Wie frei ist man als Fotograf? Oder wann wird aus Freiheit Nachahmung?
Ist Nachahmung künstlerische Freiheit? Ist Imitation fotografische Auseinandersetzung? Was ist das überhaupt? Gehen wir doch mal klassisch ran und fragen eine Suchmaschine: „Imitation: Kopieren (Kunst) – die Übernahme stilistischer oder motivischer Eigenart eines Künstlers oder einer Schule“
Hm… das bringt einen nun auch nicht wirklich weiter… stilistische Eigenart, was ist damit gemeint? Zählt dann Black-and-White möglicherweise auch dazu? Oder das Fotografieren von Neonreklame, die sich in einer Pfütze spiegelt, weil man dies auf Instagram irgendwo gesehen und für klasse befunden hat? Das Hochzeitspaar, wie es stolz wie Bolle die Ringe in die Kamera hält? Wie sieht´s mit der nachträglichen Bildbearbeitung z. B. mit Lightroom aus? Da gibt es ja den von mir sehr geschätzten Peter McKinnon, mit dessen vordefinierten Filtern man so manches Bild „verpetern“ kann… mache ich mich damit schon zu einem Beltracchi?
Kniffliger wird’s bei „motivischer Eigenart“… Heißt es also, dass ich kopiere, wenn ich den Berliner Fernsehturm fotografiere? Oder die Felder der Provence, weil die schon jemand vor mir fotografiert hat und man ja sehen kann, dass ich in derselben Gegend unterwegs war? Ist das jetzt Nachahmung? Die Liste lässt sich beliebig erweitern, Wüste bleibt Wüste und doch ist jedes Bild anders. Gerade heutzutage wird das immer schwerer, kommen wir doch alle über die sozialen Medien tagtäglich mit so unfassbar vielen Bildern und Fotos in Kontakt. Und da wir alle unser Smartphone immer dabei haben, tragen wir selbst dazu bei.
Ich denke, wenn es nicht die Auseinandersetzung mit dem schon da Gewesenen ist, wie sonst soll sich etwas weiterentwickeln? Gäbe es sonst den Impressionismus wenn jemand „Stop! Meine Idee!“ gerufen hätte? Und wenn man mal zwei große Maler, nämlich Renoir und Monet bzw. deren Bilder „Der Dogenpalast“ und „Der Dogenpalast in Venedig“ ansieht… unter dem Gesichtspunkt der „Imitation“ würde da so manch einer durch die Zähne pfeifen. Im Übrigen ist „Der Dogenpalast“ von Monet nach dem Bild von Pierre Renoir entstanden – da hat aber einer gehörig in eine fremde Farbpalette gegriffen 😉 Aber macht es dadurch etwas unspektakulärer?
Was mich zu der Frage bringt: Was macht ein Bild einzigartig? Sicherlich das Motiv. Und dabei gibt es doch so viele Facetten, wie es Kameraeinstellungen gibt. So war ich – wie ihr lesen konntet – letztens wieder in New York und habe 2 Stunden auf dem Rockefeller-Center verbracht. Jedes Bild, welches im Abstand von 30 Minuten geschossen wurde, ist aus meiner Sicht einzigartig, auch wenn dort noch 1000 andere Leute zur selben Zeit oben waren, die alle auch unzählige „gleiche“ Bilder gemacht haben.
Insofern denke ich: In der Fotografie gibt es nichts, von dem man sagen könne, es sei schon durch einen anderen „besetzt“ und deshalb „verbrannte Erde“. Wäre doch auch schade für uns alle. Im Übrigen gilt hier umso mehr der Spruch: „Die Kopie ist die ehrlichste Form des Kompliments“
Das alles sind meine persönlichen Ansichten über dieses Thema. Ich glaube, wenn man 100 verschiedene Fotografen dazu befragen würde, bekäme man 100 unterschiedliche Antworten. Am Ende ist es das Wichtigste, erstens Fotos zu machen, und zweitens sie zu machen wie man es selbst will. Dabei sollten weder die Anzahl an Instagram-Likes, Gestaltungsregeln oder die Meinung Anderer eine Rolle spielen, sondern nur das Gefühl, das man hat, wenn man auf den Auslöser drückt.
Also habt alle Spaß hinter den Suchern da draußen !
PS: Ich denke, zu diesem Thema gibt es viele Gedanken und Meinungen. Daher würde ich mich an dieser Stelle sehr über ein großes und umfangreiches Feedback von Euch freuen. Egal ob zustimmend oder kritisch, einfach Feuer frei !
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Hallo Christian!
Ein sehr gutes Thema. Vielen Dank! In der Tat ist jedes Foto, jede Aufnahme ein Unikat und dies schon allein deshalb, weil es immer durch verschiedene Parameter definiert ist: den augenblicklichen Moment, die genaue Position der Kamera, den Blickwinkel, das Licht usw. Es ist schon rein physikalisch nicht möglich, dass es genau genommen zwei völlig identische Aufnahmen geben kann,
Die Bilder des Dogenpalastes von Renoir und Monet können unterschiedlicher kaum sein, Gleich ist ihnen die Art der Gestaltung. Ergo die impressionistische Malweise, also die Form der Wiedergabe des Motivs. Doch wann wird ein Bild epigonal, eine Kopie oder eine Fälschung? Was unterscheidet die Kopie vom Zitat? Hierzu müsste man m Einzelne viel tiefer eintauchen, was den Rahmen hier sprengen würde. Nur soviel ist wichtig: es ist die Intention mit der ein Bild entsteht! Dies festzustellen ist es notwendig, alle äußeren Umstände mit einzubeziehen, diese faktisch zu analysieren und sich dabei nicht täuschen zu lassen.
Danke Lutz für deinen Kommentar
Mir ist es ziemlich egal, ob ein Bild schon 1000mal vorher aufgenommen wurde. Oft sehe ich ein tolles Bild und versuche tatsächlich etwas ähnliches zu machen. Für mich ist es dann schon ein Erfolg, wenn meine Version nicht all zu deutlich schlechter ist ;-). Manchmal ist es sogar fast unmöglich ein wirklich eigenständiges Bild zu machen. Schau dir mal Bilder vom Peyto Lake in Kanada an. Es gibt da nur einen Aussichtspunkt, von dem fotografiert werden kann, und das machen dann halt alle.
Etwas anderes ist es, wenn eine besondere Technik verwendet wird. Wenn man z.B. Bilder wie Thomas Kellner macht. Der bastelt seine Bilder aus Negativ- oder Diastreifen zusammen. Das ist schon etwas sehr individuelles. Wenn man das auch so macht, ist es schon sehr deutlich eine Kopie. Allerdings wenn man das nur für sich privat macht, geht auch das in Ordnung.
Eine Fälschung wird es für mich erst dann, wenn man behauptet, es sei ein Original.
Danke für deinen Kommentar Ralf. Man kann sogar drüber streiten ob es sich um eine Kopie handelt, wenn man nur die Technik anderer benutzt. Ich denke, selbst das erschafft am Ende etwas Eigenständiges.
Hallo.
Für mich spielt da die Intention eine Rolle. Versuche ich, das Bild eines anderen Fotografen (um mal bei der Fotografie zu bleiben) zu kopieren, tue ich das vielleicht, um zu lernen. Wenn ich das Bild dann als eigene, geniale Idee verbreite, geht das nach meiner Auffassung zu weit.
Ansonsten gibt es den Begriff der „Schöpfungshöhe“, der ganz gut beschreibt, was eine kreative, individuelle Darstellung von einer reinen Ablichtung unterscheidet.
Hi,
Du schreibst: „Was mich zu der Frage bringt: Was macht ein Bild einzigartig? Sicherlich das Motiv.“
Das ist in meinen Augen nicht so. Jeden Tag werden in meiner Stadt Köln Tausende von Fotos vom Dom gemacht. Ja, jedes dieser Fotos hat einen Urheber, und das Foto ist geschützt.
Einzigartig ist es aber damit noch nicht.
Ein Bild wird nicht einzigartig durch das Motiv, sondern durch die Art, wie der Fotograf dieses Motiv empfindet – und dann auch so zu fotografieren versucht, wie er es empfindet.
Dann drückt er eben nicht irgendwie auf den Auslöser und fotografiert sein Motiv – sondern er gestaltet ein Foto, aus dem ersichtlich wird, wie er dieses Motiv / Thema empfindet.
Hier beginnt die Kreativität erst.
Viele Grüße, Christian
Danke Christian für deinen Beitrag zu dem Thema. Mit der Einzigartigkeit in Bezug auf das Motiv meinte ich mehr, dass niemand als der Fotograf selbst dieses Bild in dem Moment, zu der Zeit, bei den Lichtverhältnissen etc. erschaffen kann. Daher wird das Motiv -neben anderen Variablen- in dem Moment einzigartig.