Gleich zu Anfang: Achtung! Dies wird ein sehr persönlicher Post. Ja, es gibt auch Fotos. Einfach runterscrollen, wenn Ihr an dem Rest kein Interesse habt. 😉
Ich bin Perser! Nee, warte mal, korrekt heißt es eben Iraner. Aber Perser hört sich schon besser an, oder? Bei Perser denkt man an Perserteppich, Perserkatze, Pistazien, Safran und gutes Essen. Bei Iraner hingegen… naja, lassen wir das! Ich versuche hier wirklich so unpolitisch, wie es nur geht, zu bleiben. Nämlich aus dem ganz einfachen Grund, weil der Iran leider damals zu Shah-Zeiten wie auch heute von einem Regime regiert wird, welches nicht allzu viel Wert auf die freie Meinungsäußerung legt. Außerdem habe ich vor, noch oft das Land meiner Eltern und Großeltern zu besuchen. Für einen Deutschen kein Problem, aber, wie gesagt, ich bin Iraner! Nicht nur, aber eben auch Passinhaber eines iranischen Passes.
Auf der anderen Seite ist diese Behauptung keine, die ich mal ebenso und ganz natürlich ohne Hinterfragen für mich beantwortet habe, denn ich bin auch Deutscher! Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Ich träume und denke deutsch – wobei ich mich gerade frage, ob man in einer bestimmten Sprache eigentlich denkt – und ich erziehe meine Kinder deutsch. Meine Eltern sind beide Perser. Ja, ich mag die Bezeichnung Perser lieber. Sie sind weder vor dem Khomeini Regime noch vor dem Shah Regime geflüchtet, wobei meiner Meinung nach beide System ihre starken Defizite haben und es Grund genug gibt und gab, dies in Erwägung zu ziehen. Ruuuuhig Mehrdad! Keine Politik! Du hast es Dir selbst versprochen.
Jedenfalls muss ich meinen Hut vor meinen Eltern ziehen! In den späten 60ern in Berlin bzw. Deutschland war das alles doch etwas anders. Ein fremdes Land, die Sprache und vor allem die Kultur vollkommen fremd, haben sie zwei Kinder großgezogen. Keine Mutter und/oder Vater, Schwestern oder Brüder vor Ort, die einem helfen, wenn man Hilfe benötigt. Kein whatsapp, FaceTime, Email oder Facebook, um Kontakt nach Hause zu halten. Anfangs musste man Stunden bzw. Tage vorher Ferngespräche auf dem Postamt anmelden. Ein Vermögen ist man dabei auch losgeworden. Geld, welches man im Grunde selbst kaum hatte, nur um zu hören, wie es Mama und Papa geht. Dass man sich mehr anschrie, als ruhig zu sprechen, um sich dank der besch…. Leitung zu verstehen, machte die Sache nicht besser.
Es ist der Wert „Familie“, dafür bin ich meinen Eltern wirklich extrem dankbar. Dass sich diese Werte im Iran heutzutage mehr und mehr auflösen, ist dabei das, was mich am traurigsten macht. Aber ich kann es der Gesellschaft nicht verdenken. Wenn ein Land mehr als 30 Jahre durch Krieg und Sanktionen malträtiert wird, dann ändert sich zwangsläufig die Gesellschaft. Am Ende ist der Mensch eben doch ein Egoist.
Meine Eltern haben uns glücklicherweise sowohl die Werte der persischen Kultur versucht nahe zu bringen, als uns auch darin unterstützt und bestärkt, die Werte der deutschen und christlichen Kultur kennenzulernen, um für uns alleine dabei zu filtern, was wir gut finden an der einen und nicht so gut an der anderen. Ich liebe nicht zuletzt dafür meine Eltern sehr und bin extrem stolz auf sie beide!
Wie vorhin gesagt, ich bin Perser und ich bin Deutscher. Ich habe beide Pässe und kenne beide Kulturen, die eine mehr, die andere etwas weniger. Die Frage aber, was ich bin, also die Antwort, die ich mir selbst darauf gebe, ist für mich längst nicht so einfach zu beantworten. Auch heute nicht. Nicht falsch verstehen, ich will hier nicht dramatisieren, aber als ich Jugendlicher war, war das eine echt ätzend quälende Frage. Heute weiß ich damit deutlich besser umzugehen bzw. es für mich zu beantworten, aber gerade vor meiner Abfahrt kam wieder die alte Frage: ‚Was bist Du, Mehrdad?‘ Deutsch oder persisch? Das quälende dabei ist nicht die Frage an sich, sondern das Bewusstsein, welches einem früh bewusst wurde, dass man eben nicht 100% das ein, noch das andere ist. Ich will hier nicht sagen, das ich ein Außenseiter war, das war ich definitiv nicht und es wäre auch nicht fair gegenüber meinen vielen guten deutschen Freunden, ich war und bin total integriert, das stelle ich nicht in Frage, aber es ist die innere Stimme, die einem sagt: ‚Naja, aber Du bist eben auch kein Deutscher!‘ Und hier meine ich nicht mein schwarzes Haar. Das ist gar nicht wertend gemeint, es ist ein Fakt.
Mit Ausbruch des Krieges im Iran war es für junge iranische Männer nicht besonders ratsam, den Iran zu besuchen. Das Militär brauchte Personal und der Krieg war hungrig. Die Altersgrenze in diesem Krieg war irgendwann nicht mehr existent. Sofern man laufen, sprechen und verstehen konnte, war man tauglich. So kam es, dass ich bis vor kurzem nicht mehr in den Iran reiste. Ich war das letzte Mal tatsächlich vor 37 Jahren im Iran!
Bis letzte Woche!
Ich gebe zu, ich war extrem aufgeregt. Einerseits wusste ich nicht, wie ich direkt bei der Einreise empfangen werde. Andererseits hatte ich irgendwie die Befürchtung, bitter enttäuscht zu werden von dem Land, von dem ich eigentlich nur aus der Presse und von meinen Eltern und Freunden gehört habe. Ich hatte dabei gar keine großen Erwartungen, aber dennoch nach 37 Jahren kam ich in ein Land, welches ich im Grunde gar nicht kannte, und doch damit aufgewachsen bin. Klingt seltsam, ist aber so.
Ich bin ja nun viel in der Welt unterwegs und habe schon so einige verschiedene Länder und Ort sehen dürfen.
Was mir dabei immer als erstes auffällt, wenn ich irgendwo das erste Mal hinkomme, ist der Geruch. Jede Stadt riecht irgendwie anders. Nein, ich bin kein Geruchsfetischist, ich glaube sogar, dass meine Geruchsnerven eher sehr schwach ausgeprägt sind, aber das ist etwas, was mir immer als erstes auffällt.
Was mich erstaunte: Es roch vertraut. Also nicht wirklich anders, zumindest nicht so besonders im Sinne von fremd. Hongkong, Delhi, New York, Tokyo (noch am wenigsten) sind zum Beispiel so Städte, wo es irgendwie anders riecht. Nicht unangenehm, aber eben anders als ich es gewohnt bin, auffällig. Vielleicht ist es wirklich so, dass man seinesgleichen anders riecht? Hört sich jetzt etwas esoterisch an, aber ich denke, es steckt viel Wahres in der Floskel, man könne jemanden nicht riechen.
Was mir allerdings nach nur kurzer Zeit auf dem Weg zum Hotel auffiel, war der Verkehr. Wahnsinn! Es war früh am morgen um 5 Uhr, und der Verkehr war schon dicht. Ich dachte, es geht nicht mehr schlimmer, aber ich wurde am Nachmittag schnell eines besseren belehrt. So etwas habe ich echt noch nicht erlebt. Selbst in Delhi nicht, und da ist schon viel Verkehr. Die Straßenbahnmarkierungen scheinen nur dekorative Zwecke zu haben. In einer 3-spurigen Autobahn fahren mindestens 5, oft auch 6 Autos nebeneinander. Es sind auch Straßenverkäufer auf der Autobahn, die den fast immer währenden Stau nutzen, ihre nutzlosen Waren anzubieten. Meine persischen Freunde haben mir eingebläut, die Straße niemals vor oder hinter einem Lokalen zu überqueren. Am besten sollte ich immer neben diesem laufen. Ich dachte am Anfang, sie wollen mich auf dem Arm nehmen, und ich bin durchaus jemand ,der keine Angst bei vollem Verkehr hat, aber das in Tehran ist schon ne ganz andere Hausnummer.
Ich gebe zu, ich war sehr darauf bedacht, alles wie ein Schwamm in mich aufzusaugen. Ich hatte mir zwar vorgenommen zu fotografieren als gäbe es keinen Morgen, aber am Ende war ich zu oft abgelenkt und wollte einfach nur für mich genießen. Ich war mir nicht so sicher, wie frei ich fotografieren durfte, aber es schien, als interessiere es im Prinzip niemanden.
Im Gegenteil, die meisten freuten sich sogar und ließen mich gewähren. Sie gaben mir die Zeit. Ich war insgesamt drei Tage vor Ort, und es war so ungewohnt und toll zugleich, so viele Perser auf einem Haufen zu erleben. Das Essen war grandios, die Menschen super freundlich.
Mein persisch scheint besser zu sein als ich es selber denke, oder mir meine Jungs zu Hause zugestehen. 😉 Touristen mögen sie sehr. Sie freuen sich, wenn jemand ihr Land bereist. Ein tolles Land im übrigen und nur durch die politischen Diskrepanzen in den letzten Jahren wurden sie mehr und mehr isoliert, weshalb sie jetzt umso froher sind, dass man sich für ihr Land und ihre Kultur interessiert. Das Kopftuch ist eher ein Modeaccessoire, und bei vielen Frauen habe ich erlebt, dass sie auf meine Kolleginnen zugingen und ihnen Komplimente machten, wie schön sie aussehen. Bestimmte Floskeln, die nur ein Iraner kennt/versteht, und ich nur von meinen Freunden und Bekannten, dann dort von wildfremden Menschen mir gegenüber zu erleben, war schon lustig. Ja, ich spürte ein neues, nicht gekanntes Gefühl der Zugehörigkeit zu meinen persischen Wurzeln. Die Gastfreundschaft, das ist einer der anderen Werte, für die ich meinen Eltern dankbar bin. Dass sie mir dies mit auf meinen Weg gegeben haben, ist einfach nur schön!
Am Ende bleibt ein durch und durch positiver Eindruck von den Menschen. Der Verkehr ist zwar schrecklich, aber die gelassene Art der Menschen vor Ort macht das ganze nicht noch zusätzlich aggressiv. Der Mensch gewöhnt sich wohl scheinbar an vieles.
Eines meiner Highlights war am letzten Tag unsere Suche nach einer Eisdiele. Es gibt ein besonderes Eis im Iran, Bastani Akbar Mashdi. Die Basis ist Vanilleeis gemischt mit Rosenwasser, Safran und gefrorenen Sahnestückchen. Eigentlich ein typisch persisches Eis, dennoch schwer zu finden, warum auch immer. :/ . Ich habe meinen Kollegen von diesem Eis erzählt und sie waren bereit die Strapazen des Verkehrs auf sich zu nehmen, um den Eisladen zu finden, denn selbst ein 10 Minuten langer Autoweg wird sehr schnell zu einer einstündigen Autofahrt – one way! Wir hatten schon aufgegeben, da die Geduld immer weniger vorhanden war, als wir ihn dann doch endlich fanden. Ich habe in so kurzer Zeit noch nie so viel Eis gegessen. 😉
Nach 37 Jahren das erste Mal wieder in der Heimat meiner Eltern, habe ich mir das Recht rausgenommen, entspannter mit dem Fotoapparat unterwegs zu sein, aber dafür habe ich mir für die Zukunft vorgenommen, deutlich öfter wieder hinzureisen, und ein kleines fotografisches Projekt habe ich da auch schon im Sinn. Hier also für Euch noch ein paar wenige Eindrücke aus Tehran.
Für die Technik Nerds unter Euch: Alle Bilder wurden entweder mit der Fujifilm x-pro2 und dem xf35mm f1.4 oder der Leica M9 (verleica) und dem 21mm Summarit aufgenommen.
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Klasse Bericht, super Bilder, gefällt mir sehr
Danke Ronald! Das freut mich ?
Einfach toll! Sehr schöner Bericht mit erstklassigen Fotos. Man kann richtig mitfiebern, wie du deine Wurzeln entdeckst.
Peter (alias MightyBo)
Danke Peter! Freut mich das es gefällt.
Klasse Mehrdad, ich freue mich für dich und ich beneide dich um dieses tolle Land und seine Menschen!
Martin
Danke Dir Martin 🙂
Gefällt mir sehr gut, Bericht und Bilder!
Eigentlich steht der Iran auch auf meiner Reiseliste, aber ich fürchte mich vor dem Stempel im Pass…
Ja, das ist mittlerweile ein Problem….leider. Vielleicht wird das irgendwann mal alles anders, besser?
Die Hoffnung stirbt zu letzt 😉
Ich kann Die Heimat durch diese Bilder riechen. Danke Dir Mehrdad für den schönen Bericht und tolle Bilder :-).
Merci Pejman jaan!
Wundervoll formuliert! Ich durfte auch erst hin und hab mich sehr wohl gefühlt. Deine Bilder sind toll geworden und zeigen eine Stadt einmal ohne politische Wertung. Daumen hoch!
Danke Dir Umberto 🙂
Mehrdad, mich hat das geschriebene das erstmal mehr gefesselt wie die Bilder, sie fließen in den Text ein. Sehr schön!
Du meinst ich solle lieber zur Schreibenden Zunft wechseln?
😉
Nein, spass beiseite: Danke Dir!
Oh kl. Tippfehler, sollte : das erste mal heißen ?
Mehrdad, was für ein toller Bericht, der mir ein paar Goosebumps bereitet hat. Und natürlich wieder tolle Bilder. Hoffe, du bist bald wieder dort für die Fortsetzung. Aber zu uns kannst du auch gerne wieder kommen. Und bring Heike und die Kleine mit. Grüße aus iSimangaliso. Jutta und Siggi.
Danke Dir Jutta 🙂
Ja, Südafrika ist definitiv immer eine Reise wert!
Geht vielleicht schneller als man glaubt 😉
super Bericht Mehrdad
Hallo Mehrdad
Ich überlege schon lange ob ich den XT2 zusätzlich zu meine Leica M240 + 3 Objektive kaufe oder ersetze ich den 240 durch M10