Ich war mal wieder in meiner Lieblingsstadt, ihr habt es vielleicht schon auf Facebook oder Instagram verfolgt. Aber diesmal war es fototechnisch ganz anders. Bin ich bei meinen vergangenen Reisen meist mit all meinem Gear unterwegs gewesen, habe ich es diesmal wirklich klein gehalten. Aber das aus einem bestimmten Grund. Ok, es tat auch echt gut, mal nicht einen 15-Kilo-Rucksack jeden Tag 15 Meilen durch New York zu schleppen. Aber dieses Mal hatte ich mir vorgenommen, nur Bilder mit einer ganz speziellen Linse, meiner Squeezerlens, zu machen. Und die hat mir echt so wahnsinnig viel Spass gemacht, dass ich den ganzen Rest schlicht nicht einen Moment vermisst habe.
Vielleicht kennt ihr das „Logbuch New York“ vom Stilpiraten Steffen Böttcher. Er hatte vor einigen Jahren ein in meinen Augen wirklich tolles Fotobuch über New York gemacht, in dem er dieselbe Stilrichtung benutzt hat. Wie ich nun erst vor einigen Wochen erfahren habe, hat er dabei tatsächlich genau dieselbe Linse benutzt, die ich nun dabei hatte. Sie heisst „Squeezerlens“ und dahinter steckt eine tolle Idee. Hinter diesem Projekt steckt der Fotograf Frank Baeseler, der über seine Seite diese Linsen vertreibt.
Das Prinzip
Es gibt einen sehr großen Gebrauchtmarkt für alte Objektive. Interessant ist, dass es dabei auch viele Objektive gibt, die gar nicht für die Verwendung an einer Kamera vorgesehen waren, zum Beispiel alte Projektorlinsen oder Objektive für Vergrößerungsapparate aus analogen Dunkelkammern. Solche Objektive sind qualitativ meist sehr hochwertig. Aber aufgrund ihrer Konstruktion waren sie nie dafür vorgesehen, an einer Kamera zu funktionieren. Frank Baeseler hat nach Möglichkeiten gesucht, um solche alten Linsen für die Fotografie zu erhalten und so ist die Squeezerlens entstanden.
Diese alten Objektive kauft er, zerlegt, reinigt sie und bringt sie wieder in Schuss. Da die meisten dieser Objektive keinen AF haben, werden sie in eine Art Gummibalgen montiert, der auf der anderen Seite über ein Bajonett, passend zur jeweiligen Kamera, verfügt.
Wie fokussiert man damit?
Wenn man das Objektiv zum ersten Mal in der Hand hat, fragt man sich schon, ob und wie man damit überhaupt fotografieren kann. Es ist, ähnlich wie mit einer Leica, auch eine Art „entschleunigtes“ Fotografieren, ein komplett neues Fotoerlebnis.
Objektive mit einem Fixfokus und einer festen Brennweite werden über den Abstand der Objektive zur Projektionsfläche fokussiert, das heisst durch Bewegen des Balgens (Dehnen und Komprimieren). Das ist zu Beginn etwas fummelig aber man bekommt das schnell hin. Auch die Art des Suchers der Kamera ist hier für manchen vielleicht entscheidend. Bei einem relativ kleinen Sucher ist diese Art der Fokussierung nicht unbedingt ein Vergnügen. Einfacher wird es da schon bei Kameras mit einem elektronischen Sucher, der Fokus-Peaking erlaubt oder bei denen das Fokus-Peaking über den Liveview funktioniert. Dabei wird mittels farbiger Pixel auf dem Bildschirm oder im Sucher angezeigt, wo die Schärfe und damit der Fokus liegt. Damit lässt sich die manuelle Schärfe präzise setzen.
Zu Beginn muss ich gestehen, dass ich auch sehr viel Ausschuss hatte und Ergebnisse erzielt habe, mit denen ich nun gar nicht zufrieden war. Aber wenn der Fokus dann nach einer Weile des Herumprobierens sitzt, spürte ich zumindest eine tiefe Zufriedenheit und war von den Bildern begeistert, weil es wirklich mal was anderes ist. Die Bilder haben diesen sog. „Piktorialismus“ oder auch Miniatureffekt. Mit der Handhabung meiner Squeezerlens hatte ich wirklich nur sehr kurz ein paar Probleme. Nach kurzer Eingewöhnung konnte ich damit allerdings genau so schnell fokussieren wie beispielsweise mit meiner Leica M.
Wie ihr vielleicht bemerkt rede ich immer von „meiner“ Squeezerlens. Das hat den Hintergrund, dass diese Linse keine Massenware ist, sondern jeweils auf Bestellung ganz individuell für jeden einzeln angefertigt wird.
So habe ich New York dabei gefühlt nochmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Viele Gegenden und Ecken, an denen ich schon unzählige Male war, kamen mir neu und wieder spannend vor. Die entstandenen Bilder mag ich sehr und gerade in New York mit seinen Strassenschluchten und Wolkenkratzern kommt dieser Effekt der Linse sehr gut zur Geltung. Das ist natürlich -wie bei Bildern immer- sehr subjektiv. Beim Posten einiger Bilder in den sozialen Netzwerken habe ich auch zahlreiche Kommentare gelesen, die sich mit dieser Masse an Unschärfe im Bild nicht anfreunden können.
Für die Gear Freaks zum Abschluss: Ich habe mich für meine Olympus PEN-F und für ein Mir 1-B 37mm Weitwinkel Objektiv entschieden und damit fotografiert. Diese Linse wurde ab Mitte der 50-er Jahre in der damaligen Sowjetunion gebaut. Das Design und die Optik des Mir basiert auf dem Carl-Zeiss Jena Flektogon 35mm f2.8. Auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel hat es seinerzeit sogar einen Preis gewonnen. Das Ding macht mir so viel Spass, dass ich mir bestimmt bald noch eine weitere Version mit einer anderen Brennweite zulegen werde. Schaut einfach mal auf Frank Baeseler´s Seite nach.
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Hallo,
Ich interessiere mich für die Squeezerlenses. Leider ist Herr Baeseler verstorben. Wisst ihr eine alternative Bezugsquelle?
Viele Grüße
Anne
Leider nicht. 🙁
Zwar spät, aber ich meine gelesen zu haben, dass der Sohn das weitermacht.