Vor ein paar Wochen bin ich für ein verlängertes Wochenende in meine alte Heimat gefahren. Brandenburger bin ich erst – oder schon – seit 1999. Davor habe ich in Nordrhein-Westfalen gelebt und komme aus dem Ruhrgebiet, aus Mülheim a.d. Ruhr. Jetzt denkt sich mancher vermutlich: Krass, erst Ruhrpott und dann das ländliche platte Brandenburg, was für ein Unterschied. Und Recht habt ihr. Es ist wirklich ein krasser Unterschied, jedoch aus meiner Sicht ein sehr positiver. Ich habe schon während einer Rückfahrt aus NRW nach Brandenburg im Spätsommer 1999 das feste Gefühl gehabt, „nach Hause“ zu kommen. Ich fand das merkwürdig, bedenkt man, dass ich die 28 Jahre davor dort gelebt habe. Aber es war und ist auch noch heute so, so dass ich denke, alles richtig gemacht zu haben. Ich bereue diesen Schritt auch heute nicht.
Hin und wieder kehre ich allerdings noch ins Ruhrgebiet zurück, denn zum einen lebt dort noch meine Schwester mit Familie und darüber hinaus, hat sich das Ruhrgebiet doch ganz gewaltig verändert in den vergangenen 20 Jahren, seitdem ich es überwiegend von außen beobachte. Das Ruhrgebiet ist auch heute noch mit über 5 Millionen Einwohnern und einer Fläche von nahezu 4500 Quadratkilometern der größe besiedelte Ballungsraum Deutschlands und der fünftgrößte Europas. Was jedoch früher den Namen Revier, Kohlenpott oder Rheinisch-Westfälisches Industriegebiet trug, ist heute, knapp 50 Jahre nach dieser Zeit, als der Name noch passte, und nach einem gewaltigen Strukturwandel, ein Gebiet voller Technologie, Dienstleistungen, Forschung, unsagbar viel Kultur und vor allem auch Natur.
Natur entstand vor allem dort, wo ehemals die Schwerindustrie residierte. Dafür wurde viel Geld in die Region investiert und Industriebrachen von stillgelegten Bergwerken, Kokereien und Stahlwerken als Industriedenkmäler erhalten und neue Nutzungsmöglichkeiten entwickelt, wie die Stahlhütte Duisburg-Meiderich als Landschaftspark Duisburg-Nord umgenutzt worden, der stillgelegte Gasometer Oberhausen wurde zur Ausstellungshalle umfunktioniert. Weitere Beispiele für neue Nutzungen sind der Bottroper Tetraeder, die Essener Schurenbachhalde oder der Duisburger Innenhafen. Wow, klingt als mache ich Werbung für den dortigen Tourismusverband. 🙂 Will eigentlich nur verdeutlichen, dass es heute wirklich mal eine Reise Wert ist für diejenigen, die es nicht kennen.
Grund meiner Reise dorthin, um mal wieder Richtung Roter Faden zu kommen, war, dass meine Schwester bald ihr erstes Kind bekommt (wird ja auch Zeit) und sie Babybauchfotos haben wollte. Die hat sie dann auch bekommen, aber das soll hier nicht Thema sein. Meine beiden Kids waren auch dabei und denen muss man ja auch was bieten, so dass wir uns einen Nachmittag aufgemacht haben, um in den oben bereits erwähnten Landschaftspark Duisburg-Nord zu gehen. Dort verbinden sich Industriekultur, Natur und ein faszinierendes Lichtspektakel zu einer wirklich einmaligen Parklandschaft, wobei es nie Park geschweige denn Landschaft war. Man kann dort sehen, wie sich teilweise die Natur ihren Lebensraum zurückerobert, man hat von dem über 70m hohen Hochofen 5 des alten Hüttenwerks einen tollen Ausblick über die ganze Region. Man sieht quasi von Duisburg bis Dortmund und Recklinghausen bis Hagen. Wenn ich das hier in Berlin haben will, muss ich knapp 40 € berappen um auf den Fernsehturm zu kommen, dort gibt’s das umsonst. Der Landschaftspark ist immer offen und immer gratis zu besuchen. Und sobald die Dämmerung einbricht, werden die alten Stahlkolosse sensationell in farbiges Licht getaucht. Auch für mich als Fotojunkie und meine Kids, die ich ebenfalls schon angesteckt habe, war dieser Ort natürlich äußerst interessant. Leider wurde das Wetter dann so schlecht, dass wir früher den Rückweg antreten mussten und auch nicht die Bilder hatten die wir eigentlich haben wollten.
Ein weiteres Highlight des Ruhrgebiets haben wir uns dann am nächsten Tag auch noch angeschaut. Die Zeche Zollverein gehört zum Weltkulturerbe und man sollte sie ebenfalls unbedingt mal besucht haben wenn man in der Nähe ist. Zwischen 1847 und 1932 entstanden dort 8 Schachtanlagen, es galt zu der Zeit als leistungsstärkstes Bergwerk der Welt, täglich wurden über 23.000 Tonnen Steinkohle gefördert, bis zur Schließung 1986 über 240 Millionen Tonnen. Heute nennt man Zollverein die „Schönste Zeche des Ruhrgebiets“, „Wunderwerk der Technik“, „Kathedrale der Industriekultur“. Wenn man dort ist, mein Tip, unbedingt eine Führung buchen. Nicht teuer aber ungeheuer interessant mit genügend Möglichkeiten zu fotografieren.
Hier noch einige Bilder vom Zechengelände aussen und innen, alle gemacht mit einer Leica M9 mit einem 35mm Summilux sowie der Leica Q.
Heute beherbergt die Zeche Zollverein das Ruhr Museum und das Red Dot Design Museum. Insgesamt bilden die 20 Einzelgebäude die technischen Arbeits- und Produktionsabläufe der Kohleförderung ab, und zwar nach der Bauhaus-Maxime, dass sich die Form an der Funktion orientieren soll. Und gerade in diesem Jahr, in dem wir das „100 Jahre Bauhaus“ Jubiläum begehen, ist ein Besuch daher wirklich ein Muss.
Wer also dort mal vorbei kommt und ein wenig Zeit hat, dem kann ich bespielhaft für viele andere Sachen, diese beiden Highlights nur wärmstens ans Herz legen. Ich selbst war dort schon viele Male und ich finde es jedesmal aufs Neue spannend. Ein Erlebnis dort ist auch der Eingang ins Museum. Man gelangt dort über Europas längste Rolltreppe ins Museum.
Den Rest meiner Zeit im Ruhrgebiet habe ich dann mit Babybauchfotos verbracht. Und so ein langes Wochenende geht dann auch immer viel zu schnell zu Ende und obwohl es dort so schön war, kam auf dem Rückweg auf der A2 wieder dieses „Heimatgefühl“ auf je näher Brandenburg kam.
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Hallo Christian,
bei mir ist es umgekehrt: ich lebe im Ruhrgebiet (Duisburg), aber mehrmals im Jahr zieht es meine Frau und mich nach Brandenburg. Meist sind wir in Potsdam, kennen aber auch die Dörfer im Havelland. Deine Fotos zeigen treffend einen von vielen Aspekten der Industriekultur. Sie gefallen mir sehr.
Herzliche Grüße aus dem Pott
Reinhard
Hallo Reinhard, vielen Dank für deinen Kommentar. Schön dass der Austausch auch anders herum funktioniert 🙂
LG