Es ist schon nicht einfach: Will man ein spiegelloses System nutzen für den Vorteil des elektronischen Suchers und dazu noch einen Kleinbildformatsensor, hat man leider nicht allzuviele Möglichkeiten. Es sind entweder merkwürdige Modelle von Sony oder inzwischen 44x33mm „Mittelformat“-Kameras. Oder? Hab ich was übersehen? Genau: Leica. Und da ist es nicht die M in ihren verschiedenen Iterationen, sondern ein Brocken namens SL. Für die meisten womöglich ein alter Hut.
Mit dem jüngsten Erscheinen der Leica CL und der TL2 sind Kameras mit APSC-Sensor auf den Markt gekommen, die unterschiedlich zu handhaben sind und damit auf verschiedene Weise in Konkurrenz zu anderen APSC-Systemen gehen, man denke da an Fuji X, Sony E-Mount und Canon EOS M beispielsweise. Nikon vermisse ich ja nach wie vor… Na gut. Welches System da welche technische Leistung bringt ist mir teilweise ziemlich „wumpe“. Letztlich sind sie sich inzwischen alle ziemlich ähnlich geworden in dem, was die Kamera liefert. Für mich trennt sich da die Spreu vom Weizen, wenn es um solche geschmacklichen Sachen geht wie Haptik, „user interface“ und dergleichen. Ich sah die Ankündigungen der Leica CL und fand die sofort chic. Nachdem ich vor einer Weile mal eine Leica X2 in Händen hielt, dachte ich daran, solch eine Haptik womöglich in der CL auch wiederzufinden. Nur gibt es für mich ein „Problem“ ich finde den Look von KB-Format (und seit meinem Rendezvous mit der Hasselblad X1D) und digitalem 44x33mm-Format einfach passender für mich. Zumeist greife ich zur Nikon Df, manchmal auch zu einer Sony A7. Die Nikon hat eine für mich sehr stimmige Haptik und einen phänomenalen Output. Die Sony hat den Vorteil des elektronischen Suchers… Beide KB-Format.
Tja, was tun? Eine CL besorgen und mal testen? Vielleicht irgendwann einmal. Ich erinnerte mich einfach an die Leica SL – die müsste doch eigentlich meinen Wünschen entsprechen, oder? Kleinbild-Format, spiegellos, wetterfest, angeblich genialer Sucher und eben gute Haptik… Ist eigentlich nur die Frage, ob sie den Output der Df erreichen kann (ich meine solche Sachen wie Farbstabilität und Rauschen bei ISOloser Fotografie, Dynamik im weitesten Sinne, also quasi die Dehnbarkeit der Rohdaten).
Dank Mehrdads Verbindung zu Meister Kamera in Berlin, denen ich an dieser Stelle einmal ganz besonders danken möchte(!), konnten wir einen mehrtägigen Test arrangieren: Eine Leica SL mit dem Vario-Elmarit 24-90mm f2.8-4 – letztlich sozusagen die SL mit dem Kit-Zoom. Preislich zwingt das schon mal zum kräftigen Durchatmen und eigentlich wollte ich ja nur meine geschätzten Zeiss-Objektive an diesen Body adaptieren. Es war mir leider nicht möglich einen entsprechenden Adapter aufzutreiben, also musste ich mit dem Leica-Zoom vorlieb nehmen, was die Vergleichbarkeit aus Nikon Df mit Zeisslingen und der SL mit Leica-Zoom entsprechend schon mal einschränkt. Macht aber nix, ich teste eh kaum in technischer Manier.
Als Mehrdad mir die Kombination in die Hand drückte, sagte er nur: „Ist schon ein Brocken.“, was ich sofort bestägen konnte/musste. Als DSLR-Nutzer mit Zeiss-Objektiven ist man ja einiges gewohnt, daher war es nicht so „schlimm“. Hauptsächlich ist gefühlt auch das dicke Zoom dran schuld. Die Kamera selbst balanciert eigentlich ganz gut in der Hand und auch wenn ich anderswo gelesen habe, dass der Griff doof sei, finde ich den gerade gut. Simpel, direkt und nicht zu klein. Knöpfe sind recht frei belegbar in ihrer Funktion und daher sinnvollerweise auch gar nicht erst beschriftet. Man muss sich halt 7 Knöpfe einprägen, ist ja nicht schlimm.
Sooooo, und jetzt der Umgang damit… Ist schon lustig. Jedesmal holt man diesen fetten Brocken aus der Tasche und die Leute gucken gleich: „Profi“ und reagieren auch entsprechend. Da steht richtig groß Leica drauf und das scheint etwas mit den Menschen zu machen. Ich habe mir den Spaß erlaubt, bei Filmdreharbeiten in unserem Hause zu fotografieren. Zunächst bin ich zu einer Personengruppe mit einer Fuji X-E1 und dem 18-55mm Kit-Zoom gelaufen und da denken sie du bist der nächste Tourist, der einen Schnapper machen möchte und lassen nicht viel blicken. Mit der Nikon Df und einem 100er Zeiss Milvus (inklusive ZEISS-Schultergurt 😉 ) bin ich dann zu den nächsten gelaufen und die ließen sich bereitwillig fotografieren bzw akzeptierten mich als Fotografen sofort und die Kameraleute (ZEISS Compact Primes auf Arriflex 😉 ) unterhielten sich gleich mit mir. Und wenn man dann mit der großen SL und dem dicken Zoom auftaucht und der rote Punkt samt „Leica“-Schriftzug erscheint, ist die Tür offen für Gespräche mit Schauspieler wie Technikern gleichermaßen. Hochzeitsfotografen, die mit Fuji arbeiten, können manchmal ein Lied davon singen, dass man unter Umständen auch mal nicht als „Profi“ akzeptiert wird, wenn der falsche Kameragurt dran ist… Hier war es nicht anders sozusagen. Manchmal ist das ja ganz praktisch als „offizieller“ Fotograf wahrgenommen zu werden. Lässt man dann noch die eckige Gegenlichtblende, die bei 24mm in den Rohdaten übrigens die Ecken beschattet (Leica, echt jetzt?!), drauf, hat man da schon ein kleines Monster dabei. Macht aber nix – mit der Df und dem Otus 55mm komm ich auch nicht subtil daher – man sieht: Es muss nicht unbedingt Leica sein. 😀
Aber eine große Leica hat nicht nur Vorteile: Ich fotografiere ja manchmal auch im Hochformat und das mach ich quasi falsch, nämlich mit dem Ellenbogen oben. Das treibt einem diese Kombination bald aus. Ich bin ja nicht schwach auf der Brust, aber naja. Es ist kein leichtes Gerät, was Mehrdad ja bei seinem Ausprobieren vor längerer Zeit schon die Freude an der Kamera ausgetrieben hatte. Ich habe beispielsweise gemerkt, dass mein Stativkopf von der Frontlast des Objektivs im Hochformat überfordert war – nicht cool. Angeblich hält der 9kg… ggf muss Rollei da die Angaben mal korrigieren…
Letztlich hatte ich bereits am zweiten Tag die blinde Bedienung so ziemlich drin. Die Entscheidung, den On/Off-Schalter auf die linke Seite zu setzen, versteh ich nicht ganz. Das führte dazu, dass ich beim Rausnehmen der Kamera einfach einmal eingeschaltet habe und dann die Energiespareintellungen auf die kürzesten Zeiten gesetzt hab. Dadurch ging die Kamera nach einer Minute ins Standby – sie wacht sehr schnell wieder auf und zieht auch kaum am Akku in dieser Zeit. Definitiv reisetauglich.
Was ich an der SL wirklich mag… ist ganz schön viel. Allem voran der fantastische elekronische Sucher. Hell, klar, perfekte Lösung für Dioptrien-Einstellung. Schön weit abstehend damit man keine Nasen-OP benötigt. Richtig glänzt sie bei Langzeitbelichtungen (auch wenn ich es nicht gefunden habe, wie man die Rauschreduzierung ausschalten kann). Einfach, dass man endlich mal eine Kamera hat, die auch über die typischen 30 Sekunden hinaus berechnet und selbständig mal 48 Sekunden belichtet. Bei den ersten paar Sekunden sieht man auf dem Display, wie die Zeit rückwärts gezählt wird, dann bei den letzten Sekunden wieder. Zwischendurch stellt sich das Display ab – was dann als Streulicht nicht zu sehen ist – prima! Der Griff – liegt super in der Hand. Die Knöpfe und Rädchen liegen alle genau richtig. Die Oberflächen waren auch bei -13°C ganz prima. Da ist alles richtig.
Die Menüstruktur wird von vielen ja bei Leica immer gelobt. Ich fand sie nicht so toll. Wenn man sich mal eine Stunde mit der Kamera hinsetzt, kann man aber die Zerklüftung in „Kamera, Aufnahme, Setup“ umgehen, wenn man die „Favoriten“ genauer festlegt. Dann macht die Kamera bei Einstellungen auch wieder Freude. Anfangs habe ich mit Mehrdad viel gelacht, wenn wir uns fragten, wie wir nun diese oder jene Funktion versehentlich aktiviert hatten, oder warum das Fokuspeaking zu sehen ist, wenn man es doch ausgeschaltet hatte… (Tjaaaa, muss man drauf kommen, dass es im Live-View einzeln abgeschaltet werden muss.). Die Implementierung der Sucherlupe ist nicht gelungen, finde ich. Zwei mal auf eine Taste drücken um es überhaupt zu aktivieren… Ok. Finde ich bei Sony schon schei… nicht gut. Aber bei Leica liegt es unten links auf der Taste. Links… und ich konnte das nirgends ändern. Ätzend!!! Denn letztlich brauche ich die Lupe beim manuellen Fokussieren und das mache ich mit links. Da will ich mit rechts die Lupe aktivieren können. Angeblich springt die Kamera ja bei Verwendung des M-Adapters automatisch in die Lupenfunktion, wenn man an der Linse dreht. Ist das so? Wäre das bei einem originären Nikon-Adapter auch so? Dann wäre ich beruhigt, denn das ist leider ein Ausschlusskriterium für mich. Die Leica SL macht für mich so dermaßen viel richtig, dass ich sehr traurig wäre, wenn das mit der Lupe nicht funktioniert.
Was mir in der Bearbeitung der Rohdaten auffiel, ist, dass die Dehnbarkeit recht hoch ist und etwa der M10 entspricht. High-ISO ist im Übrigen „ok“. Da reißt sie vor der Nikon Df nicht aus – das wird allerdings auch schwierig. Bei ISO25000 fängt bei der SL das Banding an, was schade ist, denn das Rauschen bei höheren ISO hat einen schönen Touch von Filmlook. Insbesondere die Farbtreue in der Bearbeitung gefällt mir. Mit Capture One 11 harmonieren die Daten prima, speziell beim Weißabgleich übertrifft die SL in meinen Augen sogar die Nikon Df. Die Sony A7 nehme ich nicht so sehr in den Vergleich hinein, da ich das user interface so doof finde, dass ich diese Kameras gar nicht erst nebeneinander stelle. Mit der Sony überlasse ich viel den Automatiken und mach „Schnappschüsse“, aber eben mit KB-Format und EVF.
Na gut, was bleibt als Fazit? Die Leica SL ist eine Kamera, die mich positiv überrascht hat. Ich finde sie toll – für mich eine ideale Ergänzung zu meinen ZEISS-Objektiven, denke ich. Das Vario-Elmarit ist toll, aber verzeichnet mir zu sehr unter 30mm. Fokussieren war übrigens seeeehr schnell bei der SL im AF-Modus. Ich würde gern eine bessere Lösung für die Lupe haben, dann ist die SL (auch wenn vermutlich bald ein Nachfolger ins Haus steht) definitiv ein Kauftipp.
Bilder anklicken, groß anschauen, freuen.
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Hallo Elmar,
Die Sucher-Lupe funktioniert auch wenn du die 5-Wege-Taste rechts oben benutzt. Ich Arbeite viel mit Leica M Objektiven und Zeiss-Objektiven an meiner SL. Besonders das Zeiss Distagon 2,8/15 ZM macht hierbei viel Spass. es funktioniert tadellos. Die Kamera springt nicht, so wie die M, automatisch in die Lupenfunktion.
Hallo Sven,
hab vielen Dank! Das war dann ein sehr teurer Kommentar für mich, denn diese Funktion konnte ich nicht heraufbeschwören und sie ist für mich ein Ausschlusskriterium beim Kamerakauf… 😉 Letztlich arbeite ich zu 99% mit manuellem Fokus (normalerweise), und da wiederum mit Sucherlupe. Wenn das mit einer einzelnen „Daumenaktion rechts“ gemacht werden kann, wird die SL für mich doch seeeeehr interessant.
Hallo Elmar,
Passe aber auf…. seitdem ich die SL habe steht die M nur noch im schrank…;)
Ha! Das glaube ich gern! Mehrdad und Feyzi schütteln jetzt sicher gewaltig die Köpfe. 😀
Hallo, Elmar,
wir (meine Frau und ich) nutzen die SL mit R-Objektiven und die Sucherlupe so wie von Sven Jäger beschrieben auf der 5-Wege-Taste, denn AF-Objektive von Leica haben wir nicht. Es ist ein wunderbares Arbeiten und nach dem von Dir beschriebenen „Durchatmen“ kam bei uns der Verkauf einer kompletten Canon-Ausrüstung, da anderenfalls die SL nicht machbar gewesen wäre. Wir haben es nie bereut und wünschen viel Spaß mit der SL für Dich.
Danke, Reinhard! Es verdichtet sich immer mehr in Richtung der SL…:-)
Hi,
dass man nur mit „dicken Boliden“ als Profi ernst genommen wird, kann ich nicht bestätigen. Ich arbeite seit Mitte 2016 ausschließlich mit dem X-System in der Industriefotografie, und ich kann keinerlei Unterschied in der Akzeptanz zu vorher (Canon 1Dx usw.) erkennen.
Die SL ist zweifellos eine sehr gute Kamera – das sie so ein Trümmer geworden ist (bei Größe und Preis), ist für mich allerdings ein echtes Manko.
Viele Grüße
Christian
Hallo Christian,
Nur mit dicken Boliden wirklich nicht. Mir erging es halt diesmal so. 🙂
Viele Grüße!
Elmar
Hallo, Elmar!
Gerade lese ich Deinen interessanten und unterhaltsamen Bericht über die Leica SL mit dem Vario-Elmarit-SL 1:2,8-4/24-90 ASPH., wozu ich etwas anmerken möchte.
So wie ich es verstehe, geht der auch von Dir festgestellte Bildkreisbeschnitt bei 24 mm nicht auf die Streulichtblende zurück, sondern zeigt sich ohne die zwingend in der Raw-Entwicklung anzuwendende Verzeichnungskorrektur (damit sollte es in dieser Hinsicht nichts zu bemängeln geben); gut zu sehen an einem Beispielbild in Lloyd Chambers‘ Test (kostenpflichtig), worin das Objektiv übrigens wenig vorteilhaft wegkommt. Da jeder Eingriff in die Pixelstruktur die Qualität beeinflußt, sei einmal dahingestellt, ob das gegenwärtig als vorteilhaft betrachtete Konzept (mehr Freiheitsgrade in der Korrektur der übrigen Bildfehler) auch das Potential eines künftigen höherauflösenden Sensors trägt.
Tschüs, Rainer
Hallo Rainer,
Danke für die Info! Ich hatte das auch schon im Verdacht. Eine dermaßen starke Korrektur bei 24mm hätte ich nicht erwartet – interessant!