Ein Ultraweitwinkel an einer Leica M? Ööhm, kann man machen, warum auch nicht, aber ob das wirklich sinnvoll ist? Das wollte ich rausfinden. Ich bat also Zeiss Deutschland, mir das wirklich interessante Zeiss Distagon 15mm f2.8 mit Leica M Anschluss zu Testzwecken zu zu senden. Und nett wie die Zeiss Leute nun mal sind hatte ich es pünktlich mit Erhalt meiner M10. An dieser Stelle ein dickes Danke an Dich, Jörn!
Bevor ich tiefer einsteige will ich kurz ein paar Worte darüber verlieren, weshalb ich mir diesen Exot eigentlich anschauen wollte. Denn man kann sagen was man will, dieses Glas ist an einer M eben doch was besonderes. An meinen Fujis nutze ich ja viele verschiedene Brennweiten, hauptsächlich im Rahmen von 14 bis 90mm Brennweite. Mehr Tele benötige ich selten und weiter ist für mich mit dem 10-24mm bei Fuji zwar grundsätzlich möglich, aber irgendwie bin ich ein Zoom-Meider. Also ist mit Fuji Glas für mich bei 14mm am APS-C Sensor Schluss. Leica selber bietet meines Wissens nichts weiter als 21mm für seine M-Serie an – außer vielleicht dem WATE? Da ich aber Zeiss Gläser generell sehr gerne mag und vor allem an meinen M’s, und ich neben Landschaften und auch Architektur recht gerne abblichte, hatte ich schon lange ein Auge auf das 15mm geworfen. An einer M muss man aber auch dazu sagen, ist alles weiter als 28mm im Prinzip Raten beim Bildaufbau. Es gibt natürlich auch Fotografen die Brennweiten weiter als 28mm an der M erfolgreich einsetzen. Bestes Beispiel ist da wohl Paul Ripke? Ich weiß gar nicht, ob der an seinen M’s was anderes als 24mm nutzt? Jedenfalls ist es möglich, aber dafür ist das System nicht konzipiert. Alles zwischen 28 und 90mm ist mit dem Messsucher mehr oder weniger gut nutzbar. Erst ab der M (Typ 240) gab es dann auch ein Lifeview über das rückwertige Display und erst ab der M10 macht es auch Spass, diesen dann zu nutzen. 😉 Es wurde also Zeit für das Distagon.
Neben dem Gewicht und der Größe erstaunte mich der beigefügte Center-Filter. Nach den ersten paar Aufnahmen allerdings war mir klar warum dieser Filter beilag. Das Glas Vignettiert und das im Prinzip egal wie weit man abblendet. In Lightroom zB. gibt es da von Adobe ein passendes Objektivprofil was diese Vignettierung gut ausgleicht, aber ich bin eher ein Freund der optischen Korrektur und nicht so der digitalen, weshalb ich den Filter im Prinzip die ganze Zeit drauf ließ. Er schluckt was um die 1,5 Blenden aber ich hatte nicht vor, Sterne bzw. bei schlechtem Licht zu fotografieren. Wobei, nun da ich jetzt so die Zeilen schreibe, sollte ich evtl. doch mal losziehen Sterne fotografieren? Bietet sich sicher gut an mit diesem Objektiv. Mal schauen, wenn ich noch dazu komme, reiche ich das nach.
Das nächste was mir auffiel ist, dass dieses Glas nicht messsuchergekoppelt ist. Dies ist in meinen Augen jedoch aus zwei Gründen nicht dramatisch: Zum einen ist schon bei Offenblende (f2.8) der Bereich 1m bis unendlich scharf und zum anderen muss man bei diesem Objektiv eh über das Display arbeiten um das Foto vernünftig zu gestalten und dann hat man bei der M (Typ240) und bei der M10 ja das Fokuspeaking. In meiner Vorbereitung dachte ich noch, dass ich dies als einen großen Nachteil empfinde, in der Praxis war das dann aber tatsächlich eher uninteressant. Schön ist die Naheinstellgrenze von 0,3m. Für alle die keine Messsuchererfahrung haben: Normalerweise ist bei 0,7m Schluss, einige wenige (Zeiss) Gläser haben dann auch mal 0,5m. Für mich einer der größten Nachteile des Messsuchers, jedoch konstruktionsbedingt kaum anders möglich.
Das Objektiv ist an der M natürlich schon ein ganz schön großes Teil, aber ich finde es sieht gar nicht mal so überdimensioniert aus. Zum Glück kann man sich über Geschmack (nicht) streiten. Ich glaube, das Thema Messsucherblockage interessiert eher nur theoretisch? Ich kann es nicht sagen, ich glaube ich habe nicht einmal durch den Messsucher geschaut, wenn das Glas montiert war? Warum auch? Ist bestimmt deutlich. Aber im Grunde eben vollkommen egal, da weder der Messsucher gekoppelt ist, noch der Ausschnitt sinnvoll genutzt werden kann.
Zeisstypisch: Bei ihren ZM Objektiven kann man die Blende in ⅓ EV Stufen von f2,8 bis f22 schließen/öffnen. Der Blendenring rastet sauber und deutlich ein, angenehm breit ist er, sodass die Finger ihn sofort finden. Der Fokus läuft sehr angenehm weich. Es macht sehr viel Spass, mit dem Objektiv zu arbeiten. Insgesamt merkt man ihm seine wirklich sehr hochwertige Verarbeitung an. Tolles Objektiv!
Nicht ganz so happy war ich in der Praxis mit der festverbauten Sonnenblende. Aber Zeiss und Sonnenblenden ist ja eh so ein Thema. 😉 Anyway, natürlich ist es im allgemeinen schon gut, dass bei diesem Objektiv einen Sonnenblende gleich mitgeliefert wird, nur gerade bei so einem Objektiv würde ich zum Beispiel gerne mein Lee-Filter-System nutzen wollen, aber das geht leider nicht, da dieses und ähnliche eben nicht kompatibel mit der festverbauten Sonnenblende sind. Das ist in meinen Augen schon eine Pille, die man schlucken muss. Denn gute Filter sind teuer, mal abgesehen davon, dass man dann wieder mehr zu schleppen hat.
In Sachen Bildqualität habe ich wenig auszusetzen. Diese ist wirklich auf sehr hohem Niveau. Das Objektiv ist offen schon richtig scharf, abblenden ist nicht wirklich nötig und dient eher der besseren Tiefenschärfe. Smearing ist leider in den extremen Ecken dennoch präsent. Dies fiel mir bei der Bearbeitung der Bilder auf, oft habe ich das in der Post eh leicht beschnitten, aber es ist eben existent. Zeiss-typisch schöne Mikrokontraste und auch die Farben mag ich persönlich sehr gerne. Konstruktionsbedingt überraschen die tonnenförmigen Verzeichnungen nicht, diese sind jedoch in LR mittels vorhandenem Profil gut zu korrigieren.
Allerdings ist mir eine Sache aufgefallen, die ich mir mit meinem (sehr kleinen) Fachwissen um Sensorentechnik und ihrem Zusammenspiel mit der Optiklehre nicht so richtig erklären kann. Sehr viele meiner Bilder zeigten am rechten Rand über die gesamte Höhe einen lila Farbstich. Ich kontaktierte also wieder einmal den von mir sehr geschätzten Michael Hußmann und bat ihn um eine Erklärung. Er schreibt unter anderem für das sehr beliebte Docma-Magazin und die LFI. Ich fragte ihn, woran das liegen könnte und erhielt als Antwort dieses hier:
„….Das Phänomen ist bekannt und es hat sogar einen catchy Namen: Italian Flag Syndrome. Es tritt typischerweise bei Weitwinkelobjektiven auf, bei denen zum Bildrand hin große Einfallswinkel auftreten. Die Ursache ist recht komplex und hat mit dem typischerweise asymmetrischen Aufbau der Sensorpixel zu tun. Ein Teil der Pixelfläche wird für die Verdrahtung statt zum Lichtsammeln genutzt, und diese liegt an einer Seite des Pixels. Wenn nun Lichtstrahlen im flachen Winkel auftreffen und daher bis zum Nachbarpixel durchdringen könnten, wird das in der einen Richtung durch die Verdrahtung blockiert, in der anderen jedoch nicht. Wenn ein falsches Pixel das Licht abbekommt, ist dieses ja für eine andere Farbe empfindlich, also Grün statt Rot, Rot statt Grün, Blau statt Grün oder Grün statt Blau – das Licht hat vielleicht ein Grünfilter passiert, wird aber von einem nominell rotempfindlichen Pixel registriert und daher fälschlich als rotes Licht gewertet. Da nun die grünempfindlichen Pixel die empfindlichsten sind und die Signale der rot- und blauempfindlichen Pixel zum Ausgleich angehoben werden müssen, führt die Registrierung des Lichts durch ein Nachbarpixel insgesamt zu einer Farbverschiebung in Richtung Rot und Blau – also Violett. Dieser Effekt tritt am einen Bildrand auf, am anderen aber nicht (oder vielmehr tritt dort der umgekehrte Effekt auf, nämlich eine Farbverschiebung Richtung Grün – daher die Bezeichnung „Italian Flag Syndrome“ nach den Farben der italienischen Flagge). Jedenfalls sind die flachen Einfallswinkel das Problem, und diese dürften auch für das Smearing verantwortlich sein. Da kann man nichts machen. Die Farbverschiebung lässt sich immerhin noch kompensieren…..“
Tatsächlich habe ich diesen lilastich, wenn er auftrat ganz gut wegbekommen mittels eines Verlaufs und dann anpassen des Weißabgleichs. Das mit dem smeraing durch croppen oder eben einfach damit leben.
Mein Fazit
Gleich vorneweg: Tolles Glas, das Zeiss Distagon 15mm f2.8 ZM, ich mochte fast alle Bilder, die ich damit gemacht habe. In der Summe mal als erste spontane Aussage: Ich würde es mir gerne kaufen, aber ich gebe zu, dass das Zeiss Distagon 15mm f2.8 gemischte Gefühle bei mir hinterlässt.
Auf der Haben-Seite steht die wirklich beeindruckende Bildqualität, sieht man jetzt mal großzügig über das leichte smearing und das „Italian Flag Syndrom“ hinweg. Die Schärfe, die Mikrokontraste, Farben, der eindrucksvolle Bildwinkel, die scheinbar für die „Ewigkeit“ gebaute Haptik des Glases, die schöne Naheinstellgrenze von 0,3m und die Anfangsblende von f2.8.
Die Nachteile aus meiner Sicht sind: Größe und Gewicht, die extra Kosten für den Center Filter, der immerhin bei was um die 500-600 Euro liegt. Etwaige Extrakosten für die Anschaffung weiterer Filter, da die festverbaute Sonnenblende nur Schraubfilter zulässt und hier wohl auch längst nicht alle (Variable ND-Filter zB.sind meist etwas größer als der Filterdurchmesser, das könnte schwer werden), das konstruktionsbedingte Smearing und am Ende für den Einsatz an einer M wohlmöglich nicht die günstigste Brennweite im allgemeinen. Natürlich geht das an der M10 sehr schön über das Display, aber manchmal hätte ich eben doch lieber den Sucher benutzt. Das Ganze mit einem Preisschild von ca. 4000 Euro ist schon eine Hausnummer, bei der die meisten Fotografen sehr genau die Vor- und Nachteile abwägen.
Ich ziehe ungern Preise in meiner Fazit Betrachtung mit ein, da ich der Meinung bin, dass hier einfach die Möglichkeiten möglicher Interessenten zu verschieden sind. Wo ich zB. jahrelang sparen muss, um mir die eine Kamera oder das eine Objektiv zu leisten, zahlt der andere das ohne dabei groß nachzudenken fast schon aus der Portokasse. So ist das Leben! Warum mache ich das also hier bei dem Zeiss Distagon 15mm f2.8?
Ich könnte ehrlich gesagt, mit den Nachteilen leben (das mit den Filtern nervt mich dabei am meisten), allerdings ist die M für mich eine Kamera, bei der ich im allgemeinen maximal auf 21mm Brennweite runter gehen würde. Mit dem 15mm Distagon an der M kann man schon sehr beeindruckende Aufnahmen kreieren, jedoch ist das System M hier für mich nicht das System 1. Wahl. Daher würde hier das Glas wirklich nur sehr gezielt eingesetzt werden und im besonderen finde ich den bereits an anderer Stelle mehrfach erwähnten Objektiv Rent Service von Zeiss sehr praktisch. Auf der Seite www.lens4rent.de können sich Profis und/oder Interessierte das komplette Zeiss Objektivsortiment unkompliziert leihen. Sei es für ein Projekt oder weil man erst mal selber testen will und es dann ggf. kauft. Insgesamt gute Sache und man kann da eigentlich nur gewinnen. Einfach mal probieren.
Am Schluss will ich Euch gerne noch mit ein paar Bildern aus der M10 mit dem Distagon 15mm f2.8 ZM zurück lassen. Venedig, Burano, Berlin, Bilbao, Bayern und Hamburg sind da zu sehen. Ein paar Tage darf ich es noch behalten. Ich versuche noch Mexico, Tokyo und noch ein paar schöne Städte Europas einzufangen. Ich werde diese dann hier einfach nachreichen.
Viel Spass mit den Fotos.
Leave a reply
Es gibt schon kürzere Brennweiten als 21 mm von Leica auch.
z.B.: Super-Elmar-M 18/3,8 oder eben das Tri-Elmar 16-18-21/4
Feiner Artikel!
Liebe Grüße,
Joachim
Interessant! Das 18mm Super-Elmar ist mir wohl entgangen.
Danke für den Hinweis.
„Lieber Mehrdad!
Zunächst vielen Dank für Deinen review, zumal das Distagon 15 ZM ansonsten kaum besprochen wird. Mechanisch ist das Objektiv hervorragend und auch die Farben gefallen mir sehr gut, etwaige Farbverschiebungen lassen sich m.E. durch einen Polfilter vermeiden oder in LR korrigieren.
Wer sich dieses Objekt zulegt, will auch die Lichtstärke von 2,8 nutzen (und zahlt dafür den Preis), vor allem für indoor Aufnahmen, wie z.B. in dunklen Kirchen. ZEISS verspricht auf der Produktseite eine „gleichbleibend hohe Abbildungsleistung bis in die Bildecken“. Da auch mein Distagon den von Dir beschriebenen „smearing“-Effekt aufwies, soweit es nicht abgeblendet wurde, habe ich mich an ZEISS gewandt. Das Objektive wurde im Customer Care Center von Zeiss neu justiert und das Auflagenmaß korrigiert. Nun ist mein Distagon scharf bis in die letzte Ecke, wobei natürlich der Mikrokontrast durch Abblenden gesteigert werden kann, aber die zuvor sichtbaren Verzerrungen, die in LR nicht korrigierbar sind, sind jedenfalls weg. Der sehr freundliche Mitarbeiter von ZEISS hat mir dann noch geraten, bei Offenblende keine Filter zu verwenden und immer manuell, d.h. bei der Leica M via EFV und Fokuspeaking zu fokussieren. Bei der Konstruktion eines 15 mm-Objektivs mit Lichstärke 2,8 und annehmbaren Volumen und Gewicht wird vermutlich bis an die technische Grenze gegangen und dann muss eben alles stimmen, von der Justierung bis zur Fokussierung.
Bei outdoor Aufnahmen und viel Licht, wird man sowieso abblenden und den mitgelieferten Centerfilter oder – wie ich – einen Polfilter verwenden, der auch die Vignettierung deutlich reduziert. Die erzielbare Qualität ist dann absolut erstklassig, was ich anhand von eigenen Ausdrucken bis A2 beurteile (gelegentlich gebe ich auch bis A0 in Auftrag).
Viele Grüße aus Köln, André“