Das 7Artisans 35mm f1.4 ist für einige (viele?) Leica M Nutzer auf dem Papier ein Kandidat für eine echte Alternative zu den anderen M-Glas Optionen. Hier meine ich nicht nur Leica selber, auch ZEISS mit seinem Distagon 35mm ZM und die Voigtländer 35mm Noktons dieser Welt. Aber Papier ist ja geduldig, sagt man. Wie es in der Praxis aussieht, ist für uns hier auf Qimago viel entscheidender. Ist das 7Artisans also wirklich eine gute Alternative zu den anderen bekannten 35mm f1.4 Objektiven für das Leica M Mount?
Bevor ich aber einsteige, will ich gerne noch die Dinge ins richtige Licht rücken:
Ich habe dieses Objektiv von der Firma 7Artisans zur Verfügung gestellt bekommen. Ich habe für das Objektiv nichts bezahlen müssen und bekomme für den Beitrag hier oder das YouTube Video kein Geld bezahlt. Ich darf sagen und schreiben, was ich will, und ich habe ihnen nichts vorab zur Abnahme geschickt.
Erster Eindruck zum 7Artisans 35mm f1.4
Der erste Eindruck beim Betrachten der Umverpackung und beim Auspacken ist tatsächlich sehr schön. Fast ein bissl wie bei Leica, wenn auch nicht so konsequent hochwertig. Es sind bei Leica die Kleinigkeiten im Detail, die da schon deutlich anders sind. Aber nun gut, die Verpackung interessiert mich genau 10 Sekunden und dann erst wieder, wenn ich das Produkt vielleicht verkaufe und alles zusammensuche. 😉
Der Lieferumfang beinhaltet neben dem Objektiv einen Metalfront- und einen Rückdeckel für das Objektiv. Ein Lederköcher in schönem Braun, ein paar Papiere, ein optional selber anzubringenden Fokusstab und einen kleinen Schraubenzieher. Äh, was? Ja, richtig gelesen. Ein Schraubenzieher. Bevor ich dazu komme, noch ein paar Fakten zu dem Objektiv selber:
- 10 Elemente in 9 Gruppen
- von f1.4 – f22 in vollen EV Schritten (dazwischen tatsächlich frei wählbar… etwas ungewöhnlich)
- Innenfokussierung (kenne ich so nur vom ZEISS Distagon ZM 35mm f1.4… da enden dann aber auch weitestgehend die Ähnlichkeiten)
- 10 Blendenlamellen
- integrierte Sonnenblende
- 0,7m- ∞ in ¼ Drehung am Fokusring
- 49mm Filterdurchmesser
- 74mm lang
- komplett aus Metall
- Preis ca. 450 Euro
Bei dem Preis hätte ich eine deutlich einfachere Verarbeitung erwartet. Es fühlt sich wirklich sehr hochwertig verarbeitet an. Ob es das letztlich auch ist bzw. wie es nach ein paar Monaten oder Jahren intensiver Nutzung aussieht, wird sich zeigen müssen. So macht es einen wirklich sehr guten und hochwertigen Eindruck.
Der Blendenring allerdings gehört für mich zu einem der merkwürdigsten, die ich bisher kennenlernen durfte. Zunächst einmal ist er nicht sehr gut definiert. Sprich, bis Blende 8 rastet dieser nur sehr sanft ein. Im Fotoalltag, wenn es mal schnell gehen muss, fühlt sich das bis f8.0 eher wie ohne Klicks an. Ich weiß nicht, ob das ein Feature sein soll, oder ob ich mit meinem Exemplar etwas Pech hatte.
Wie bei älteren Objektiven sind die Abstände zwischen den vollen EV Werten auch unterschiedlich groß. War ich noch nie ein Freund von. Zwischen zwei Blendenwerten gibt es keine Einrastungen, sprich, die Zwischenwerte sind frei wählbar. Bis f4.0 ist das noch einigermaßen steuerbar, da mehr Platz, ab f4.0 aber sind die Abstände zwischen den vollen Blendenwerten so gering, dass es im Grunde nicht steuerbar ist. Kann man so machen, muss man aber nicht. 😉
Die integrierte Sonnenblende gefällt mir im Grunde ganz gut. Schade ist nur, dass 7Artisans hier leider nicht daran gedacht hat, dass so eine Sonnenblende auch gut als Schutz der Frontlinse genutzt werden kann. Dies würde aber bedeuten, dass diese auch nicht allzu leicht wieder zurück“fährt“. Es ist ein ganz einfacher Schiebemechanismus, ohne eine Verriegelung in der Endstellung zu haben. Schade, denn eigentlich mag ich integrierte Sonnenblenden sehr.
Der Monk in mir war auch immer am Fummeln, das chinesische Symbol (WEN), was wohl soviel wie Dokumentation oder Streetfotografie bedeutet, in Linie zu drehen, dass es wieder in der Flucht mit dem roten Punkt der eingestellten Blende steht. Ich habe nie behauptet, dass ich nicht auch den ein oder anderen „Hau weg habe“.
Der Fokusring ist ein klitzekleinwenig zu fest. Es ist jetzt nicht so schlimm, dass es einem den Spass verderben würde, aber es fällt dennoch auf. Der etwas zu stramme Fokusring verhindert aber auch versehentliches Verstellen. Also Licht und „Schatten“ hier.
Wie auch das ZEISS Distagon 35mm ZM ist das 7Artisans 35mm innen fokussiert. Das ZEISS Distagon ZM 35mm ist ein absolut tolles Glas. Ich hatte das auch schon mal hier besprochen. Ein absolut herausragendes lichtstarkes 35mm Glas. Diese Innenfokussierung bringt aber nicht nur Vorteile. Wie auch das Distagon ist das 7Artisans sehr lang und hat somit eine recht ausgeprägte Sucherblockade. Das störte mich damals schon bei dem ZEISS Distagon, so auch hier bei dem 7Artisans.
Das Finish passt ganz gut zu meiner M10-P. Es erinnert mich auch hier ein wenig an die schwarzen ZM’s aus dem Hause ZEISS.
Ganz kurz zu dem Schraubenzieher, der mitgeliefert wird. Dieser ist dafür da, um das Objektiv gegebenenfalls gegen Front- oder Backfokus zu korrigieren. Klingt erst mal merkwürdig, ist aber tatsächlich ganz hilfreich, wenn es eben mal nicht so richtig passt. Ich musste tatsächlich den Nahbereich etwas justieren. Leider habe ich es dennoch nicht hinbekommen, bei unendlich den Messsucher auch zu justieren. Ich weiß, dass es bei unendlich auch scharf ist, schaue ich aber durch den Sucher, irritiert es dennoch, dass das Patch nicht in Deckung ist.
Die Bildqualität des 7Artisans 35mm f1.4
Kommen wir zu den inneren Werten oder vielmehr dazu, welche Ergebnisse man mit diesem Objektiv erhält. Kein unwichtiger Punkt bei einem Objektiv, würde ich meinen.
Ich gebe zu, dass mich dieses Objektiv positiv überrascht hat. Nicht in allen Punkten, aber doch in einigen.
Zunächst erwarte ich von einem modernen (aktuell gefertigtem) lichtstarken Objektiv, dass es bei Offenblende gute bis sehr gute Ergebnisse liefert. In der Bildmitte ist die Schärfe bei dem 7Artsians 35mm f1.4 sehr gut. Zu den Rändern nimmt das ein wenig ab, ist aber noch im Rahmen. Ich finde, hier ist das 7Artisans wirklich konkurrenzfähig, und es hat mich in diesem Punkt definitiv überzeugt. Die Bildecken allerdings werden frühstens ab f8.0 besser, aber so richtig überzeugen tut es den Pixelpeeper in mir da auch bei f11 nicht. Das kenne ich von anderen 35mm für das M Mount deutlich anders – auch bei den lichtstarken f1.4 Alternativen. Dies macht es für mich etwas uninteressanter bei Architektur- und/oder Landschaftsaufnahmen. Das ist tatsächlich etwas schade, da es für mein Empfinden relativ verzeichnungsfrei ist, also eigentlich sehr gut geeignet für Architektur.
Was mir tatsächlich sehr gut gefällt, sind die Farben, welche es im Zusammenspiel mit der M10-P auf den Sensor bannt. Auch wenn ich nie „out of the cam“ Fotos nutze/veröffentliche und alle meine Bilder von mir auch in den Farben bearbeitet werden, so ist das verwendete Glas schon auch sehr wichtig und hat Einfluss auf die Endergebnisse.
Die Schärfe bei einem Objektiv ist das eine, worauf man verstärkt achtet. Bei einem hochlichtstarken Objektiv wie dem 7Artsians 35mm f1.4 ist natürlich das Bokeh auch ein wichtiger Punkt, um für sich zu beurteilen, ob es den eigenen Ansprüchen genügt.
Wie nicht anders zu erwarten, kann man bei 35mm und f1.4 auch bei einer maximalen Naheinstellgrenze von 0,7m das Hauptmotiv gut vom Hintergrund separieren. Ob einem dabei die Zeichnung des Hintergrunds gefällt oder nicht, ist letztlich eine persönliche Frage. Der eine steht auf butterweich, dem anderen kann es nicht swirley genug sein. Ich persönlich würde es als unruhig beschreiben. Nicht wirklich swirley, das kann ja ein gutes Stilmittel sein, aber es ist auch nicht weich. Tatsächlich hat es aber hier und da ein paar Eigenarten, die es in meinen Augen unruhig wirken lassen und somit auch ablenkend vom Hauptmotiv/Schärfepunkt sein können. Es scheint zum Beispiel, als würden sich die zum Teil wirklich starken chromatischen Aberrationen, die dieses Glas liefert, auch in der Unschärfe wiederfinden.
Ich habe es oben schon angedeutet, das Glas liefert ordentlich chromatische Aberrationen. Nichts, was man in einem passenden RAW Konverter nicht korrigieren kann, aber es ist auffallend.
Mein Fazit zu dem 7Artsians 35mm f1.4 – Für wen ist es geeignet?
Ich glaube, dass 7Artisans hat bei dem 35mm f1.4 hier den Namen Zusatznamen „WEN“ (Streetfotografie/Dokumentarfotografie) ganz gut gewählt hat. Die Lichtstärke ist hier bei Streetfotografen, die oft und gerne bei schlechten Lichtverhältnissen fotografieren, interessant. Als Portrait-/Peoplefotografie Glas finde ich das Bokeh nicht gut geeignet. Für Architektur und Landschaft sind die Ecken nicht gut genug kontrolliert. Wohlgemerkt ist die weitestgehende Verzeichnungsfreiheit eigentlich gerade für die Architekturfotografie sehr gut geeignet. Es ist also nicht grundsätzlich ungeeignet, aber wer von Ecke zu Ecke scharfe Ergebnisse will/benötigt, der wird mit dem 7Artisans wohl nicht wirklich glücklich.
Ich finde das 7Artsians 35mm f1.4 für den Leica M Mount dennoch ein gutes Glas. Ich habe natürlich bei einem so neu auf dem Markt befindlichen Objektiv keine Langzeiterfahrungen sammeln können bezüglich der Fertigungsqualität, aber es macht einen sehr guten Eindruck. In den Details gibt es noch ein bisschen Verbesserungsbedarf, aber für diesen Preis – 450 Euro sind immer noch kein Geschenk – und im Vergleich zu den Alternativen aus den anderen Häusern, eben schon sehr günstig.
Für ein „sehr gut“ und/oder einer uneingeschränkten Kaufempfehlung durch mich fehlt dem Glas in meinen Augen ein kleines Quentchen „Besonderes“. Gerade Leica M Nutzer sind in Sachen Bildqualität ja durchaus hohe Bildleistung gewöhnt, und nur an dieser Konkurrenz kann es sich messen lassen. Der Preis ist wirklich fair und für Leica M Nutzer erfrischend günstig, da es den Geldbeutel kaum belastet. Für 450 Euro bekommt man ein gutes haptisches und auch optisch (innere und äußere Werte) gutes Objektiv geboten.
Wer erwartet, dass einem das 7Artisans die gleiche optische Leistung eines ZEISS Distagon 35mm f1.4, Leica Summilux 35mm f1.4 oder eines Voigtländer Nokton 35mm f1.2 bietet, dem würde ich von dem Kauf abraten.
Wer aber ein scharfes, lichtstarkes, haptisch und optisch gut korrigiertes (Verzeichnungen) 35mm für den Alltag/Street/Dokumentation sucht, welches nicht gleich ein 4-stelliges Loch in die Haushaltskasse reißt, der könnte mit dem 7Artisans glücklich werden.
Wir haben auch ein Video zu dem Objektiv auf YouTube:
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Hallo. Sehr toller Look mit dem Objektiv.
Ich habe erst letzte Woche mir das Sigma 35 2.0 für L-mount zur meiner Lumix S1 gekauft.
Nachdem ich jetzt diese Bilder gesehen habe, komme ich direkt ins Zweifeln ob nicht der Look hier beeser ist…zumal auch günstiger.
Beste Grüße H. Claß
Die Blenden sind generell nicht einrastbar sondern gleitend. Ob das so gewollt ist weiß auch ich nicht, aber wenn man schon so einiges geknipst hat ist man daran gewöhnt und möchte es eigentlich nicht mehr missen. Weil eigentlich der Fotograf entweder bei offener, geschlossener oder mittlerer Blende knippst und im Sucher eher die Feinjustierung macht. Also so ist es zumindest bei mir, ich stelle mich jetzt nicht hin und sage jetzt fotografiere ich ausschließlich mit Blende 8.0
Ich habe gleiches Glas allerdings auf E-Mount, und kann Deinem Artikel nur bestätigen. Tolle Farbgebung, schönes Boquet, wenig chromatische Aberrationen….tolles Glas für Streetartphishing (meine Meinung). Ich habe meines neu für 80€ gekauft. Preis/Leistung passt.