Ich bin jemand, der sehr gern Normalobjektive einsetzt. Damit entstehen Bilder, die weder „reißerisch weitwinklig“ oder krass verdichtet in Teleoptik sind. Man kann sich quasi nicht hinter Brennweiteneffekten verstecken. Gleichzeitig entsteht auch ein Ausschnitt aus der sichtbaren Welt, der den Betrachtern nicht fremd erscheint. Im Laufe der Zeit kamen mir durch meine Vorliebe für diese Erzählweise etliche Variationen der Normalbrennweite unter. Ein paar dieser Objektive bleiben in positiver Erinnerung. Eines mit sehr positiven Hinterlassenschaften reiht sich da jetzt ein: Das hier besprochene 50L von Canon. Alexander Görlitz von FOTO-GÖRLITZ hatte mir das mal ausgeliehen und so habe ich auch dort schon etwas darüber geschrieben.
Beim ersten Auspacken war ich etwas überrascht worden. Das 50L ist größer als ich erwartet hatte zugleich aber auch weniger schwer als gedacht. Es balanciert gerade noch gut am EOS R Body, der ohnehin kleiner nicht sein dürfte. Ja, ich gebe es zu: Der Mirrorlessgedanke, kleiner und leichter zu bauen, kommt an seine Grenzen, wenn Bodies immer kleiner werden, Objektive aufgrund mancher optophysikalischer Gegebenheiten dann eben groß bleiben. Komm mir jetzt keiner mit den Leica-Objektiven! Die sind klein und „leicht“ – zumindest im Verhältnis. Ja, das stimmt. Allerdings sind sie auch nicht „perfekt auskorrigiert“ bspw. Für echte bauliche Korrekturen braucht man bei hoher Lichtstärke einfach mehr Platz. Ein Blick zur Leica SL und ihren Objektiven ernüchtert die „Leica kann auch klein alles suuuuper bauen“-Fraktion schnell. ? Ich persönlich mag die kleinen M-Mount Geräte ja auch – weiß aber auch, dass da eben nicht alles geht. Da freu ich mich halt eher über den Charakter eines Objektivs.
Das Material fühlt sich hochwertig und leicht „warm“ an. Verbundstoffe kommen da zum Einsatz und die Bedienringe haben eine leichte Riffelung damit man sie blind finden kann. Am 50L finden sich zwei Ringe. Einer ist zum Fokussieren da, der andere ist eine Art Funktionsring. Soll heißen, man kann darüber verschiedene Dinge steuern. Bei mir lag da nicht die Blende sondern die Belichtungskorrektur drauf. Dazu kommt ein Schalter für den Fokussierbereich. Man kann damit den absoluten Nahbereich ausklammern, was das Objektiv beim Fokussieren nochmal deutlich beschleunigt. Zum Wechsel ins manuelle Fokussieren hält man den Auslöser halb gedrückt und dreht am Ring. Dann erst kommt das Peaking zum Vorschein. Gut gelöst, wie ich finde, denn versehentlich verstellt sich da nichts.
Im Umgang mit dem 50L ist die schiere Größe zunächst gewöhnungsbedürftig. Man muss wirklich beide Hände zu benutzen. Die Linke stützt dabei das Objektiv, das sonst viel zu kopflastig wäre. Bei der Betrachtung der EOS R hatte ich es schon einmal erwähnt – hätte der Body etwas mehr „Fleisch“, wäre das was ganz anderes. Es würde sich eine bessere Balance einstellen. Bei der EOS R würde ich da mit einem Batteriegriff gegensteuern.
Im fotografischen Alltag funktioniert das 50L tadellos. Fokus ist ausreichend schnell und präzise. Muss er auch sein, denn bei f1.2 hat man im Bereich unter 3m Abstand schon sehr geringe Schärfentiefe. Da hilft der recht hohe Mikrokontrast des Objektivs dem Fokus natürlich sehr. Die Sensorik der EOS R funktioniert dadurch zuverlässig.
Das Canon 50mm f1.2 L ist eine echte Perle. Scharf bis in die Ecken. Stellt schön und sauber frei. Das Bokeh ist sauber und nicht unruhig. Chromatische Aberrationen waren nicht zu provozieren und Flares kennt es nicht wirklich. Den Mikrokontrast finde ich auch sehr angenehm. Bei Offenblende gibt es etwas Vignettierung. Das sollte man wissen – gleichzeitig sollte man auch nichts anderes erwarten. Bei f2 oder dann f2.4 ist die Vignettierung schon passé. Das führt ja insgesamt auch zu einem schönen 3D-Pop, den man mit dem 50L von Canon gut erreichen kann. Diese leichte Plastizität in der Abbildung macht schon Spaß.
Für mich ist das 50L ein echter Lichtfänger. Kleinste subtile Änderungen im umgebenden Licht kann man damit einfangen. Ein bisschen Charakter liefert es auch. Wiederum ist alles schon bei Offenblende brutal scharf (zumindest, was in der Fokuseben liegt!). Ich muss immer über Tester schmunzeln, die bei Offenblende in der Bildmitte irgendwo drauf halten und sich dann beschweren, dass an den Rändern keine Schärfe ist, wenn das dortige Objekt gar nicht in der gleichen Ebene liegt. Ok… Kann man so machen.
Fazit
Wer mit dem EOS R System liebäugelt, kommt meines Erachtens nach nur schwer um dieses Objektiv herum. Low light, Portrait, Reportage, Nahbereich, Lichtspiel, Kontrastreiches… Alles kein Problem. Man muss sich nur gewahr sein, dass „klein, leicht, unauffällig“ damit nicht möglich ist. Würde ich jetzt ein Canon System aufbauen wollen… Tja. Ne EOS R mit dem hier besprochenen 50er und dazu einen Adapter mit dem 24mm f1.4 L dazu. Fertig. ?
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