Wenn der Postmann zweimal klingelt, steht nicht zwangsläufig Jack Nicholson vor der Tür. Bisweilen ist es der freundliche Fahrer von UPS, der mit seinem Paket, das er bei uns abliefert, zumindest bei mir regelmäßig für einen inneren Thriller sorgt. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, da der Krimi zumeist so endet, dass der Haben-will-Faktor ausgelöst wird und ich im Anschluss schwere innere Kämpfe auszutragen habe. Nach diesem Muster haben sowohl das ZEISS Batis 85mm/1.8 als auch das ZEISS Loxia 35mm/2.0 ihren Weg zu meiner Sony A7 II gefunden. Entsprechend war ich gespannt, als Anfang Mai das ZEISS Batis 18mm/2.8 bei uns eingetroffen ist.
Die ZEISS Batis Objektivfamilie
Mit dem seit Mai im Handel verfügbaren Batis 18mm/2.8 hat ZEISS die Festbrennweiten 25mm/2.0 und 85mm/1.8 dieser Reihe um ein Superweitwinkel-Objektiv ergänzt. Im Gegensatz zu den anderen ZEISS Objektivfamilien handelt es sich bei den speziell für spiegellose Vollformat-Systemkameras von Sony entwickelten Batis-Modellen um Autofokus-Objektive. Ein weiteres wesentliches Merkmal der Batis-Reihe ist das reduzierte, minimale Design. Markierungen für den Schärfentiefenbereich sucht man vergeblich. Anstatt befindet sich auf der Oberseite ein OLED-Display aus, über das sich die Fokusdistanz und Schärfentiefe ablesen lässt.
Das kompakte staub- und spritzwassergeschützte Batis 18mm/2.8 selbst zeichnet sich durch einen horizontalen Blickwinkel von 90° und ein Gewicht von 330g aus. Auf dem Markt ist es für 1.499 € erhältlich.
Let’s Shoot!
Ich habe das Objektiv an meiner Sony A7 II in Schweden und Berlin getestet. Grundsätzlich fotografiere ich am liebsten in Kombination mit meinem ZEISS Loxia 35mm/2.0. Vor diesem Hintergrund hat mich die Weite des Batis 18mm/2.8 zunächst schlichtweg überfordert, zumal ich schnell festgestellt habe, dass man sehr genau arbeiten muss, wenn man Verzeichnungen und zusätzlichen Nachbearbeitungsaufwand bei der Bildbearbeitung vermeiden möchte. Mehr als nur einmal habe ich mir gewünscht, den entscheidenden Zentimeter größer zu sein, um eine bessere Ausgangsposition an meinem Aufnahmestandort zu haben.
Apropos, derzeit gibt es kein Profil für die Objektivkorrektur in Lightroom. Die Bildbearbeitung wird dadurch mitunter zum Abenteuer, wenn man Verzeichnungen nicht bewusst als Stilmittel einsetzen möchte. Entsprechend habe ich die ganze Bandbreite meiner Pixelleidenschaft ausgeschöpft, munter nach Gusto korrigiert oder es eben ganz sein lassen.
Denkt man an Weitwinkel-Objektive, assoziiert man damit sicherlich zuallererst den Bereich der Landschaftsfotografie. Und gerade hier kommt man mit dem Batis 18mm/2.8 voll auf seine Kosten, was nicht zuletzt der unglaublichen Schärfe zu verdanken ist. ZEISS ist eben ZEISS und im Grunde ein No Brainer, wenn es um den Objektivkauf für mein Sony E-Mount System geht.
Doch das Batis 18mm/2.8 kann mehr! Stichworte (Innen-) Architektur und Reportage. Während unseres Urlaubs in Schonen in Südschweden haben wir die besondere Kaffeekultur kennen- und zu schätzen gelernt. In zumeist landschaftlich exponierter Lage befinden sich liebevoll gestaltete alte Häuser und Güter, die zum Verweilen einladen. Ein Genuss für alle Sinne und ein klarer Fall für das Batis Superweitwinkel-Objektiv! Bei der anschließenden Bildbearbeitung der Innenaufnahmen habe ich jedoch Blut und Wasser geschwitzt, was zum einen dem Umstand geschuldet war, dass mich die vielen Linien verwirrt haben, und mir zum anderen stürzende Linien im allgemeinen Bauchschmerzen bereiten.
Ein Spaziergang im Regierungsviertel in Berlin in der vergangenen Woche war schließlich der ideale Ausgangspunkt, um die Fähigkeiten des Objektivs in Bezug auf Architekturfotografie zu testen. Wie erwartet, zeigt sich das Batis 18mm/2.8 auch in diesem Bereich als zuverlässiger Partner. Eher ungeplant erwies sich der Ausflug gleichzeitig als Test zur Überprüfung der Wetterfestigkeit des Objektivs. Während die Sonne nämlich anfänglich noch ihr Bestes gegeben hat, wollte der Regen bereits etwas später dagegen halten. Nur so viel, ich war komplett durchnässt. Das Objektiv hingegen hat den Test bestanden.
Das OLED-Display
Wenn ich nicht mit meinem Lieblingsobjektiv, dem Loxia 35mm/2.0, fotografiere und manuell fokussiere, bevorzuge ich die klassische Vorgehensweise, meinen Autofokus auf das zuvor ausgewählte und platzierte Fokusfeld zu setzen. Während ich mich in Schweden bei den Aufnahmen entsprechend ausnahmslos auf den Autofokus verlassen habe, habe ich in Berlin wiederum manuell mit Hilfe des OLED-Displays fotografiert, das die Fokusdistanz und den gesamten Schärfentiefenbereich anzeigt. Und ja, da sich die Angaben aus meiner Erfahrung heraus als zuverlässig erwiesen haben, macht das richtig Spaß! Man kann quasi blind fotografieren. Der einzige Kritikpunkt, den ich an dieser Stelle anbringen möchte, ist der Umstand, dass ich die Informationen bei Sonnenschein nicht ablesen konnte und das Display daher abschatten musste.
Getting Close… Bokeh Baby!
Ich gestehe, dass ich ein bekennender Bokehjunkie bin. Das cremige, samtene Bokeh der ZEISS Objektive versetzt mich regelmäßig in den Schwärm-Modus. Die charakteristischen Eigenschaften werden insbesondere dann herausgekitzelt, wenn man möglichst offenblendig fotografiert und nah genug an sein Motiv herangeht. Bei einer Naheinstellgrenze von gerade einmal 0,25 m bedeutet das so richtig nah. Gerade bei offener Blende in Gegenlichtsituationen muss man jedoch beachten, dass es mitunter zu chromatischen Aberrationen kommen kann.
Nachfolgend möchte ich Euch noch meine beiden liebsten Freistellungsmotive vorstellen: Meine Tochter (f/4.0) und der rote Feuermelder (f/2.8) am Schloss Bellevue, an dem ich irgendwie nie vorbeikomme.
Ein Experiment
Aufgepasst, liebe Pixel Peeper, dieser Abschnitt ist ganz speziell für Euch! Im Rahmen einer kleinen Versuchsreihe wollte ich herausfinden, wie sich die Schärfe über das Bild hinweg verteilt. Dabei hat sich herausgestellt, dass der schmucke Holzhaufen im Bereich f/8.0 bis f/11.00 durchweg am schärfsten ist. Schließt man die Blende weiter, gar bis f/22.0, treten teils deutliche Randunschärfen auf. Darauf mag sich nun jeder selbst seinen Reim bilden. Ich selbst betrachte dies nicht als kritisch, da ich in meiner Fotopraxis mit Ausnahme geplanter Freistellungen nur selten den genannten Schärfebereich verlasse. Zum anderen muss man berücksichtigen, dass im Rahmen der Profilkorrektur in der weiteren Bildbearbeitung gerade dieser Bereich sicherlich beschnitten wird oder wegfällt. Zumal der Randbereich für mich ein kreatives Stilelement darstellt und in den meisten Fällen mit einer Vignette versehen wird.
My Two Cents
Die Firma ZEISS hat mit dem Batis 18mm/2.8 die Reihe der E-Mount Autofokus-Objektive um eine Superweitwinkel-Festbrennweite erweitert, die sich nicht nur durch ihre Schärfe, sondern auch durch ihre Freistellungsmöglichkeiten mit dem ZEISS-charakteristischen Bokeh auszeichnet. Dadurch eignet sich das Objektiv neben den klassischen Bereichen der Landschafts- und Architekturfotografie insbesondere auch für Reportagen, in denen das Schärfe-Unschärfe-Spiel gezielt ausgenutzt werden kann.
Und denkt daran: Wenn der Postmann das nächste Mal zweimal klingelt, zögert nicht und öffnet die Tür. Es könnte ein Paket von ZEISS sein!
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Sehr schön flott geschrieben ich habe das erstmal gelesen und dann erst die Bilder angesehen, schön!
Vielen Dank für Dein Feedback, Matthias! Ich freue mich, dass Dir der Beitrag gefällt, zumal ich mächtig aufgeregt war, da dies mein erster Review ist.
Toller Bericht mit tollem Text und sehr schicken Fotos! #Danke
Ganz herzlichen Dank für Dein Lob, Jörg! Ich freue mich sehr darüber!
ja, ein sehr interessantes Review über das wohl doch für die meisten etwas exotische Zeiss Batis 18 mm.
Mit exotisch würde ich auch die Namensgebungen bezeichnen, welche Zeiss seinen nicht gerade günstigen, aber wohl sehr guten Objektiven, vornehmlich für Sony-Anschluss verpasst.
Mich hat es nur gewundert, auf dieser, eigentlich von Elmar und Mehrdad vertriebenen Seite einen Blog von einer weiblichen Authorin vorzufinden. Ist/war das nun eine ‚Eintagsfliege‘, sogesehen als Gast-Authorin, oder bist du zukünftig festes Bestandteil von qimago.de und meldest dich weiterhin mit solch interessanten Blogs?
…was eigentlich ja auch gar nicht so schlecht wäre, wie ich finde.
LG
Laretta
Ein bisschen Exotik im Alltag kann nicht schaden! 🙂 Das Batis 18mm/2.8 ist sicherlich nicht mein „immer-drauf-Objektiv“, und dennoch hat mich seine Vielseitigkeit positiv überrascht!
Tatsächlich ist dieser Beitrag nur ein Gastbeitrag. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. 🙂 Ich danke Dir auf alle Fälle für Deine lieben Worte!
Sensationell!
Sehr schöner Bericht, locker und interessant geschrieben. Ich denke immer mehr über spiegellose Vollformatkameras nach.
Hier wird gerade, in eine nur noch glimmende Glut, viel Wind geblasen.
Danke dafür!
Mike
Lieber Mike, ich kann Dich förmlich hören… Dein „sensationell“ klingt in meinen Ohren nach! Aber nicht dass ich Ärger mit Harriet bekomme, wenn ich ein Feuer entfachen sollte. 🙂
Ganz viele liebe Grüße!
Unglaublich wie diese Bilder fetzen!!! Das ist der reine Wahnsinn! So farbintensiv, knackscharf… Das ist tatsächlich Fotografie auf der höchsten Ebene! Bemerkenswert!!!
Manchmal finde ich einfach nicht die passenden Worte… daher einfach ein schlichtes Danke für Deine lieben Worte und Dein Lob!
Wow, wow wow. Tolle Bilder, einfach sharf und lebendig. Sie haben mich überzeugt. Ich war hinundher gerissen zw. Loxia 21 mm und dem batis. Nachdem ich das hier gesehen habe… steht die Entscheidung. Danke nochmals
Hallo Jerry, bitte entschuldige die verspätete Antwort. Ich danke Dir herzlich für Deine Worte und hoffe, dass Du Deine Entscheidung nicht bereut hast. Wenn Du magst, dann hinterlasse doch bei Gelegenheit einen Link, damit wir uns auch Deine Bilder anschauen können. Bis dahin viel Spaß mit Deinem neuen Objektiv!
Ich kann mich da meinen Vorschreiberlingen nur anschließen, super Bericht und scharfe Bilder ! Schönen Dank dafür. Da Du sehr pedantisch im positiven Sinne mit der Kontrastgebung der Objektive zu sein scheinst, bitte ich Dich um Auskunft über die Schärfen-und Qualitätsunterschiede zwischen dem Zeiss Basis 85mm / 1,8 und dem Sony/Zeiss 55mm / 1,8. Ich bin am schwanken, welches der beiden ich meiner Batis 18mm /2,8 Bestellung hinzufügen soll. Danke für Deine hoffentlich Antwort !!!
Hallo Ulrich, zunächst vielen Dank für Dein Feedback! Ich muss gestehen, dass mir ein Vergleich der beiden genannten Objektive als Grundlage für eine Kaufentscheidung aus mehreren Gründen sehr schwer fällt.
Ich weiß nicht, wie Deine bisherige Objektivfamilie aufgestellt ist, aber ich empfinde den Unterschied der Brennweiten doch sehr groß, was sich direkt auf ihre Alltagstauglichkeit auswirkt. Aus meiner Sicht ist ein 55m-Objektiv zunächst deutlich universeller und vielseitiger. Ein klassisches immer-drauf-Objektiv, wenn man so mag. So gesehen und unter zusätzlicher Berücksichtigung von Größe und Gewicht punktet neutral betrachtet erst einmal das Sony 55mm/1.8.
Ich selbst habe das Sony 55mm/1.8 nie besessen und lediglich über einen kurzen Testzeitraum genutzt. Ich bin mir sehr wohl der vielen, teils hervorragenden Rezensionen bewusst. Dennoch war es so, dass sich während dieser Zeit bei mir kein wow-Effekt eingestellt hat. Ganz im Gegenteil, ich war eher enttäuscht, und musste teilweise mit chromatischen Aberrationen kämpfen, die ich auch in der Entwicklung nicht eliminieren konnte. Ich habe das für mich so interpretiert, dass ich zu den Testzwecken wohl ein Exemplar aus einer Montagsproduktion erhalten haben musste.
Diese Erfahrung war jedoch dafür ausschlaggebend, dass ich mich erstmals mit ZEISS Objektiven auseinandergesetzt habe. Dabei rückte schnell das ZEISS Loxia 35mm/2.0 in den Fokus meiner Begierde. Ein Objektiv, das ich zunächst wegen der Brennweite und des manuellen Fokussierens überhaupt nicht als Option bedacht hatte. Letzten Endes war es aber genau dieses Objektiv, das meine Liebe zu ZEISS Objektiven entfacht hat. Könnte ich nur eines wählen, wäre es immer dieses. Die Brennweite ist die meine geworden und die Qualität ist top notch. Gewicht und Größe machen es zudem zum perfekten alltäglichen Begleiter.
Wenngleich ich Deine Frage nicht direkt beantworten konnte, hoffe ich, dass Dir meine Gedanken bei der Kaufentscheidung helfen. Ich bin gespannt, für welches Objektiv Du Dich entscheidest!