Heute wollen wir eine neue Reihe starten. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen werden wir in Zukunft hier Interviews mit uns befreundeten, inspirierenden und/oder einfach interessanten Fotografen veröffentlichen. Beginnen wollen wir mit einem befreundeten Fotografen. Er ist wie Mehrdad auch offizieller Fujifilm x-photographer und hat diese Woche sein lang geplantes Projekt in einem Bildband zu einem Abschluss gebracht. Wir freuen Euch hier Martin Hülle und sein ganz druckfrischen Bildband „Mein Norden“ vorzustellen:
Martin Hülle (*1973) ist Fotograf und Autor. Seine Passion sind die abgeschiedenen Regionen des hohen Nordens. Seit über 25 Jahren durchstreift er Berglandschaften und Gletscherwelten im Sommer wie im Winter. Im vergangenen Herbst beendete er ein mehrjähriges Fotoprojekt – sein gerade erschienener Bildband Mein Norden zeigt die besten Aufnahmen und erzählt die Geschichten von elf Reisen.
Wann hattest Du Deine erste Kamera in den Händen?
Ui, das weiß ich gar nicht mehr. Irgendwann als Kind muss es gewesen sein. Aber meinen ersten eigenen Fotoapparat, den habe ich mir nach der Konfirmation gekauft – 1988 eine Nikon F-501. Dass es eine Nikon werden würde, war durch meinen Vater quasi vorgegeben, da er zu der Zeit schon einige Jahre mit dem System fotografierte. So hatte ich auch direkt Zugang zu diversen Objektiven und Zubehör.
Wie ist Dein fotografischer Werdegang? Und wann Stand Deine Entscheidung fest, mit der Fotografie Dein Geld zu verdienen?
Mein Vater war dann auch mein erster Lehrmeister. Mit ihm verbrachte ich Stunden in der Dunkelkammer und ich lernte, Schwarz-Weiß-Filme zu entwickeln und Abzüge anzufertigen. In der Schule war ich in einer Foto-AG, aber klassisch gelernt oder studiert habe ich Fotografie später nicht. Ich bin Autodidakt.
Parallel zu meinen ersten Schritten in der Fotografie kam bald das Reisen als weitere Leidenschaft dazu. Mit 17 Jahren zog ich erstmals alleine los und unternahm mehrtägige Wandertouren. Im Magazin outdoor veröffentliche ich darüber direkt eine Reportage und mein Weg schien sich sofort klar abzuzeichnen. Aber dann dauerte es doch noch eine lange Zeit, bis das Bildermachen der bestimmende Faktor in meinem Leben wurde. Zuerst lag der Fokus mehr auf extremen Trekking- und Skitouren, die ich natürlich auch fotografisch dokumentiert habe, aber anders als heute, wo die Fotografie im Vordergrund steht. Allerdings ist es noch immer so, dass ich meine Motive meist zu Fuß erreiche. Letztendlich habe ich eine Entwicklung durchgemacht vom „Abenteurer“, der fotografiert, zu einem Fotografen, der noch immer abenteuerliche Reisen unternimmt.
Du scheinst eine große Faszination für den Norden zu haben, wie kommt das?
Meine ersten Touren zu Beginn der Neunzigerjahre führten mich in den Norden. Die Landschaft zog mich sofort in ihren Bann, ich erlag dem Nordlandfieber und es war um mich geschehen. Ich kann von diesen atemberaubenden Gegenden nicht ablassen und muss immer wieder zurückkehren.
Du hast dem Norden sogar ein Buch gewidmet. Was erwartet den Leser in „Mein Norden“?
Nachdem ich schon so viel erlebt hatte, rissen mich im Frühjahr 2012 zwei Krampfanfälle zu Boden und die Diagnose Epilepsie wurde gestellt. Mein Wandererleben geriet aus den Fugen. Ich ließ mich allerdings nicht unterkriegen und in den Tagen im Krankenhaus und den Wochen danach, die es brauchte, um wieder so richtig auf die Beine zu kommen, fasste ich den Entschluss zu dem sehr persönlichen Foto- und Reiseprojekt Mein Norden. Ich wollte noch einmal alles neu träumen und aufbrechen zu den wundervollen Orten, die mir von früher so viel bedeuteten – aber gleichzeitig auch Neuland aufspüren, in dem ich zuvor noch nie war, jedoch schon immer einmal hinwollte.
Verteilt auf vier Jahre folgten elf Reisen, die mich quer durch die skandinavischen Länder Norwegen, Schweden und Finnland, nach Schottland, Island, auf die Färöer-Inseln, nach Svalbard und nach Grönland geführt haben. Zu allen Jahreszeiten ging es hinein ins Abenteuer. Allein, mit Freunden und der Familie. Mit den Bildern und Texten möchte ich Emotionen transportieren und von Erlebnissen erzählen. Es ist eine Liebeserklärung an diese rauen Landschaften, kargen Regionen und eine intensive Art des Unterwegsseins.
Was reizt Dich an der Fotografie? Hast Du fotografische Vorbilder?
Die Fotografie gibt mir die Möglichkeit, Gefühle einzufangen, auszudrücken und mit anderen zu teilen. Direkte Vorbilder habe ich aber nicht. Allerdings gibt es Fotografen, die mich inspirieren. Wie Ragnar Axelsson, Anton Corbijn, Olaf Otto Becker, Andy Spyra oder Jacob Aue Sobol. Deren Stil und Sujet können ganz anders sein als bei mir, aber sie regen mich an, mich weiter entwickeln zu wollen.
Wie entsteht eine „typische“ Landschaftsaufnahme bei Dir? Wie planst Du Deine Aufnahmen?
Meine Landschaftsaufnahmen haben ja etwas „reportagehaftes“. Da sie meist bei Wanderungen und Skitouren entstehen, die mich über viele Tage von A nach B führen, kann ich z. B. an den meisten Stellen nicht lange auf das beste Licht warten. Aber das ist auch gar nicht mein Ziel – ich bin nicht aus auf das ultimative Foto, das die Szenerie „ideal“ darstellt. Ich bin auch kein Freund von „überschönen“ und glattgebügelten Beautyfotos. Meine Bilder entsprechen eher Porträts, welche versuchen, den Menschen hinter der Fassade zu zeigen. Ich nehme, was kommt, und bin darauf aus, den Charakter der Landschaften einzufangen. Das meiste entsteht spontan. Ich mag es gerne etwas schmuddelig. Und reduziert auf die Essenz der Landschaft. Geplant ist dabei wenig. Ich weiß natürlich schon vorher, wo unterwegs die interessanten Stellen sein könnten und es sich wahrscheinlich lohnt, mehr Zeit zu haben. Aber dann mache ich mich einfach auf die Jagd nach den Stimmungen. Denen in der Landschaft und denen in mir.
Welche Kamera und welche Objektive benutzt Du für die Umsetzung Deiner Ziele und welchen Einfluss hat die Technik auf Deine Bilder?
Nachdem ich bald 25 Jahre mit Nikon fotografiert hatte, bin ich vor längerer Zeit komplett auf das Fujifilm X System umgestiegen. War anfangs das geringere Gewicht der Ausrüstung ein Hauptgrund, merkte ich schnell, dass ich mit den Kameras und Objektiven von Fujifilm meine fotografischen Ziele schneller und einfacher erreiche. Woran das genau liegt, kann ich gar nicht sagen. Vielleicht am analogen Charakter des Systems, das mich meine Ideen und Vorstellungen besser umsetzen lässt. Am liebsten nutze ich momentan die X-Pro2 mit diversen Festbrennweiten. 16-, 23- und 56mm reichen da aus, um eine Reise nach meinen Wünschen zu dokumentieren. Nur in Ausnahmefällen brauche ich da noch mehr Weitwinkel oder Tele. Die Technik ist in erster Linie dafür da, mir zu helfen, meine Bildideen umzusetzen. Aber da diese eher emotionaler Natur sind, spielen Sachen wie Auflösung, Dynamikumfang, usw. eine untergeordnete Rolle. Kamera und Objektiv sind das Bindeglied zwischen dem, was ich sehe, und dem, was ich empfinde.
Arbeitest Du nur digital oder auch analog? Warum?
Seit ich recht spät zur Digitalfotografie gewechselt bin (2006), habe ich nie mehr analog fotografiert. Dabei liegt mir der analoge Bildcharakter viel mehr, weshalb ich versuche, meinen digitalen Fotos in der Nachbearbeitung filmischen Charme zu verleihen. Hier nutze ich VSCO und komme so auch digital zu den Ergebnissen, die mir vorschweben. Und da ich immer erst nach einer Reise festlege, welchen „Film“ ich verwende – basierend auf den Gegebenheiten und Empfindungen vor Ort – ist das für mich der effektivste Weg. Um die Kargheit der Landschaft besser herausarbeiten zu können, entschloss ich mich bei den Bildern von Svalbard später für Schwarz-Weiß. Der Serie aus der Polarnacht in Schweden habe ich nachher mehr Körnung verliehen, um das düstere und grobe zu unterstreichen. Aber ich muss das alles erst erleben, bevor ich entscheide. Kontrolle beim Fotografieren und Vielfalt in der Bildbearbeitung gehen so Hand in Hand.
Hast Du eine Lieblingsaufnahme? Wenn ja, welche ist das und warum?
Eins meiner Lieblingsfotos ist das letzte Bild im Schlusskapitel meines Bildbandes Mein Norden – der Fjord Qooqqut im Süden Grönlands. Im Wasser dümpeln Eisbrocken. Schroffe Berggipfel drohen von dunkler Bewölkung verschluckt zu werden. Es vereint die Schönheit und Dramatik der nordischen Natur. Und es entstand in einem Moment, indem ich zufrieden auf all die Reisen „meines Nordens“ zurückblicken konnte.
Was ist Dein nächstes Projekt?
Details dazu möchte ich noch nicht verraten, aber es wird mich erneut in den Norden führen. Fünf Reisen, bei denen ich fotografisch weiter vorankommen möchte und andere Fotos entstehen sollen, als bei meinem abgeschlossenen Projekt „Mein Norden“. Und wenn das alles so klappt, wie ich mir das im Moment ausmale, ist ein weiterer Bildband mein Ziel.
Hast Du ein paar Tipps zur Fotografie, die Dir selbst geholfen haben?
Nach der Diagnose Epilepsie dieses persönliche Langzeitprojekt gestartet zu haben, war das Beste, was ich machen konnte. Über so lange Zeit ein Thema zu verfolgen, mich damit zu beschäftigen und zu versuchen, es fotografisch umzusetzen, hat viel verändert. Mein fotografischer Blick hat sich weiterentwickelt und ich habe es geschafft, schneller auf den Punkt zu kommen und das zu zeigen, was mir unterwegs wichtig ist. Daher kann ich nur dazu raten, sich ein Fotoprojekt vorzunehmen und es beharrlich zu verfolgen. Das bringt mehr als eine neue Kamera.
Wer noch mehr über Martin erfahren will der kann dies gerne unter folgenden links tun:
Martins Website, auf Twitter, auf Facebook, auf Flickr oder auf Instagram.
Und zum Schluss noch ein paar weiter Bilder aus Martins Bildband.
Leave a reply