Neulich bekamen wir eine E-Mail von einem asiatischen Großhändler namens Pergear, ob wir Interesse hätten, uns das 7Artisans 35mm F5.6 Pancake Objektiv anzusehen und darüber einen Bericht zu verfassen. Ich gebe zu, meine Begeisterung war verhalten. Ich finde die Produkte aus dem Hause 7Artsians schon auch sehr spannend, aber von solchen Lenscap Objektiven im allgemeinen halte ich meist nicht allzu viel. Sie können hier und da nettes Spielzeug sein, aber für mehr taugen sie meist selten. Meine Erwartung an dieses Objektiv waren dementsprechend nicht sehr groß.
Ich sollte mich in diesem Fall tatsächlich geirrt haben.
Bevor wir ans Eingemachte gehen, will ich aber gerne das Review in das richtige Licht rücken.
Ja, wir haben dieses Objektiv von Pergear zur freien Verfügung gestellt bekommen. Es floss weder in die eine, aber vor allem auch nicht in die andere Richtung Geld. Uns wurde nicht gesagt, was wir schreiben sollen oder eben auch nicht. Sowohl mein Post hier als auch das Video sind frei von Zensur durch Pergear und/oder 7Artisans selber, und lag auch niemanden vorher zur Kontrolle vor. Ich habe also versucht, so objektiv es mir möglich war bei der Bewertung dieses Produkts zu sein.
Alles klar? Okay, dann kann es losgehen, würde ich sagen.
Das 7Artisans 35mm F5.6
Bei dem 7Artisans 35mm handelt es sich um ein in China entwickeltes und gefertigtes Pancake Objektiv. Brennweite sind 35mm, und die größte wie auch die kleinste Blende sind f5.6. Dieses Objektiv gibt es mit 4 verschiedenen Objektivanschlüssen. E-, L-, Z- und M-Mount. Mir wurde die M-Mount Version zugeschickt. Es gibt vier verschiedene Farbkombinationen. Silber mit schwarzem oder goldenem Rand oder schwarz mit schwarzem oder goldenem Rand. Ich habe die silber-schwarze Version hier. An meiner M10-P hätte mir schwarz-schwarz zwar besser gefallen, aber nun denn.
Bei dem Objektiv handelt es sich um eine Konstruktion aus 5 Elementen in 4 Gruppen, wovon 2 Elemente „ultra low dispersion“ Gläser sind. Diese sind für die Verbesserung von Kontrasten, Farbtiefe und Auflösung hilfreich.
Die Naheinstellgrenze ist bei 0,3m. Auch an der Leica M, allerdings ohne Messsucherkupplung. Also insgesamt ohne. Vermutlich der größte Nachteil an diesem Objektiv aus Sicht eines Leica M Nutzers. Für Adaptierer an anderen als Messsuchersystemen ist dies natürlich ohne Belang.
Das gesamte Objektiv ist sehr hochwertig und massiv aus Metall gefertigt. Das einzige Bauteil, das ich nicht 100% als Metall identifizierte konnte, ist die integrierte Lenscap. Der Fokushebel hat eine weitere (End-)Stellung nach der Unendlichstellung, bei der das Frontglas durch einen sich vorschiebenden Deckel geschlossen und somit geschützt wird. Sehr einfache und effektive, aber vor allem praktische Konstruktion.
Mit 128g ist es das leichteste und kleinste 35mm für Leica M, das ich bisher in den Händen hatte.
Im Gebrauch hatte ich anfangs etwas Sorge, dass ich mit dem fippsig wirkenden Fokusstab nicht klarkommen würde. Tatsächlich funktionierte dies bei mir aber sehr gut. Man muss aufpassen, dass die eigenen Finger bei der Aufnahme nicht mit ins Bild kommt. Also möglichst immer schön mit allen Fingern hinter dem Objektiv bleiben.
Da dieses Objektiv keine Messsucherkupplung hat, ist es für Leica M Nutzer sinnvoll, wenn man einen elektronischen Aufstecksucher nutzt. Man kann natürlich auch über den Liveview und dann das rückwertige Display fotografieren, komfortabler ist es aber mit dem elektronischen Sucher.
Ein größeres Problem haben da die analogen M-Fotofreunde. Hinzu kommt leider, dass die Entfernungsskala schon sehr grob ist. Ablesbar bzw. gekennzeichnet sind die Entfernungen 0,3m, 0,5m und unendlich. Es gibt dazwischen zwar ganz viele Abstufungen auf dem Objektivtubus, aber keine Markierung am Fokusstab, damit man diese zur Deckung bringen kann. Geschweige denn davon, dass man irgendwo erfahren kann, welche Abstände diese Markierungen darstellen sollen.
Ich würde mir hier entweder eine Messsucherkupplung wünschen – wenigsten von 0,7m bis unendlich – oder eben eine vernünftig ablesbare Skala.
Ich habe also in 99% der Fälle den Leica Aufstecksucher verwendet.
Die Abbilungsleistung des 7Artisans 35mm
Ich gebe zu, als ich das Objektiv auspackte, war ich schon etwas erstaunt. Die Fertigungsqualität ist in meinen Augen wirklich sehr gut. Ich merkte, wie ich schnell neugieriger wurde, ob sich diese Qualität auch in den Bildern spiegeln würde. Ich muss zugeben, das Objektiv überraschte mich und meine Erwartungen auch in diesem Punkt. Das Bild oben von meinem Plattenspieler und den Singles meiner Lieblingsband war eines der ersten Bilder, welches ich mit diesem Objektiv gemacht habe. Ich war, glaube ich, aber anfangs vor allem darum happy, mit meiner M mal näher als 0,7m an ein Objekt rangehen zu können. Auf dem Display sah das alles schon mal ganz gut aus. Also zog ich los auf die Berliner Straßen.
Was soll ich sagen? Ich war restlos begeistert, als ich nach Hause kam. Nicht nur hat es mir Spaß gemacht, mit dem Objektiv zu fotografieren, die Ergebnisse wussten auch zu gefallen. Die Farben, die Schärfe, selbst das Bokeh (trotz f5.6) waren sehr schön und ansprechend.
Bei dem Portrait des älteren Herren kann man schön die Schärfe des Objektivs erkennen. Der Handlauf der Brücke verschwindet dennoch schön in der Unschärfe. Die Regenpfütze und auch die Hausfassade zeigt, wie schön es die Farben zeichnet. Gegenlicht ist auch kein echtes Problem mit diesem Objektiv, zumindest konnte ich keine Sunflares provozieren, aber auch keine Lichtsterne – abblenden ist ja nicht. 😉
Ich konnte auch kaum Verzeichnungen ausmachen, was dieses Objektiv für mich auch sehr interessant bei Architekturaufnahmen macht.
Also alles super?
Ich sag mal: Jain!
Eine Merkwürdigkeit ist mir aufgefallen. Betrachtet man sich das Objektiv aber genauer, ist dies gar nicht mehr so merkwürdig. Bei unendlich zeigt dieses Objektiv Ansätze des Italian-Flag-Syndrom, da es in dieser Stellung sehr nah an den Sensor kommt. Sowas passiert vor allem an Weitwinkel-Objektiven. Ich hatte eine ähnliche Erfahrung schon mal mit dem ZEISS Distagon 15mm f2.8 ZM. Damals habe ich den sehr geschätzten Michael Hußmann zitiert, nachdem ich ihn diesbezüglich kontaktiert hatte und ihn bat mir dieses Phänomen zu erklären. Michael schreibt unter anderem für das sehr beliebte Docma-Magazin und die LFI. Ich zitiere ihn hier gerne noch einmal:
„….Das Phänomen ist bekannt und es hat sogar einen catchy Namen: Italian Flag Syndrome. Es tritt typischerweise bei Weitwinkelobjektiven auf, bei denen zum Bildrand hin große Einfallswinkel auftreten. Die Ursache ist recht komplex und hat mit dem typischerweise asymmetrischen Aufbau der Sensorpixel zu tun. Ein Teil der Pixelfläche wird für die Verdrahtung statt zum Lichtsammeln genutzt, und diese liegt an einer Seite des Pixels. Wenn nun Lichtstrahlen im flachen Winkel auftreffen und daher bis zum Nachbarpixel durchdringen könnten, wird das in der einen Richtung durch die Verdrahtung blockiert, in der anderen jedoch nicht. Wenn ein falsches Pixel das Licht abbekommt, ist dieses ja für eine andere Farbe empfindlich, also Grün statt Rot, Rot statt Grün, Blau statt Grün oder Grün statt Blau – das Licht hat vielleicht ein Grünfilter passiert, wird aber von einem nominell rotempfindlichen Pixel registriert und daher fälschlich als rotes Licht gewertet. Da nun die grünempfindlichen Pixel die empfindlichsten sind und die Signale der rot- und blauempfindlichen Pixel zum Ausgleich angehoben werden müssen, führt die Registrierung des Lichts durch ein Nachbarpixel insgesamt zu einer Farbverschiebung in Richtung Rot und Blau – also Violett. Dieser Effekt tritt am einen Bildrand auf, am anderen aber nicht ….Jedenfalls sind die flachen Einfallswinkel das Problem ….. Die Farbverschiebung lässt sich immerhin noch kompensieren…..“
Wie Michael auch schreibt, ist diese Farbverschiebung, die bei dem 7Artisans 35mm nur einseitig auftritt, kompensierbar. Dies ist bei dem 7Artisans 35mm natürlich auch so. Es gab also kein Foto, das dieser Farbverschiebung zum Opfer fiel. Das Beispiel oben von dem Denkmal „Neue Wache“ habe ich absichtlich unkorrigiert gelassen.
Fazit zum 7Artisans 35mm
Das Objektiv ist nicht perfekt, aber welches Objektiv ist das schon? Die fehlende Messsucherkopplung ist für viele Leica M Nutzer vielleicht der größte Nachteil. Zumal die Entfernungsmarkierungen am Objektiv eher in Richtung Willkür gehen, als dass sie dem Fotografierenden eine verlässliche Auskunft geben könnten. Mit dem elektronischen Aufstecksucher ist das allerdings kein Problem. Für Fotografen, die mit anderen spiegellosen Kameras fotografieren, ist das natürlich alles kein Thema. Das Italian-Flag-Problem ist unverkennbar vorhanden, aber nichts, was nicht korrigierbar wäre.
Trotz der genannten Nachteile muss ich gestehen, dass mich dieses Objektiv richtig begeistert. Natürlich ist es durch die Fixblende von f5.6 nicht sehr flexibel und nicht für jeden und jede Gelegenheit etwas, es ist auch kein klassisches Immerdrauf-Glas oder gar als einziges 35er etwas, aber es hat in bestimmten Situationen seine Anwendung.
Die Verarbeitungsqualität, die Größe, das Gewicht, die Abbildungsleistung in Sachen Schärfe, Farbwiedergabe, Kontraste und – ja klingt lustig – Bokeh ist wirklich cool.
Nein, es ist kein Summilux, Summicron, Nokton oder Biogon. Es kommt mit einer Naheinstellgrenze von 0,3m am Leica M Mount dafür aber mit einem sehr nützlichen Feature, und mit was um die 200 Euro ist es erfrischend preiswert aus Leica M Nutzer Sicht, bei dennoch hochwertiger Fertigungsqualität.
Ich persönlich werde es viel für Street einsetzen. Das ein oder andere Streetportrait ist auch sehr schön möglich. Auf meinen Reisen wird es vor allem auch in der urbanen Umgebung zum Einsatz kommen, und wenn ich mal näher als 70cm an ein Objekt ran will, ist es auch eine super Wahl. Tatsächlich ist es hier und da auch für Produktshots so unterwegs sehr interessant. Ich würde es tatsächlich, und das erstaunt mich selber sehr, nicht als ein Spaßglas sehen. Es ist ein durchaus ernstzunehmendes, ergänzendes 35mm.
Mir macht das Objektiv echt Spaß, und so klein und leicht wie es ist, wird es dauerhaft in meiner Fototasche einziehen.
Alle folgenden Bilder sind übrigens bei Blende f5.6 entstanden. 😉
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Hallo Mehrdad,
danke für Deine Einschätzung. Die „rosa“ Ecke hatte ich auch bei dem Voigtländer 15mm an meiner M9, was aber meist kein Problem war. Notfalls Schwarzweiß 😉
Bei dem Preis braucht man eigentlich nicht über diese Linse nachdenken, das hast Du mir bestätigt. Daher werde ich sie mir für L-Mount kaufen. Wahrscheinlich eher an der Sigma fp L (wenn sie dann endlich da ist), als an der S1r.
Liebe Grüße Mark
Ja, der Preis für diese Leistung macht das Objektiv wirklich zu einem sogenannten No-Brainer…wenn man ein gutes und praktisches Streetglas (zum Beispiel) sucht.
Die Sigma fp L sollte demnächst auch bei uns ankommen. Vor allem auf den optionalen Sucher bin ich auch gespannt.
Es gibt dieses Objektiv nun auch für Sigma, L-Mount, Canon EF, Nikon Z sowie Sony (F)E Mount.
Nach einem Review von Richard Wong hat dieses kleine 35/5.6 Pancake anders als die oft getestete M-Mount Version keine lila Farbsäume mehr, auch nicht in den Ecken, bei der getesteten Z-Mount Nikon Version. Ich gehe davon aus, das dies in anderen Bajonett Versionen genauso sein wird. Es ist die aktuellere, schwarze Version dieses Objektivs. Die silber-goldene M-Mount Leica Version kam zuerst heraus.
Review von Richard Wong:
https://www.youtube.com/watch?v=I16Pm5geLRM
Hallo Marc, schätzungsweise wird das an den anderen Mikrolinsen auf den unterschiedlichen Sensoren liegen und weniger am Objektiv. Als Nikon Z Nutzer kann ich bestätigen, dass manche Gläser sich an Nikon anders verhalten als an Leica. Bei Gelegenheit werde ich mal das 35/ 5.6 im M-Mount an die Nikon Z setzen. Mal sehen, was dabei heraus kommt. 🙂