Eine der tollsten Sachen an den modernen spiegellosen Systemkameras ist, dass man per Adapter fast alle alten Objektive mit den modernen Bodies nutzen kann. Als „damals“ die Fuji X-Pro 1 rauskam und ich kurz vor der Markteinführung ein Exemplar davon geschickt bekam, war das erste Objektiv, das ich drauf setzte ein Nikkor 50mm f1.8 E-Series. Mein 35mm Fujinon kam erst ein paar Tage später und der Adapter von Nikon auf Fuji (von Kipon) lag schon eine Woche vor Eintreffen der Kamera bei mir auf dem Schreibtisch. Seitdem ging das fröhliche Adaptieren bei mir los. Es folgten C/Y-Adapter und sogar ein Metabones Speed Booster für C/Y (Contax/Yashica). Ich hatte eine Reihe von Objektiven gefunden, die ich sehr gern ansetzte, da ich den Look sehr mag: Zeiss für Contax/Yashica. Das sind ältere Rechnungen, die später teilweise leicht verbessert und dann natürlich mit neuen Beschichtungen versehen für Nikon und Canon Anschlüsse umgearbeitet worden sind. DSLR-Objektive von Zeiss sind zumeist nicht gerade klein und nicht gerade leicht. Im Verhältnis zu den Nikon-Brüdern sind die Contax-Objektive allerdings etwas kleiner ausgefallen.
Manche von diesen Objektiven sind, trotz der Bauzeit aus den Jahren 1975 bis 2005, bereits sehr gut optisch gearbeitet. Sie schaffen es auch beispielsweise den 16Mp-Sensor der Fuji zu bedienen. Die Abbildungsleistung im Sinne einer Auflösung der modernsten Serien schaffen sie nicht ganz. Dafür hat man wunderbare manchmal leicht weiche Bilder bei Verwendung von Offenblende und schöne Flares im Gegenlicht. Letztere setze ich ja gern mal gestalterisch ein – manch ein Fotograf stört sich eher daran, was ich in Bezug auf manche Bildanwendungen auch verstehen kann. Ein möglicher Zusammenhang zu anderen Herstellern scheint greifbar: Zeiss fängt 1975 mit dieser Objektivreihe an. Im Jahre 1976 bringt Leica dann das R-System und dann hat man ein kleines Space-Race zwischen den Optik-Herstellern. 😉
Ein paar dieser „Zeiss für C/Y“ – Objektive habe ich zur Verfügung und möchte sie im Laufe der Zeit einmal vorstellen. Dies sind freilich keine technischen Reviews, sondern eher kleine Berichte und Galerien. Aufgrund der mittlerweile recht hohen Verbreitung der spiegellosen Kameras sind inzwischen die Gebrauchtpreise für diese Objektive wieder gestiegen. Wer also über Kaufentscheidungen nachdenkt, kann sich auch gern hier oder über unseren Facebook-Kanal bei uns melden. Da helfen wir gern.
Als erstes Objektiv möchte ich ein nicht sehr verbreitetes Modell vorstellen: Das Carl Zeiss S-Planar 60mm f2.8 – ein echtes 1:1 Makro-Objektiv. Das Objektiv ist laut Angaben des Herstellers auf Nahdistanz optimiert worden, wer also eher selten Makrofotografie unternimmt, kann auf andere Objektive schauen. Als Makro macht es aber viel Freude, der recht lange Fokussierweg macht ein sehr präzises Scharfstellen möglich und as Objektiv ist auch bei Blende 16 (geht bis 22) recht gut scharf. Bei Blende 5.6 bis 11 ist sicher das Optimum zu suchen, bei f16 ist etwas Diffraktion zu bemerken.
Mir gefällt die Leistung dieses Objektivs auch für das leichte Freistellen bei der Arbeit mit Offenblende. Blende f2.8 reißt vermutlich heutzutage nicht mehr allzuviele vom Hocker, wenn man für Portraits auch das 56mm f1.2 von Fujinon bedenkt oder 85mm f1.4 Objektive für die Kleinbildfraktion. Allerdings sind solche Lichtstärken ganz hilfreich, für Portraits für mich nicht ganz so ausschlaggebend. Freistellen hat ja auch viel mit Brennweite und Abstand von Objekt und Hintergrund zu tun. Letztlich finde ich es toll, wenn bei einem Portrait nicht nur ein Auge scharf ist, sondern der ganze Mensch in der Fokusebene ist, danach erst das Bokeh anfängt. Mit einem 60mm f2.8 kann man gut und sinnvoll freistellen, auch wenn das Objektiv sicher für viele nicht auf der Liste der „ersten Wahl für Portraits“ steht.
Mal ganz objektiv betrachtet, ist das 60mm f2.8 S-Planar schon ein ordentlicher Klotz. Es wiegt rund 570gr und hat ein 67mm Filtergewinde. Es ist „ein dickes Stück“ – für eher große Hände ganz angenehm. 😉 Der Blendenring sitzt an nächster Position am Gehäuse. Der Fokusring ist sehr breit, die Gummierung griffig und rutschsicher. Insgesamt sehr gut zu bedienen. Bei meinem Exemplar ist die Dämpfung der Fokussierung sehr geschmeidig und leicht schwer. Das ist sehr von Vorteil, da man nicht einfach aus Versehen den Fokus verstellt. Beim 50mm f1.7 Planar ist es beispielsweise deutllich leichtgängiger. Für ein alltägliches Objektiv ist das aber auch teilweise gewünscht.
Das Bokeh ist recht harmonisch, würde ich meinen. Positiv finde ich, dass zwar ein paar sehr geringe chromatische Aberrationen auftreten, diese aber leicht herauszurechnen sind. Die Kontraste regeln sich gut weg, so dass Linien im Bokeh nicht so störend sind. (Etwas, dass ich bei den lichtstarken Fujinons beispielsweise überhaupt nicht mag.) Beim Abwägen zwischen einem 60mm f2.4 Fujinon und dem hier betrachteten 60mm f2.8 Zeiss fiel die Wahl auf letzteres- nicht zuletzt, weil manchmal ein 1:1 Makro gefordert ist, was das Fujinon leider nicht kann. Das Fujinon 60mm sehe ich als eines der angenehmsten Objektive in der Fuji X-Serie. Es ist ein wunderbares kurzes Tele mit verhältnismäßig schönem Bokeh und sehr sauberer optischer Leistung. Für Makro-Anwendungen würde ich allerdings stehts auf ein rein manuelles Objektiv zurück greifen, daher fiel die Wahl auf das Zeiss.
Mein Fazit zum 60mm f2.8
Wer sich nicht scheut, eine etwas schwerere Linse zu nutzen und gern etwas richtig scharfes Manuelles ( 😉 ) ausprobieren möchte, liegt beim 60mm S-Planar ganz richtig. Es ist ein guter Allrounder auf Kleinbildformat und eine tolle Portrait- und Makrolinse auf APS-C. Da man Contax/Yashica-Objektive problemlos mittels Zwischenring auch an Canon DSLR ansetzen kann, ist die Zeiss für Contax Reihe auch für Canonista sicher interessant. Möchte man lieber ein leichtes Objektiv nutzen und benötigt die Makrofunktion nicht, dann gibt es im 50mm-Bereich auch jede Menge Alternativen. Eins jedoch sei gesagt: Haptisch ist das Carl Zeiss S-Planar 60mm f2.8 beim präzisen Fokussieren einfach ein Traum!
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