Meine liebe Frau hat sich in der aktuellen Situation, in der wir alle stecken, mal Gedanken zum Innehalten gemacht und es auf den Punkt getroffen, wie ich finde. Danke Kathrin ?! Bleibt am besten alle Zuhause und lest Fotoblogs. Oder vertreibt euch die Zeit mit unseren YouTube Videos und vor allem: Bleibt gesund und passt auf euch auf.
Innehalten
Ah… XY hat eine neue Story auf Instagram gepostet… doch mal schnell schauen… hm… ok, das Frühstück interessiert mich jetzt nun nicht wirklich… ups… ach, der hat ja auch was Neues in seiner Story… witzig… nur nervig, dass die so ewig lang ist… und dahinter kommt noch eine DIY-Anleitung für irgendwelchen Dekoquatsch (wann hab ich DIE Seite denn abonniert?). Och nö, keine Lust jetzt.. also Stories zu gucken, was für Bilder gepostet wurden… Ah, Bild am Meer, sehr schön, da wäre ich jetzt auch gern. Das like ich mal (oh man, da wollte ich mich schon längst mal gemeldet haben, um sich endlich mal zum Kaffee zu verabreden), weiter geht’s… Werbung. Frühlingsblumen im Garten (ja, schön *gähn), like ich trotzdem, macht sie ja auch bei mir bei jedem Bild… Schwarzweißbild.. sehr schön, die Schatten… scroll… Kinderbilder, na toll.. schnell weiter… wieder Werbung (oh, nett, da stöber ich doch mal, ob es die Hose auch in meiner Größe gibt)… Innehalten, Fehlanzeige!
Wer kennt es nicht – das Wischen des rechten Daumens. Konkurrenz macht da nur der zwielichtige Autohändler beim Scheinezählen. Doch warum nehmen wir uns so wenig Zeit, das Gesehene auf uns wirken zu lassen, inne zu halten? Liegt es an der Benachrichtigungsfunktion, die uns immer dann erwischt, wenn wir gerade auf dem Weg in die Küche sind, uns ein Butterbrot zu schmieren? Gerät dann das, worüber sich Leute Gedanken gemacht haben, ein Bild komponiert haben, zum Lückenfüller, während das Wasser langsam auf dem Herd anfängt zu simmern? Was lässt unsere Augen stoppen? Zweifellos ein Stück Text, der das Gesehene in einen Kontext bringt. Ein spielendes Kind kann nämlich sowohl in Syrien als auch in Castrop-Rauxel fotografiert werden. Und doch liegen dazwischen Welten, wenn eine Gewohnheit, nämlich der Anblick spielender Kinder, zu etwas Besonderem wird.
Etwas langsamer sein
Und was passiert, wenn wir uns die Zeit nehmen, auch Texte mit mehr als 15 Wörtern, zu lesen? Möglicherweise wird man am Ende des Gesagten auch noch mit einer Frage konfrontiert, die der Postersteller im besten Fall beantwortet haben möchte. Hm, was nun? Warum denken wir, dass sich das Gegenüber nicht wirklich auf Antwort und Reaktion freut? Sind wir übersättigt und pauschalisieren wir unsere überstrapazierte Aufmerksamkeit unreflektiert auf andere? Oder haben wir gar Angst davor, dass das Gegenüber gern in den Dialog treten möchte, weil die Antwort, die wir gegeben haben, besonders schön oder besonders dämlich war?
Das Zeitfenster ist so begrenzt, dass heute – ob Instagram oder Facebook – ein freundliches Wort und ein netter, vielleicht sogar konstruktiver Beitrag unsererseits dazu führt, sich Zeit zu nehmen. Zeit für einen meist fremden Menschen, dem es wichtig ist, was die Welt da draußen über seine Arbeit denkt. Und wir eben nicht bereit sind, diese Zeit zu opfern.
Was lernen wir daraus
Die momentane Krise lehrt uns jedoch: Einen Schritt zurück zu machen, hat nichts mit Rückschritt zu tun. Wir haben heute in Zeiten „sozialer Isolation“ plötzlich die Möglichkeit, näher hinzuschauen, was all die Monate vorher am geistigen Fenster vorbei geflogen ist. Das Internet mit all seinen Plattformen hat sich nicht geändert, aber wir. Wir sind sensibler geworden. Vielleicht auch manchmal sensationslüstern, wenn man plötzlich den Times Square menschenleer sieht und sich denkt: ach du Schreck! Plötzlich fängt man an, das Drumherum zu sehen, es entwickeln sich Gedanken, die sich genauso vermehren, wie momentan das Covid-19. Was passiert da draußen, was passiert mit unseren Freunden, wie geht es ihnen?
Sollten wir diese Krise nicht als Chance begreifen, aus ihr lernen? Dass es eben doch gut tut, unserem Seelenheil gut tut, sich Zeit zu nehmen für Dinge, die anderen wichtig sind, eben mal Innehalten? Plötzlich bekommt die Frühstücksstory eines Freundes eine andere Bedeutung, weil man weiß, dass er eigentlich noch nicht einmal Wasser kochen kann, ohne es anbrennen zu lassen. Doch plötzlich sieht man, dass da ein verunstaltetes Omelette auf dem Teller liegt und seiner Familie ein fettes Grinsen aufs Gesicht zaubert. Oder die Frühlingsblumen, die eine Bekannte gepostet hat. Dies zeigt einem, dass sie offenbar aus dem Krankenhaus entlassen wurde und nun zu Hause die ersten Sonnenstrahlen genießt.
Es wäre schön, wenn wir einfach mal innehalten. Wirklich Pause machen. Nicht nur in der heutigen Zeit. Denn wir haben alle eine Geschichte zu erzählen – es wäre einfach schade, wenn keiner zuhört.
Leave a reply
„Einen Schritt zurück zu machen, hat nichts mit Rückschritt zu tun.“ – damit bringst Du das gut auf den Punkt, was sicher viele von uns denken (mal abgesehen von dem ritualem Wunsch nach Gesundheit für alle, der sich in diesen Tagen ganz neu definiert).
Danke für die Formulierung. Und die Illustration mit tollen Bildern…
Jürgen
Danke Jürgen für deinen Kommentar. Lebe gesund und pass auf Dich auf.
Einen schönen sonnigen Sonntagmorgen!
Sehr schöne Gedanken, Gedanken die man derzeit von vielen Seiten hört oder liest.
Wenn ich mir früher die Menschen auf der Straße angeschaut habe, sei es unterwegs oder morgens von meinem Balkon mit einem Kaffee in der Hand, dann ist mir aufgefallen, dass sie alle mit dem Handy in der Hand warteten oder aneinander vorbei hasteten. Kaum einer hat den anderen oder die Umgebung wahrgenommen. Auch ich selber habe viel Zeit, zu viel Zeit, bei Facebook verbracht, wenn ich zuhause oder in einem Cafe saß.
Ich merke jetzt selber, wie gut diese Ruhe tut. So unschön und auch furchteinflößend die Situation ist, hat sie auch seine positiven Seiten. eben war ich beim Bäcker und hoch erfreut, dass er geöffnet hat. Die Leute standen bis nach draußen Schlange, aber alle mit Abstand voneinander. Aber trotzdem war die Stimmung gut, es wurde miteinander gesprochen, keiner starrte stumm auf sein Handy. Ich habe das Gefühl, es wird mehr aufeinander geachtet und auch miteinander geredet. Ich hoffe sehr, dass dies auch nach der Krise so weiter geht, denn das ist etwas, was mir bisher insbesondere in Deutschland vielfach gefehlt hat.
Machen wir also das Beste draus und arbeiten daran, dass sich unsere Gesellschaft wieder ein wenig verbessert und altruistischer wird!
Einen schönen Sonntag und viele Grüße aus Frankfurt
Pablo
Hallo Pablo, ich danke dir für deinen Kommentar. Hoffen wir mal, dass wir uns nach den Krisenzeiten etwas von diesem Positiven bewahren.
Christian du hast recht, jetzt wo wir Zeit haben sollten wir uns dies nehmen und mal nicht mit dem schnellen Daumenwisch durch das Netz mit seinen Sozialen Medien hetzen. Jeder der dort etwas verfaßt oder postet freut sich sicher über ein paar Worte zu dem. Ich muss selbst gestehen das ich mir nicht immer die Zeit genommen habe doch seit Anfang diesen Jahres, also vor Corona Deutschland, habe ich versucht das zu ändern. Ich habe meine FB Gefält mir Liste ausgedünnt und versuche jetzt alles was dort geschrieben wird zu lesen. Das gleiche gilt für meine FB Freunde, auch hir gibt es doch ein paar denen ich gerne folge und alles lese, aber leider beruht das nicht immer auf Gegenseitigkeit manchesmal gibt es nur einen Daumen ( der oft auch nur schnell angeklickt wird) oder auch keine Reaktion. Ich bin dann immer etwas enttäuscht und sage mir selbst „Naja, vieleicht hat der Andere gerade viel zu tun“ Ich hoffe das wir uns wieder mehr Zeit beim virtuellen Miteinander nehmen und „reden“ den dann macht alles mehr Spaß.
Danke Ralf, auf Dich ist halt immer Verlass….. 🙂
Wunderbar! Ich bin gerade kürzlich auf Eure Seite „gestoßen“ und finde hier so viel sinnhaftes. Muss mich hier erst noch ein bisschen Durchklicken, aber das, was ich bislang gesehen habe, ist sehr vielversprechend.
Hi Werner, Danke für deine Rückmeldung! Schau in Ruhe durch, ich hoffe, es wird dir Freude bereiten. 🙂