Regelmäßige Leser dieser Website kennen inzwischen die Serie zum „heritage“ aus alten Objektiven beziehungsweise älteren Objektivrechnungen. Normalerweise würde man ja „legacy lenses“ schreiben, mir war allerdings der Gedanke des Erbes, der da mitschwingt, wichtig. Letztlich werden alte Objektivrechnungen erneuert und verbessert. Das Rad wird nicht immer neu erfunden – und das ist ja auch gut so. Viele von uns sind aufgewachsen mit bestimmten Bildern, einem bestimmten Look. Da wird man gleich nostalgisch, wenn der mal wieder auftaucht. Warum aber nicht gleich selbst so fotografieren und alte Schätze nachnutzen?!
Nicht alle der Objektive, die ich für die heritage testen möchte, habe ich selbst vorhanden – manche Contax Linsen schon, allerdings habe ich auch nach links und rechts schauend noch ein paar mehr Interessenslagen entwickelt.
Eines der Objektive, die ich zum Ausprobieren erfragte, ist das Zeiss C Biogon 35mm f2.8 ZM. Ich hatte bis dato noch keine ZM Linse für einen längeren Zeitraum probiert (immer nur kurz) und war gespannt, als die Zusage dann kam. Das C in der Bezeichnung des Objektivs steht für „compact“ und als Kenner von spiegellosen Kameras weiß ich, dass die Objektive zumeist deutlich kleiner sind als die entsprechenden Objektive für Spiegelreflexkameras. Dennoch war ich sehr überrascht wie klein das Objektiv dann tatsächlich ist. Mannomann.
Blendenring ganz vorn und Fokusring mit Tab etwas näher zur Kamera – genau umgekehrt zu dem, was ich sonst gewöhnt bin. Am ersten Tag verstellte ich versehentlich manchmal die Blende, aber der richtige Umgang wurde dann doch schnell zur Gewohnheit. Etwas, hmm, „friemelig“ finde ich die Compactbauweise allerdings schon. Die Vorteile der einfachen Transportabilität und des geringen Gewichts sind schon schwerwiegend. Allerdings komme ich mit meinen Händen (Handschuhgröße 9 bis 10) schon an meine Grenzen. Ich mag es da etwas größer. Aber man gewöhnt sich dran.
Immerhin sind Blenden- und Fokusring deutlich haptisch unterscheidbar (wenn man es erstmal weiß) und dann passieren nach kurzer Zeit auch keine Fehler mehr. Maßgeblich für meine Erfahrung mit dem 35mm Biogon ist das fotografieren in der winterlichen Zeit bei rund -8°C. An jenen Tagen mit einem Objektiv zu arbeiten, das eine metallene Oberfläche hat, war interessant. Kalte Finger vorprogrammiert. Aber was soll’s?! Wenn das Ergebnis stimmt, sollte alles in Ordnung sein!
Wichtig ist natürlich, dass sich das Objektiv nicht nur gut anfühlt und nutzen lässt, sondern auch gute Ergebnisse liefern kann. Hier bin ich bei solch kleiner Bauweise erstmal skeptisch gewesen. Zugegeben sind die meisten Hersteller unterdessen in der Lage, wirklich hochwertige Objektive zu kreieren und das in allen Größen und Formen. Eine 35mm Brennweite bei Blende f2.8 ist nichts, was man extra groß bauen wird – vor kurzem habe ich mir ein Sony/Zeiss Sonnar 35mm f2.8 gegönnt für den gelegentlichen Autofokuseinsatz. Es ist klein, leicht und sauschnell zu fokussieren (bin AF aber nicht gewöhnt, muss man bedenken). Das Sonnar kommt mit fantastischer Schärfe daher… und das Biogon ist nochmal deutlich kleiner. Hmm. Und war da nicht was zu lesen von wegen die Biogone funktionieren nicht so gut „auf digital“? Ich weiß es nicht mehr. Auffällig ist jedoch eine massive Vignette bei Offenblende. Ich geb’s zu, ich steh drauf – hier war es manchmal ganz schön heftig.
Letztlich gefällt mir die Bildwirkung des kleinen Giganten doch sehr. Leichter 3D-Pop, scharf ist es auch (ob bis in die letzten Ecken interessiert mich im „real life“ eher weniger. Es ist da scharf, wo es sein soll. Das Objektiv macht sicher auf einer Messsucherkamera richtig Spaß – kann ich mir vorstellen. Wenn mein lieber Kollege Mehrdad hier endlich seine M10 hat, kann ich das vielleicht mal ausprobieren – wer weiß?!
Ob man das Biogon getrost kaufen kann für moderne Kameras – klar! Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt und was man sonst so fotografiert. Als kleine und sehr leichte Ergänzung zu einem bestehenden Fuhrpark kann ich es mir sehr gut vorstellen. Ebenso, wenn man beispielsweise eine Zeiss Ikon, Bessa oder eine Leica mit Messsucher nutzen möchte, kann das Objektiv auch gut als einziges 35mm in der Tasche herhalten. Letztlich wirkt es sehr robust und geeignet für „alles mögliche“ – Fotografen kennen und schätzen die 35mm Brennweite am Kleinbild schon sehr. Das C Biogon 35mm f2.8 ist definitiv kein Spezialist, eher ein „Allrounder“ und genau das macht es interessant für mich.
Elmar
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Hallo Elmar,
mit dem 35er C-Biogon war ich im März ein paar Tage in Paris. Über tausend Bilder und nahezu alle (>99%) sind mit dem C-Biogon an meiner Leica M9-P entstanden. Ein wirklich tolles Objektiv!
Viele Grüße,
Ralf
Hallo Ralf,
das 35er C-Biogon ist eines der Objektive, die während des Fotografierens irgendwann einfach verschwinden. Man nutzt sie ohne großartig darüber nachzudenken. Sie liefern und man kann quasi blind damit umgehen. Eine Eigenschaft, die ich bei solcherlei Gerät sehr schätze.
Viele Grüße!
Elmar
Elmar, was hast du für einen Adapter benutzt? den original Fuji oder einen China?
Hallo Gerd, ich habe einen Kipon Adapter genommen. Den Fuji habe ich leider nicht, der Kipon bietet bis auf die elektronischen Funktionen aber vollwertige Qualität.
Viele Grüße! Elmar