Meiner Meinung nach gibt es kaum etwas Bereichernderes als zu reisen. Wenn man dann noch Beruf und Berufung miteinander kombinieren kann, unabhängig davon, ob man als Profi oder Amateur fotografiert, ist das das Tüpfelchen auf dem i.
Wenngleich ich ein professioneller, jedoch statusloser Vielflieger bin, empfinde ich jede Reise als eine neue Herausforderung und ein neues Abenteuer. Dieses beginnt spätestens dann, wenn ich unter den riesigen Flügeln neben den nicht minder großen Triebwerken entlanglaufe, die meine Körpergröße von 186cm plötzlich relativ klein erscheinen lassen. Eingerahmt von den Geräuschen des Windes, der die Motorblätter rotieren lässt und ein gleichmäßiges Klackern hervorruft, das schön und beruhigend anzuhören ist. Im Gegensatz dazu steht die ohrenbetäubende APU am Heck des Flugzeugs, die einmal mehr eindringlich verdeutlicht, warum die Crew auf dem kurzen Weg ins Flugzeuginnere Ohrstöpsel mitführen sollte.
Paradoxerweise empfinde ich den Moment kurz vor dem Abheben des Flugzeugs, wenn die Triebwerke immer schneller rotieren und sich eine Art Donner ausbreitet, als den leisesten Moment. Alle Menschen an Bord, ob Passagiere, Flugbegleiter oder Piloten, sind gänzlich auf den Start konzentriert. Selbst kleine Babys sind während dieser Phase ruhig. Wären die Triebwerke nicht so geräuschgewaltig, könnte man eine Stecknadel fallen hören.
Bedingt durch meinen Beruf bin ich in der glücklichen Lage, das Cockpit eines Flugzeugs auch während des Flugs betreten zu dürfen. Zweifellos der schönste Arbeitsplatz, da die Aussicht, die sich dort bietet, sprichwörtlich atemberaubend ist. Die farbenprächtigen Sonnenauf- und untergänge rufen ein Gefühl von Demut hervor, und so werde ich nicht müde, sie immer und immer wieder auf den digitalen Sensor zu bannen.
Die Welt von oben zu betrachten und beschreiben, ist eine Gratwanderung zwischen Rationalität und Schwärmerei. Begriffe wie Schönheit, Ruhe und Frieden, aber auch Naturgewalt kommen mir in den Sinn. Majestätische Gebirgsketten, in denen sich womöglich noch Wolken verfangen, wirken malerisch und verträumt. Die näher kommende Gewitterwolke hingegen ist imposant und auf gewisse Weise faszinierend schön zugleich. Nicht selten fehlen mir die Worte und ich staune mit offenem Mund.
Das Cockpit, das bei Tageslicht mit seiner Vielzahl an Knöpfen, Schaltern, Hebeln und sonstigen Bedienelementen wie ein Kontrollzentrum wirkt, erinnert in der Nacht bisweilen an eine Weihnachtsbeleuchtung. Spätestens wenn sich die frommen Gesänge in Fachchinesisch verwandeln, heißt es für mich als Cockpit Gast, der auf dem sogenannten Observer Sitz der Landung beiwohnen darf, ruhig zu sein. Die Konzentration der Piloten ist zum Schneiden greifbar. Und ich bin mittendrin. Außer dem Funk und den Fliegervokabular hört man nur noch das Klicken meiner Kamera.
Das Reisen inspiriert mich immer wieder von neuem. Im selben Monat mit dem Fahrrad über die Golden Gate zu fahren und bei Göteborg die Schären zu genießen. In Kamakura, nahe der Megametrople Tokyo, den Bogenschützen (Kyūdō) bei ihren konzentrierten Abläufen zusehen zu dürfen, um dann beim nächsten Einsatz in Hamburg an den Landungsbrücken entlang zu spazieren, ist ein wirklich besonderes Privileg, dessen ich mir bewusst bin.
Meine Arbeit, das Reisen, hat einen sehr entscheidenden Einfluss dabei auf meine Fotografie genommen. Während für mich als Berliner Urgestein mein Tätigkeitsgebiet überwiegend lokal begrenzt und allenfalls um die Portraitfotografie ergänzt war, hat mir das Reisen im sprichwörtlichsten Sinn ermöglicht die Welt über die Street- und Landschaftsfotografie zu erfahren.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, indem ich behaupte, dass das Reisen mit seinen vielfältigen Reizen und Impulsen mich stetig in meiner Art der Fotografie hinterfragt und immer wieder aufs neue herausfordert.
Ich bin ein Reisefotograf und meine Arbeit erlaubt mir jedesmal, ein Stück weiter in die jeweilige Kultur, die Sehenswürdigkeiten, die Landschaft und all die tollen Orte vorzudringen und sie für mich immer weiter zu erkunden.
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Sehr schöner Artikel! Toll geschrieben, fantastische Aufnahmen!
Danke Dir Ben!
Schön das Dir der Post gefällt.
Hallo Mehrdad.
Schön geschrieben und – wie immer – ergänzt mit wunderbaren Aufnahmen. Es freut mich, dass Du hier Deine „Erfüllung“ gefunden hast (sofern ein Beruf das leisten kann). Und an dieser Stelle ein dickes „Danke“ dafür, dass Du uns mit Deinen Bildern auf Deine Reisen mitnimmst.
Viele Grüße
Matthias
Danke Dir Matthias, es freut mich das Dir der Post gefällt.
Tatsächlich kann ich mir für meine Fotografie derzeit keinen besseren Job vorstellen. 😉
Hallo Mehrdad
Bei einigen Deiner Fotos ist der eingefange Moment einfach nur wunderschön. Mein Favorit, das schwarzweiss Foto mit der Skyline im Hintergrund und dem angelenten Mann. Danke und weiter so.
Gruss
Maurizio
Ciao Maurizio, danke Dir!
Ganz großes Kino mein lieber!
Danke Dir Pejman jaan!
Toller Artikel, der meinen ähnlichen Gedanken entspricht ? Bin sehr dankbar die gleichen Möglichkeiten zu haben, nur halt von einem anderen Flughafen aus…
Danke Pablo! Von welchem Flughafen fliegst Du denn? Frankfurt?
Ja 🙂 wobei es mich evtl. noch dieses Jahr nach München verschlagen kann…zumindest vorübergehend.
Was für eine super Bilderstrecke. Besser geht es kaum…
Wünsche noch viele weitere gute Reisen und entsprechende Ziele!
Danke Milan!