Fünfunddreißig Millimeter Brennweite mag ich. Mein absoluter Favorit unter den Objektiven ist ein 35mm f2 Distagon von Zeiss. Das nutze ich unheimlich gern sowohl an Kleinbildformat als auch auf APSC. Dabei geht es mir allerdings tatsächlich um dies spezielle Objektiv und nicht unbedingt so sehr um den Bildwinkel, den letzterer ist natürlich auf den unterschiedlichen Sensoren auch jeweils anders. Auf APSC mag ich den resultierenden Bildwinkel als Normalbrennweite sehr. Auf meinen Fuji Kameras ergibt sich da etwas um das Äquivalent für 53mm auf Kleinbild. (Immer diese Rechnerei…)
Ja, das Objektiv ist nicht gerade klein und nicht gerade leicht. Alle, die auf spiegellose Systemkameras setzen um Gewicht zu sparen, schmunzeln sich jetzt eins. Ich bin allerdings jemand, dem manch eine Kamera eher zu klein in der Hand ist – an meiner X-Pro1 hatte ich recht schnell einen Zusatzgriff montiert um sie bequem tragen zu können (und wegen der Schnellwechselplatte). Das Distagon stellt für mich (und das ist meine persönliche Wertung) einen Höhepunkt in meinem Objektivfuhrpark dar und war im Grunde der Auslöser für mein Interesse an Zeiss. Na gut. Zum Thema:
Bei 35mm f2 liegt für mich einer der richtig guten Punkte für plastisch wirkende Bilder. Auf Kleinbild muss man für halbwegs bildfüllende Subjekte recht nah heran. Da reicht für mich das „Freistellvermögen“ von f2 bei 35mm völlig aus, ebenso Auf APSC bei gelegentlichen Portraits reicht es ebenso. Es geht mir dabei selten um „Augen scharf und sonst nix“ Portraits. Damit kann ich eher weniger anfangen. Im normalen Leben sehe ich auch stets mehr als nur die Augen scharf. Wichtiger ist mir ein leichter 3d-Pop vor dem Hintergrund und vor allem, dass ein Objektiv auch bei Offenblende schon richtig scharf sein kann (und wenn es nur in der Bildmitte ist, das reicht mir zumeist). Letzteres brauche ich für Anwendungen bei wenig Licht, weniger wegen des Bokehfreistellens. Also lieber ein knackscharfes f2 oder f2.8 als ein weiches f1.4 für mich, bitte. Ok, jetzt aber zum Thema:
Da das Distagon 35mm f2 all diese Eigenschaften erfüllt, sollte es in Richtung Einkauf eigentlich gut sein, oder? Da hatte ich dann ein Lieblingsobjektiv.
„Leider“ brachte Sony vor ein paar Jahren die RX1 raus. Ein 35mm f2 Sonnar mit einer Kamera hinten dran. Genial, dachte ich. Allerdings für mich auch viel zu teuer. Die Idee der Kompaktkamera mit fest verbautem Objektiv war mir nicht neu und reizte mich immer wieder. (Geworden ist es dann eine Fuji X100s.)
Das 35mm f2 Sonnar ließ mich aber nicht los. Irgendwann ging dann also mal eine Anfrage an Sony raus mit der Bitte um eine RX1R Mark II, die ich an anderer Stelle getestet hatte. Die Kamera interessierte mich schon sehr, auch wenn sie für meine Zwecke viel zu viele Pixel mitbringt. Ich konnte sie einen Monat lang testen und war äußerst gespannt auf das Objektiv. Und Maaaaaaann, ist das gut! Leider ist die Kamera hinten am Objektiv nicht so der Knüller. Zu langsam, zu viele Pixel, zu blöde Menüs. Ich hatte keine Lust, mich daran zu gewöhnen. Und dadurch auch wenig Lust, mir so eine Kamera zu erarbeiten. Aber das Objektiv… Hmm. Was tun? Moment, war da nicht was??!! Uff, jetzt aber endlich zum Thema:
Genau. Das 35mm f2.8 Sonnar für Sony E-Mount kam mir in den Sinn. Aber dazu bräuchte man aber eine Sony Kamera, mindestens eine A7. Irgendwann im letzten Jahr kaufte ich mir eine A7 um meine manuellen Objektive (Contax Zeiss und sowas) auf einem Kleinbildsensor nutzen zu können. Und dann irgendwann erinnerte ich mich an das 35mm f2.8 Sonnar. Und dann, das werden einige von euch kennen, fing ich an, im Internet zu recherchieren, was dieses Objektiv so kann und was nicht. Irgendwann war ich völlig verwirrt und beschloss, einfach ein günstiges Angebot abzuwarten und dann zu kaufen…
Da war es endlich. Karton auf. Und hihi. Ist das klein! Ist das leicht! Ist das Plastik! Das hatte ich nicht erwartet, obgleich ich das hier und da so gelesen hatte und hätte wissen müssen. Ich setzte es an die A7 und konnte nun endlich mal den Autofokus ausprobieren… Ok. Ich hörte nichts. Aber das Bild war scharf. Erneut probiert mit anderem Abstand, wieder scharf, wieder quasi tonlos. Fand ich cool! (Denn die Erinnerung an das heftige Rattern und Pumpen des 35mm f1.4 Fujinons war frisch.)
Da ich das Objektiv nicht gekauft hatte um darüber einen Test zu schreiben, sondern einfach um es zu benutzen, blieb es einfach auf der Sony und musste arbeiten. Ich habe quasi alles mögliche damit fotografiert und kann nun was dazu sagen.
Es ist ein kleiner Schatz.
Schnell, scharf, leise. Bei Offenblende gibt es eine leichte Vignettierung und zugleich ordentlich Mikrokontrast. Einen recht schnellen Abfall in die Unschärfe gibt es auch und das bringt gute Punkte bei mir: Plastizität ahoi! „Trotz“ einer Anfangsblende von f2.8 kann man damit guten 3D-Pop erzeugen. Es zeichnet auch sehr sehr ähnlich zum Objektiv der RX1 (wobei das theoretisch die Nase vorn hat, wäre da nicht dieser Steroidsensor hinten dran, sondern ein gesunder 16Mp.). Es ist so leicht, dass man immer ein 35mm dabei haben kann, oder man lässt es einfach drauf. Bei f2.8 und heutigen elektronischen Verschlüssen kann man (wenn es nicht auf große Schärfentiefe ankommt) auch den ganzen Tag rumlaufen ohne abzublenden. Das kleine Objektiv ist ein Arbeitstier. Wer eine Sony A7(x f s II, Mark XIV) hat, sollte eins haben. Das Bokeh ist prima, das Gegenlichtverhalten in Ordnung. Wenig Flares, aber nicht ganz ohne – es bleibt interessant.
Wenn ich über den letzten Absatz gehe, liest sich das wie ein absoluter Lobgesang. Nun ja. Das, was es macht, macht es einfach richtig gut. Allerdings ist es kein Objektiv für die Nahdistanz. Irgendwie scheint sich der Mindestabstand zum Subjekt bei rund 60cm einzupegeln. Das erinnert an Messsucherobjektive, die aufgrund der Einschränkungen des Messsuchers und der Parallaxen zumeist bei 70-90cm Mindestabstand liegen. Mich nervt das. Wir haben hier elektronische Sucher und LiveView auf dem Display. Auch bei modernen Messsuchern gibt es zumeist LiveView. Warum dann diese Beschränkungen?! 40cm wären doch chic! (Alles andere führt sicher zu größeren Objektiven, und das scheint ja niemand zu wollen? 😉 ) An dieser Stelle verliert das 35mm f2.8 Sonnar leider. Gern platziere ich mal etwas im Vordergrund und will es dann etwas dramatisieren durch geringen Abstand. Mit dem Sonnar mache ich das nicht so häufig. Für alle, die gern die Offenblende einsetzen um durch wenig Schärfentiefe freizustellen, ist das Objektiv auch keine alleinige Lösung. Und wer es für Low Light einsetzen möchte… Es gibt auch ein f1.4 Distagon, das allerdings rund dreimal so teuer ist.
Insgesamt bin ich jedenfalls froh, mir dies kleine Schätzchen geleistet zu haben. Dadurch konnte ich auch die Sony A7 nochmal etwas mehr schätzen lernen. Die Qualität stimmt einfach. Zudem ist es manchmal (und das gebe ich gern zu) auch mal nett, Autofokus zu haben. Der Gedanke an eine RX1 lässt mich leider dennoch nicht los. Für eine RX1s mit 12 oder 16Mp würde ich wohl einiges verkaufen. 😉
Leave a reply