Ich bin in den frühen 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geboren. Verdammt, so höre ich mich ja noch älter an als ich es dann tatsächlich bin.
Jedenfalls stamme ich aus einem politisch interessierten Haus. Mein Vater hat uns schon früh politisch in Diskussionen verstrickt, weniger um uns seine politischen Vorstellungen auf zu drängen, sondern uns eher als aufmerksame und kritische Menschen zu erziehen. Tagesschau/Nachriten um 20 Uhr waren immer Pflicht, vor allem, wenn man abends den coolen Alain Delon oder Jean Gabin im Fernseher mit sehen wollte. Spätestens jetzt wird mein Alter deutlich, wenn ich solche Filme als Kind cool fand. 😉
Ich erinnere mich gut, dass ich als Kind den Konflikt zwischen den Israelis und den Arabern/Palästinensern gefühlt täglich in den Nachrichten gesehen habe. Beirut, PLO, Jerusalem, Tel Aviv, Terror, Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeiten auf beiden Seiten. Ich glaube nicht zuletzt diese Erfahrungen, die ich, zugegeben aus der weiten sicheren Ferne und zum Glück ohne persönlich betroffen zu sein, schon früh gemacht habe, lassen bei mir immer ein gewisses Unwohlsein aufkommen, wenn ich sehe, dass meine Firma will, dass ich bitte nach Tel Aviv zu fliegen habe. So auch diesmal geschehen.
Anders als sonst habe ich mir aber diesen Flug dieses mal selber ausgesucht, denn er bot mir etwas mehr Zeit vor Ort. Das hätte mich stutzig machen sollen, denn wir landeten Samstag sehr früh am Morgen. Kenner der jüdischen Kultur wissen, was das bedeutet: Shabbat! Anders als hier zu Lande ist das nicht einfach analog zu einem Sonntag, im Grunde ist es dem gläubigen Juden, wovon es natürlich einige in Israel gibt, nicht nur nicht gestattet zu arbeiten. Die Definition von Arbeit ist deutlich extremer als bei uns. Bestes Beispiel: Den Knopf in einem Fahrstuhl zu drücken gilt schon als Arbeit. Weshalb auch unbedingt, als nicht gläubiger (Jude) zu beachten ist, im Hotel nicht den Shabbat-Fahrstuhl zu nehmen. Vor allem nicht, wenn man vom 19. Stock ins Erdgeschoss will. In jedem Stockwerk hält der Aufzug nämlich auf dem Weg nach unten und nach oben. „Again what learned!“
Bis Sonnenuntergang am Samstag geht da im Grunde nicht viel, so eben auch die öffentlichen Verkehrsmittel nicht. Das ist besonders dann doof, wenn wenn man wie ich, am liebsten einen kurzen Ausflug nach Jerusalem machen wollte, was wohl nur was um eine Autostunde von Tel Aviv entfernt liegt. Zum Glück ist Tel Aviv-Jaffa da deutlich weniger orthodox unterwegs. Das Leben tobt auch am Samstag dort, und da ich mich dann eben entschloss,einen kurzen Spaziergang nach old Jaffa zu tätigen, war von Shabbat dort zum Glück kaum was zu spüren. Das besondere, und eigentlich ja wirklich tolle an Israel bzw. dieser Gegend ist, dass es ja auch eine sehr große muslimische Community gibt. Ich schreibe eigentlich, weil es im Grunde so toll wäre, wenn Brüder, denn nichts anderes sind diese 3 großen Religionen, friedlich zusammenleben würden. Wer nicht gerade nur Trash-TV schaut und auch mal über seinen kleinen Tellerrand hinausschaut, weiß natürlich dass diese Selbstverständlichkeiten in Israel leider, ganz großes leider, eben nicht gegeben sind.
Umso schöner ist es zu sehen, dass die normalen Menschen dort sich den Spass am Leben von bekloppten Fanatikern nicht vermiesen lassen. Auch am Shabbat findet das Leben, vor allem im Vergleich zu unseren Gefilden, deutlich auf der Strasse bzw. am Strand statt.
Es ist herrlich, da am Strand entlang zu laufen. Abgesehen von dem schönen Wetter, während zu Hause pünktlich zum kommenden Frühlingsanfang es schneit und kalt ist, scheint dort die Sonne und die Menschen genießen das Leben. Nichts zu spüren von Feindschaften zwischen Palästinensern und Juden/Israelis, aber vermutlich ist der Querschnitt der Gesellschaft in Tel Aviv eben auch ein deutlich anderer als wenn man sich zum Beispiel nach Jerusalem oder in den Gaza Streifen begeben würde. Dieser beklemmende scheinbar ewig anhaltende Konflikt ist für mich jedenfalls nicht spürbar gewesen. Aber ich will hier nicht allzu politisch werden.
Mein Hotel lag am Rande von Tel Aviv und nur ca. 20 Gehminuten von old Jaffa entfernt. Meist als Ausflugsziel vieler Touristen, aber auch Tel Avivs Bewohner selbst, zieht wohl vor allem der Strand und die vielen kleinen Kunstgalerien die Besucher magisch an. Obgleich Jaffa fast so viel Geschichte wie Jerusalem zu bieten hat, wird das so oft nicht wahrgenommen. Offiziell gehört Jaffa zu Tel Aviv, tatsächlich ist es wohl streng genommen anders herum? Denn Jaffa ist deutlich älter (Antike) als die erst 1909 gegründete Stadt Tel Aviv. Juden, Phönizier, Hasmonäer, Ägypter, Napoleons Truppen, Palästinenser, Osmanen, Engländer und heute die neureichen Russen haben dort schon ihre Spuren hinterlassen. Erst 1950 wurden beide Städte zu Tel Aviv-Jaffa vereinigt.
In der kürze meiner Zeit, die ich vor Ort dann doch hatte, konnte ich nur einen Bruchteil dessen erkunden. Aus dem kalten Deutschland kommend wollte ich mich bei meinem ersten Aufenthalt erst mal etwas akklimatisieren. Hört sich irgendwie besser an als am Strand rumlungern. 😉 Was ich aber schon mal ganz klar sagen kann: wer gutes Essen mag, der ist in old Jaffa sehr gut aufgehoben. Ich bin bei meinem Spaziergang an so einigen Restaurants und Imbissen vorbei gekommen, ich wäre am liebsten in nahezu jeden Laden rein, aber selbst ein Bär wie ich kennt ein Sättigungsgefühl. 😉
Ernsthaft jetzt, ich hatte zwar mehr Zeit als sonst auf den sogenannten Kurzstrecken-Touren, aber es gibt dann auch mal so Tage, wo ich einfach mal den Fotoapparat nicht als das wichtigste sehe. Natürlich konnte ich nicht widerstehen, mir einen kleinen Überblick zu verschaffen und natürlich war die Kamera im Anschlag, aber ich habe nur einen kleinen Teil dessen gesehen, was Tel Aviv-Jaffa zu bieten hat. Ich fand die Stadt sehr interessant und habe für mich beschlossen, dass ich hierhin demnächst mit deutlich mehr Zeit zurückkehren will und dann natürlich auch unbedingt Jerusalem besuchen will. Die Planung dafür laufen bei mir schon im Kopf ab und werden bald in die Tat umgesetzt.
Für die Technik interessierten Leser: Die Fotos, welche hier zu sehen sind, wurden mit der Leica M10, dem Summilux 50mm, dem ZEISS Distagon 35mm oder dem Voigtländer Ultron 21mm aufgenommen.
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Informativ, angenehm und locker zu lesen mit tollen Bildern Mehrdad !
Gäbe es nur mehr solche Reiseberichte.
Servus, Cristina