damit und das erinnert die älteren von uns an die gute alte Zeit (TM), in der noch Schwarzweißabzüge ins Album geklebt wurden. Damit sind einige von uns aufgewachsen und vielleicht ist es genau das, was manche in der modernen, schnellen, hyperscharfen SuperISOfotografie so vermissen. Wer seinen Bildern etwas vom alten Zauber geben möchte, greift ruhig zum Sonnar.
Schön war sie jedenfalls, die kurze Affäre mit dem Sonnar. Ich wünschte, sie würde bleiben, diese Linse. Aber ach! Längst ist sie zurück bei ihrer Familie.
Jetzt noch als P.S. der ultimative Tipp: Man nehme also idealerweise eine Sony A7s mit einem Zeiss C-Sonnar 50mm f1.5 und lege den Fokuspunkt stets auf die Mitte. Dann ein Schwarzweiß einstellen mit etwas weniger Kontrast und die Subjekte 1/3 unterbelichten und stets(!) in der Mitte halten. Offenblendig arbeiten für Vignette und Schärfeabfall. Zack! Leicalook. Gern geschehen. Das einzige, was man dazu nicht benötigt, ist… Richtig. Humorlosigkeit.
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Nutze das Sonnar an der Leica und das gerne. Neben den hier beschriebenen Vorteilen, ist es an der Leica auch scharf.
BTW: das Feuerwerksbild ist ziemlich gut…
In der Tat, ich konnte die paar Wochen wo ich es jetzt an der M10 nutze auch nicht den viel zitierten Focus-Shift feststellen.
Ich mag das sehr an der M.
Danke für den sachlichen und sehr glaubwürdigen Bericht. Die classischen Zeiss-Linsen werden völlig unterschätzt, obwohl sie in Größe, Verarbeitung und Abbildungsqualität keine Konkurenz zu fürchten haben. Eine Leica M und drei ZM Linsen, was will man mehr!
Vielen Dank! Da geb ich dir Recht. Mittlerweile habe ich mir ein 50er C-Sonnar geleistet und möchte es auch nicht mehr missen. 🙂
Mmmh, interessant, schon ne Weile her, ist ja egal. Und wie verhält es sich dem Objektiv nun an einer Fuji (pro2)? Könnte doch eine interessante Ergänzung zum XF50/2 sein. Hast du es versucht?
Hi Martin, die meisten Fotos im Beitrag sind mit dem Sonnar auf Fuji entstanden. Mir ist es an einem EVF auch etwas lieber als an einer M, wenn ich es mal offenblendig verwenden will. Sollte sich an einer Pro2 auch nicht schlecht schlagen, kann ich aber mangels neuerer Fujis nicht prüfen. LG