Heute haben wir wieder einen recht besonderen Gastbeitrag wie wir finden für Euch. Matz Binder, ein alter Freund von uns hier auf Qimago, ist Hobbyfotograf und ein wahrer Fachmann in Sachen analoge Fotografie. Wir bei Qimago haben viele Filme bei ihm entwickeln lassen und neuerdings ist er ein wahrer Meister in der Restaurierung alter analoger Messsucherkameras. Bei einem Telefonat kürzlich zwischen ihm und Mehrdad hatte er eine Idee. Liest am besten selber:
Ein bisschen Quatschen unter Fotobuddies und es dreht sich eigenartigerweise irgendwie immer um Fotografisches. Equipment, Motive, Reisen und eben hin und wieder das Spezielle. Nicht weniger eigenartig sind dann die spontanen Superideen. Kurz gesagt: Mehrdad suchte nach einem kompakten und analogen Meßsucher. Nichts Großes, aber von der Sorte, die einem Fotografen auch Spaß macht. Natürlich fiel mir spontan die Canonet G-III QL 17 ein und eben noch spontaner kam die Idee, für Mehrdad extra eine Kamera aufzubauen.
Es geht doch nichts über die richtige Herausforderung. Und wie schlimm kann’s schon werden? Ok, die ausgesuchte Kamera hat ein paar Defekte: Die Blende steht in einer Stellung fest und der Verschluss bewegt sich keinen Millimeter (scheinbar total verharzt). Naja und der Belichtungsmesser zeigt nichts mehr an und verhakt sich. Vielleicht klingt die Kamera auch eher nach einer Kaffeemühle, wenn man den Transporthebel bewegt und dass man durch den Sucher nicht mehr viel erkennen kann, ist schon nicht mehr erwähnenswert. Hab ich schon erwähnt, dass die Linse so aussieht, als wäre ein Staubsaugerbeutel detoniert?
Tag 1 – Alles halb so wild, ran ans Werk. Die Motivation stimmt schonmal. Schritt Eins ist also: Alles genau inspizieren. Bei der G-III ist die erste Amtshandlung, den Belichtungsmesser auf elektrischen Durchfluss bzw. Widerstand zu messen: 967 Ohm – Gott sei dank, das Instrument ist elektrisch in Ordnung. Spannung im A Modus: 0 Volt – Mist, das Ding bekommt keinen Strom. Vielleicht sollte ich mir mal das Batteriefach ansehen… Oh weia: Die Kontakte und Verdrahtung sind wegkorrodiert. Kein Problem und daher Werkzeug in die Hand, Lötkolben anheizen und 15 Minuten später liegen saubere 1,47 Volt an und die Nadel schlägt fast aus. Ja, ja das Problem mit dem Exzenter. Ich erspare Euch das jetzt im Detail. Mit einem feinen Schraubendreher ist das schnell erledigt. Jedenfalls lässt sich der Auslöser nun wieder in A und M komplett durchdrücken.
Endboss 1 geschafft, daher auf zu Level 2. Raus mit den Linsen. Meine Güte sind die Gläser verschmutzt und die Blende lässt sich per Hand nur mit Gewalt bewegen. Der Verschluss bewegt sich nicht einmal mit manueller Unterstützung. Ein Bad in Isopropanol wirkt allerdings wahre Wunder. Nach diversen Bädern und Trocknungen flutscht die Blende wieder wie am ersten Tag und wenig später öffnet sich auch langsam der Verschluss wie ein erwachender Zyklop. Nach einer peniblen Reinigung funktioniert alles wieder und der Verschlußzeitentest offenbart, was ich von diesem Copalverschluß erwarte: Perfektes Timing. Leider ist das hintere Linsenelement verschmutzt. Es hilft nichts: Die Objektiveinheit muss ausgebaut werden, also muss das Leder runter.
Tag 2 – Das Leder ist weg, die Linsen komplett gereinigt und alles wieder zusammengesetzt. Es kann mit der Kosmetik weitergehen. Die Canonet soll schließlich hinterher wieder aussehen wie neu.
Jede Menge Öl und Fett wandern in die gereinigte Mechanik. Die Kaffemühle ist Geschichte und ein leiser, sonorer Filmtransport ist der Lohn der Mühen. Da die Linsen komplett auseinander waren, muss gemessen werden. Ohne meinen Autokollimator wäre eine solche Reparatur in Kamikaze Unternehmen.
Nach guten 45 Minuten des Feinjustierens des Linsensystems, erscheint im Okular des Messgerätes ein perfekter, scharfer grüner Leuchtpunkt und ich lehne mich entspannt zurück. Punktsieg, würde ich sagen. Jetzt fehlt also nur noch das Leder, die kosmetische Behandlung und die Endmontage. So wie es scheint könnte ich mir jetzt auf die Schulter klopfen und mir zu meinem epochalen wie gleichsam erwarten Erfolg gratulieren.
Tag 3 – Die Katastrophe. Nach einer Reihe routinierter Montagearbeiten, ist die Kamera gerade soweit wieder zusammengesetzt, dass es Zeit für einen ersten Test ist. Aber kaum, dass die Batterie eingelegt ist, knallt die Nadel des Belichtungsmessers in den Endanschlag. WTF?
Es folgt nun ein typischer Matz, dessen Gedanken sich tief in einer Verschwörungstheorie des kamerainternen Widerstandsnetzwerkes eingraben. Ein Netzwerk, was natürlich tief im Inneren des Objektives liegt, weswegen man nur eins machen kann: Alles wieder auseinander bauen!
In der Zwischenzeit schiele ich in meiner Verzweiflung auf eine andere Canonet G-III in meiner Werkstatt und fasse schon den Notfallplan, Mehrdad einfach eine andere Kamera unterzujubeln, denn ich finde den Fehler einfach nicht. Ich vermesse jeden Kontaktpunkt, kontrolliere jede Schraube und könnte fast *#%&§$ bei dem Anblick der demontierten Linse, die ich vorher so perfekt eingestellt hatte. Ich muss Feierabend machen. Am besten eine Nacht drüber schlafen und vor allem erstmal den Arbeitsplatz aufräumen. Aufräumen beruhigt ungemein. Bis zu dem Punkt, wo ich neben einer Tube Klebstoff eine hübsche Metallscheibe finde, die zufällig genauso aussieht wie die Verschlusszeitenscheibe für die CDS Zelle einer Canonet G-III…
Es ist so um 22:30, als ich kurz davor bin durchzudrehen. Ich Dussel habe ein simples, unscheinbares Teil beim Zusammenbau vergessen. Das Teil, was je nach gewählter Verschlusszeit die Lichtmenge, die auf die Meßzelle fällt, reduziert. Ohne diese Scheibe bekommt die Zelle zu viel Licht. Der Belichtungsmesser muß also voll ausschlagen.
Nachdem mein Puls wieder auf unter 300 gefallen ist, baue ich alles wieder korrekt zusammen. 0:04 Uhr – Die Canonet funktioniert vollständig – Gute Nacht.
Tag 4 – Das Finale. Mehrdad bekommt Leica-Style Leder auf seine Kamera. Das Kunstleder ist eine schwere und tolle Qualität, lässt sich aber sehr schwer schneiden. Hier hilft nur noch ein Chirurgenskalpel. Ein Cuttermesser hat keine Chance. Nach der Belederung kommt eine finale Reinigung. Jetzt wird auch erst der Meßsucher von seinem Belag befreit und auf das Objektiv eingestellt.
Und da steht sie nun. Sieht aus wie neu und hat den ersten Testfilm erfolgreich belichtet. Aus Pingeligkeit habe ich den Deckel nochmal geöffnet, um den Belichtungsmesser ganz fein nachzujustieren. Und das Objektiv habe ich dann auch nochmal nachjustiert, weil die Rücklinse nicht optimal positioniert war.
Die Mehrdadcam wird mir sicher nicht mehr aus dem Gedächtnis gehen. Normalerweise hätte ich eine Kamera in dem Ausgangszustand als Ersatzteillager verwendet, aber eine Geschichte entsteht nicht, wenn man immer nur den einfachen Weg nimmt. Auf die ersten Bilder bin ich schon sehr gespannt.
Wer mehr über Matz erfahren will oder gar selber auf der Suche nach so einer Kamera ist oder einfach auf der Suche nach einem guten „Schrauber“ für seine analogen Schätze ist der kann Matz auf folgenden Kanälen gut erreichen:
website: http://lichtgriff.de
Instagram: https://www.instagram.com/matzbinder/
Leave a reply
Aufgrund eines früheren Beitrags auf dieser Seite, habe ich gerade eine Revue 400SE 25 bei Matz Binder in Behandlung. Ich glaube das war eine meiner besten Entscheidungen in meiner noch jungen Analogkarriere. Man erhält sogar eine laufende Foto-Doku während der Revision !
Falls Mats dieses Buisiness ausweiten will, mache ich gerne Werbung für Ihn.
Gruss
Frank
Ja, support your local dealer….oder sowas. ?
Ich kenne Matz auch persönlich: Er ist ein Freak! @Matz im positiven Sinne!
Man kann sich bei Matz immer sicher sein, dass er mindestens 100% gibt und ne Schippe oben drauf packt er auch immer.
Deshalb war meine Empfehlung durchaus sehr ernst gemeint.