Ein langer Name für ein Objektiv: Voigtländer Nokton Classic 35mm f1.4 Dabei ist das Objektiv selbst eigentlich recht kurz bzw „kompakt“…
Voigtländer war sehr entgegendkommend und stellte mir das Nokton Classic 35mm zum Testen zur Verfügung – vielen Dank dafür! 🙂
In den letzten Wochen hatte ich so die Möglichkeit dieses spannende Objektiv mit E-Mount in Ruhe auszuprobieren. Das ist doch immer etwas besser als es mal kurz auf einer Messe zu befummeln und dann großartige Artikel darüber zu schreiben… Das 35er Nokton Classic ist mir zum Dauerbegleiter geworden und es ist schwer, es wieder zurück zu schicken.
Ein Objektiv mit f1.4er Anfangsblende reizt viele Fotografen automatisch. Das klingt nach Lichtstärke, Freistellpotential und viele fallen da sicher in den nächsten (feuchten) Bokeh-Traum. Das kann ich gut verstehen, macht es doch Spaß auch mal die Blende aufzureißen und durch Schärfe/Unschärfe ein Objekt etwas vom Hintergrund (oder natürlich auch Vordergrund) zu separieren. Das tatsächliche Quentchen an Lichtstärke, dass einem die f1.4 bspw gegenüber einer f1.8 bietet, benötige ich heute eher selten, auch wenn ich viel in dunklen Kirchen fotografiere. Die Zeiten des ISO100-Films gönnt man sich nur noch sporadisch und absichtlich und vielmehr geht mit der Digitalkamera heute eher ein ISO12800 oder dergleichen, ohne dass da viele Einbußen nötig sind. Verwöhnt sind da manche! 😉
Haptisch ist das Voigtländer Nokton Classic 35mm f1.4 wirklich ganz fein. Hat sich die Hand an die Lage des Blendenrings gewöhnt, läuft alles wie am Schnürchen. Fokussieren geht butterweich und mit einem guten Fokusweg – ja, das hier ist manuell! Wenn man es der Kamera sagt, springt sie dabei automatisch in die Fokuslupe, was zum schnellen Arbeiten führen kann. Das Nokton sitzt sauber und sicher an der Kamera. Vom Gewicht her ist es super balanciert an der A7. Mit Gegenlichtblende springt es nicht sehr weit hervor, so dass alles schön kompakt bleibt, aber auch nicht zu klein zum Greifen. Ich mag ja die Trompetenform der Gegenlichtblende irgendwie, es hat sowas… klassisches. 😉
Wenn einem ein Objektiv mit einem „classic“ heute entgegenkommt, sollte man allerdings nicht von, sagen wir mal „Otus-Offenblendperformance“ ausgehen. Da muss man klar differenzieren, denke ich. Während moderne Rechnungen oft auf Offenblendperformance gerechnet zu sein scheinen (womöglich nach Kundenwunsch), sind klassische Rechnungen bei f1.4 eher, hmmm, charaktervoll. So auch beim Voigtländer Nokton Classic 35mm f1.4.
Bei f1.4 sollte man dies Objektiv nicht auf echte Schärfe oder Abbildungsleistung testen. Es stellt sich ein leichter Glow ein, ein etwas weiches Bild, das Schritt für Schritt (am Fokuspunkt) schärfer wird, sobald auch nur f1.6 oder f2 eingestellt werden. Da nimmt dann auch die offenblendige Vignettierung ab. Ein normal scharfes, klar abbildendes Objektiv, dass sich in seinem Rendering positiv macht, hat man hier von f2.8 bis f11. Danach wird es langsam wieder unscharf durch Diffraktion, aber das merkt man auch erst bei 150% Bildschirmansicht (wer auch immer…). Soll heißen, wenn ich ein scharfes Bild mit „Offenblendcharakter“ haben wollte, bin ich entweder auf f1.6 oder f2 gegangen, da ich weniger Glow haben wollte. Klar, der Glow ist nicht wirklich wie bei einem alten Industar oder dergleichen, aber schon sichtbar. Vermutlich machen sich diese Bilder im Ausdruck auf 10×15 sogar ganz harmonisch, da nicht übermäßig scharf.
Was mich an Voigtländer Objektiven immer recht freut, sind die nicht zu aufdringlichen Blendensterne. Diese bekommt man mit dem Nokton Classic 35 ganz wunderbar hin, ohne dass es zu aufdringlich wird. Zwischenzeitlich ging das ja modernen Objektiven ein bisschen verloren, so dass es plug-ins für Bildbearbeiter gab um diese Sterne wiederzubekommen. Das war dann teilweise zu viel des Guten… Hier jedoch wirkt das ganz harmonisch- ein paar Flares gibt es auch. Passt.
Das Voigtländer Nokton Classic 35mm f1.4 macht ganz viel richtig. Ein gut zu bedienendes manuelles Objektiv für Kleinbildformat, das nicht zu groß ausfällt und für die entschleunigte manuelle Fotografie gern dabei sein darf. An manchen Stellen wünsche ich mir mehr direktes klares Rendering wie beispielsweise beim 65mm APO Lanthar von Voigtländer oder um bei 35mm für Sony zu bleiben vom Sony/Zeiss 35mm f2.8. Ich kann das nicht direkt in Worte fassen, es ist so dieses „knackscharfe auf den Punkt“, das man zwar hinbekommt, aber manchmal doch ein bisschen mehr Zeit in der Nachbearbeitung investieren muss. Ich mag das Voigtländer Nokton Classic 35mm f1.4 sehr, solange ich es als ein 35mm f2 betrachte. Das erinnert mich an alte SLR-Zeiten, in denen man ein f1.4 benötigte für ein helles Sucherbild aber mit dem Fotografieren erst bei f2 anfing. Probate Praxis! Ich hatte viel Spaß damit!
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Nach einigem Abwägen habe ich mir das Nokton 35 Classic für die Sony A7III gekauft und bin sehr positiv überrascht (nach vielen unterschiedlichen Tests, die ich vorher las). Schârfer als vermutet, exakt zu fokussieren, oft ein funky-Bokeh bei Offenblende, aber schon ab f1.8 recht smooth und schöne Auflösung für Landschaft ab f8. Trotzdem so kompakt – ein Traum!
Ein wirklich feiner Allrounder, wenn man manuelle Objektive mag!
Hallo Reinhard, da stimme ich dir voll zu. Viele Grüße!