Ich bin ein großer Asien Fan. Hier haben es mir vor allem die Japaner angetan. Nicht zwingend, weil ich die Japaner selber so toll finde, es ist vielmehr ihre doch so sehr viel andersartige Kultur als unsere mitteleuropäische. Aber mindestens genauso spannend finde ich die chinesische Kultur. Was ich an den Chinesen tatsächlich mehr mag, ist ihre Direktheit. Natürlich ist auch bei den Chinesen der Gesichtsverlust ein großes Thema, aber bei den Japanern weiß ich persönlich oft nicht, woran ich bin. Da fällt mir das „Lesen“ bei den Chinesen einfacher, also zumindest glaube ich das. Wer weiß, wie schief ich dann doch öfters liege. 😉
Nach langer Zeit kam ich vor kurzem mal wieder nach China. Nicht Hong Kong, das ist irgendwie nicht China, und dann ja auch doch. Sondern eben wirklich China. Shanghai, um genau zu sein. Okay, zugegeben, das ist auch längst nicht mehr so chinesisch wie vor ein paar Jahrzenten noch, aber chinesisch genug, um ein bissl Kontrastprogramm zu erfahren.
Anders als sonst habe ich mich diesmal mit einem Freund verabredet. Mein guter Freund Xiaoming Zhang, Chef und Besitzer der Firma Kipon, nahm sich etwas Zeit für mich, um mir ein paar Sehenswürdigkeiten seiner Heimatstadt zu zeigen. Wobei ich hier korrekterweise sagen muss, dass wir aus Shanghai rausgefahren sind, nämlich in die Nachbarstadt Suzhou. Sie ist ca. eine Auto-Stunde von Shanghai entfernt und trägt, aufgrund der zahlreichen Brücken, den Spitznamen „Venedig des Ostens“. Immerhin hat diese Stadt was um die 10 Millionen Einwohner, so vor den Toren von Shanghai, welche ungefähr 30 Millionen Einwohner hat. So gesehen tue ich mich dann doch schwer, Suzhou als Vorort zu bezeichnen.
Neben zwei schönen Parks hatte Xiaoming für uns einen Besuch im weltberühmten Kunqu-Opernmuseum auf dem Tagesplan. Und eine kleine Überraschung hatte er auch organisiert. Dazu später mehr.
Es ist schon was besonderes, wenn man einen Local hat, der einen durch die Stadt führt. Gerade in einem Land wie China, wo die Sprachbarrieren manchmal wirklich gravierend sind. Aber wir hatten leider, wie so oft bei mir, nur wenig Zeit, und Xiaoming hatte ordentlich Programm für uns bereit gehalten. Das gute ist, dass er auch ein begeisterter Fotograf ist. Bedingt durch seine Firma, die ihr Kerngeschäft bei Adaptern hat, ist sein Kamera- und Objektivpark fast schon schwindelerregend, um nicht zu sagen beneidenswert. Er brachte mir zum Testen seine rote Sonder-Kollektion der Iberits mit Leica M Mount mit. Und auch sein Leica Noctilux 50mm f0.95 durfte ich nutzen und als Langzeitleihgabe mit nach Deutschland nehmen.
Unsere erste Station war der Canglang Ting Park, übersetzt wohl Dunkelblaue Wellen-Pavillon. Insgesamt war das Wetter im Grunde ganz schön. Kalt, aber klar. Die Jahreszeit und die kahlen Bäume fand ich persönlich jetzt nicht so toll, ich glaube im Frühjahr wenn es grüner wird, ist das da gleich doppelt so schön, aber tatsächlich ist der Park sehr schön. Der Park war nicht sehr voll, was es einfacher machte die Ruhe die man dort sicher schön genießen kann zu erahnen. Ich wäre gerne länger dort verweilt, aber mein Programchef machte Druck. Wir hatten schließlich noch viel vor und die chinesische Oper sollte auch bald beginnen. Ich musste irgendwann lachen, da ich mir da ein wenig vor kam wie die japanischen Touristen Gruppen die Hordenartig vor Touristattraktionen aus dem Bus steigen, ein paar Fotos machen und dann zur nächsten Stelle eilen.
Nachdem mich Xiaoming aus dem Park mit sanftem Druck herausleitete, machten wir uns auf den Weg zum Kunqu Opern-Museum. Kunqu ist eine der ältesten Bühnenkunstformen und hat seinen Ursprung in China. Die Darsteller kleiden sich in sehr schönen klassischen chinesischen Gewändern. Der Gesang hörte sich für mich wie ein sehr hoher Sprechgesang an. Die Vorstellung war ausverkauft, aber dank meinem gut vernetzten Fotoguide durften wir hinter die Bühne und den Darstellern bei ihren Vorbereitungen zuschauen. Natürlich hielt ich das alles im Bild fest.
Ich muss sagen, ich fand das super spannend, wie diese jungen Künstler sich vor meinen Augen langsam verwandelten. Die Sprachbarriere war recht schnell überwunden. Es wurde viel gelacht, wahrscheinlich auch über mich, da ich wohl auch irgendwie komische wirkte, wie ich großer Bär da mit meiner dicken Winterjacke grazil umherhüpfte zwischen ihren Sachen und mich in Ecken drängte, nur um eine gute Position zum Fotografieren zu bekommen.
Als sie alle fertig geschminkt waren, sahen wir uns die Oper noch ein wenig an, aber der Hunger setzte mehr und mehr ein und mir fiel auf, dass ich schon eine Weile auch nichts mehr getrunken hatte. Wir gingen in ein kleines Restaurant um die Ecke und ich überließ Xiaoming die Essensauswahl. Manch einer würde jetzt sagen: Mutig! Die Chinesen sind nämlich längst nicht so zimperlich mit dem Essen wie wir West-Europäer. Aber Xiaoming kennt mich, glaube ich, mittlerweile ganz gut, er war gnädig mit mir. Sehr leckeres Essen. Viel Gemüse in leckeren Soßen. Die Chinesen mögen Essen im allgemeinen sehr, es hat oft etwas sehr Gesellschaftliches. Was ich sehr mag, ist, dass das Essen in die Mitte des Tisches kommt und dann alle von allem nehmen. Ich finde das gesellschaftlich sehr verbindend, fast schon familiär.
An dieser Stelle fällt mir ein kleine Geschichte zu Japan ein. Da war ich auch mal mit einem Local essen. Auch ihm überließ ich die Essensauswahl. Der wirklich nette Mensch war aber nicht ganz so rücksichtsvoll. Das Ende vom Lied, ich hatte die Ehre ein riesiges Fischauge essen „zu dürfen“. Ich bin mir heute noch unsicher, ob er mich veräppelt hat, denn er hatte ein breites Grinsen im Gesicht, nachdem ich mit mir kämpfte es runterzubekommen. Zum Glück war an dem Abend viel Sake im Spiel. 😉
Gut gesättigt begaben wir uns zu unserer letzten Station des Tages, in den schönen und berühmten Zhuozheng Yuan, was soviel heisst wie „Garten des bescheidenen Beamten“. Eine schöne weitläufige Gartenanlage und deutlich mehr besucht als der erste Garten, den wir uns ansahen. Die Sonne stand mittlerweile schon tief und wir kamen kurz vor der Schließung, so dass wir uns beeilen mussten. Da musste ich ihn wieder rauskramen, den kleinen Japaner in mir. 😉
Ich gebe zu, ich war aber auch nicht sehr unglücklich, denn der lange Flug am Tag zuvor, der doch relativ kurze Schlaf und das wenige Trinken verlangten ihren Tribut. Mein Kopf war kurz vorm Platzen. Wir machten uns von dort wieder auf den Weg zurück nach Shanghai und nutzen die einstündige Fahrt zurück für interessante Gespräche rund um die Fotografie. Im Hotel angekommen, fiel ich dann ins Bett und habe bis zum nächsten Morgen um 10 Uhr durchgeschlafen. Normlerweise sichte ich am selben Abend immer noch erst die gemachten Bilder, aber dafür war ich zu groggy.
Am nächsten Morgen nutzte ich meine Zeit bis zum Abflug am Abend noch, um den modernen Teil von Shanghai, zumindest einen kleinen Teil davon, zu besuchen. In der Nähe des Huangpu Flusses suchte ich mir einen schönen Blick auf das Wahrzeichen Shanghais, den Oriental Pearl Tower, und genoss den klaren sonnigen, aber sehr kalten Montagmorgen.
Auch wenn ich von Shanghai selber nicht allzu viel dieses mMal gesehen habe, war dies vor allem dank meines Freundes ein wirklich gelungener Kurztrip nach Shanghai. Tolle und spannende Stadt, soviel habe ich durchaus schon mitbekommen, es war ja auch nicht das erste und bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich da war.
Für die Technik-Interessierten, ich habe es angedeutet, alle Bilder entstammen der Leica M10, und an Objektiven kam eine ganze Menge zum Einsatz. Das ZEISS Distagon 35mm, Iberit 24mm, Iberit 90mm und das Leica Noctilux 50mm f0.95.
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