Seit einiger Zeit haben meine Familie und ich uns einen kleinen Rückzugsort eingerichtet. Ein Ort, der uns gehört und wo wir uns jederzeit, wann es uns in den Sinn kommt, zurückziehen können, um dem Alltag, dem Lärm und der Hektik der Großstadt Berlin zu entfliehen. Es handelt sich hierbei um ein kleines Winzerhäuschen in der Südsteiermark. Die Lage ist abgelegen, mit einem herrlichen Weitblick bis rüber nach Slowenien. Es ist in nahezu jedem Belang das Gegenteil zu Berlin.
Nicht falsch verstehen, ich liebe Berlin. Ich bin wohl sowas, was man eine echte Berliner Göre nennt. Nicht ganz so großschnäuzig und laut wie der Berliner an sich, aber wenn es sein muss, kann ich den Berliner in mir sehr gut auspacken.
Jedenfalls war ich mit meiner Familie neulich hier in unserem Stammrestaurant in Graz. Super leckere steirische Küche ,und meine Frau freute sich, glaube ich, die ganze Zeit eh nur auf den Kaiserschmarren am Ende. Uns gegenüber saßen zwei ältere Herren. Das Restaurant war nicht sehr voll. Ich bin nun niemand, der andere belauscht, aber die zwei älteren Herren weckten meine Neugier. Alleine schon, wie sie zusammen saßen. Der Fotograf in mir konnte nicht aufhören sie zu beobachten. Ich wollte nicht lauschen, wirklich nicht, aber sie unterhielten sich über Einsamkeit, und der eine erzählte davon, dass er 65 Jahre mit seiner Partnerin zusammen war. Ich vermute, er benutzte aus Gründen die Vergangenheitsform. Sie redeten nicht viel, aber das, was sie sagten, war sehr tiefgehend.
Ich hatte meine Kamera griffbereit und machte das Foto.
Zurück in unserer Hütte, als ich die Bilder des Tages betrachtete, fiel mir dieses Bild wieder auf und ich dachte über Freundschaft nach.
Ich finde, heutzutage geht man mit diesem Wort „Freund“ zum Teil sehr inflationär um. Freundschaft ist etwas, was über eine gewisse Zeit wächst. Nur weil man auf Instagram, Facebook und ähnlichem miteinander verknüpft ist, sich lustige Videos und Bildchen per whatsapp und Messenger sendet, ist man noch lange nicht befreundet. Ich habe manchmal das Gefühl, manche Menschen verwechseln das allzu häufig. Für mich gehört bei einer Freundschaft viel Zeit und vor allem eine ganze Menge an gegenseitigem Respekt dazu, aber das wichtigste ist wohl der echte zwischenmenschliche Kontakt. Dieses ganze Online-Gedöns geht mir so dermaßen auf den Zeiger, das ist echt nicht mehr lustig. Da geht es um Likes und Follower, und man glaubt dann, man sei beliebt und hätte viele Freunde.
Das ist doch alles Blödsinn! Am Ende geht nichts über ein Treffen mit einem Freund, wo man einfach der sein kann, der man ist. Einfach gepflegt zusammen sitzen und über Gott und die Welt sprechen ohne Entertainer oder cooler Hecht zu sein. Oder einfach nur gemeinsam still sein.
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Unter Missachtung aller Persönlichkeitsrechte auf Kosten anderer den eigenen Wohlfühlfaktor erhöhen? Fotografier doch an diesem Tisch dich und deine Familie und lass uns das sehen statt unbeteiligte Dritte in ihrer Privatsphäre zu stören.
Und wer sagt Dir das ich die Persönlichkeitsrechte missachtet habe?
Warum gehst Du davon aus, dass ich das Bild ohne Erlaubnis hier veröffentliche?
Nicht gleich losballern und alle unter Generalverdacht stellen bitte.
Oh mann,
bei solchen Kommentaren muss man sich wundern , dass überhaupt noch Fotos ausserhalb des Insta-Schrotts gezeigt werden. Wahrscheinlich hat dieser selbstgerechte Zeitgenosse alle Petitionen bzgl. Meinungsfreiheit im Netz unterzeichnet. Echt widerlich dieses Anklägerverhalten…
Gruß
Frank
Liebe Leute,
bevor man scharf mit Kommentaren um sich schießt, sollte man vielleicht fragen wie das Foto entstanden ist.
Ganz abgesehen davon, finde ich die Aufnahme wunderschön und sehr berührend (anders kann ich das nicht ausdrücken)
Viele Grüße
Claus
Hi Mehrdad,
ich möchte auch mal meinen Senf dazu geben. Passt zwar nicht zu Kaiserschmarrn :). Nein Spaß beiseite. Ein sehr guter Artikel. Er lässt mich über das gesagte nachdenken, und ich finde, dass das Bild sehr gut dazu passt. Es ist ein Bild, das Emotionen vermittelt. Man bleibt hängen. Was denken die Beiden gerade. Es ist melancholisch. Es erzählt eine Geschichte. Aber noch wichtiger finde ich den Ausdruck: …. Wort „Freund“ zum Teil sehr inflationär…. Genau das ist es auch. Man ist heute überall „befreundet“. Aber bin ich das wirklich? Nein, ich kenne viele Menschen dank Social Media und habe viele wertvolle Menschen kennenlernen dürfen. Aber es ist keine „Freundschaft“. Diese muss reifen. Man geht miteinander durch gute und durch schlechte Zeiten. Man vertraut einander und teilt miteinander. Ich sage mal dass meine Familie meine „Freunde“ sind. Wenn man es so ausdrücken möchte. Das ist ähnlich wie mit Vorverurteilungen. Die werden einfach immer schnell geäußert ohne einen Sachverhalt zu prüfen. Naja, kann man leider nicht ändern, nur an sich selbst arbeiten. Daher, mach weiter.
Gruß
Markus
Da kann ich nur lachen, Persönlichkeitsrechte missachtet. Ich bin mit einer Perserin der alten Schule verheiratet, da weiss ich was Persönlichkeit, Würde, Ehre und Verhalten gegenüber anderen ist. Viele sollten sich an die Nase fassen, über Insta und Co. Solche Fotos muss es in QIMAGO geben, sie regen zum Nachdenken über Freundschaften, Reden etc. an. Allein der schon philosophische Blick auf Glas, das Nachdenken der alten Herren.
Gruß Ingo jetzt im von Alter 71
Ein starkes nachdenklich machendes Bild und ein ebensolcher Text. Echt stark, Mehrdad!
Gruß aus LEV
Klaus
Schönes Bild und Gedankenspiel. Solche Momente bereichern das Leben.
Danke Mehrdad.
Gruss Maurizio
Lieber Mehrdad,
Es sind solche Bilder, die es wert sind zu fotografieren. Ein solches Bild ist mehr wert als viele andere. Ich nehme gerne die Kritik über DSGVO oder Persönlichkeitsrechte in Kauf, denn ich denke, dass die Beiden sich freuen würden, wenn sie erführen, dass es dieses Foto gibt. Herzlichen Glückwunsch! Ganz tolle Arbeit!!!
Viele Grüße
Helmut