Heute haben wir mal wieder einen Gastbeitrag für Euch. Mirko Karsch schrieb uns an ob wir Interesse an dem Thema der Street Fotografie bei Nacht hätten. Wir fanden das spannend und hoffen Ihr auch. Zu Mirko mal kurz so viel: Mirko lebt und arbeitet in Berlin. Seine Betätigungsfelder sind die urbane Fotografie sowie die Street Photography. Für ihn ist Ästhetik die Wertschätzung der Schönheit. Nichts anders zählt für ihn in der Fotografie.
Wir wünschen Euch nun viel Spass mit Mirkos Beitrag.
Warum erfreut sich die Street Photography eigentlich so großer Beliebtheit? Hierfür sind mehrere Gründe verantwortlich:
1. Street Photography stellt keine hohen Anforderungen an die Technik. Die Anschaffung teurer Kameras oder Objektive ist nicht notwendig. Ein Einsteigermodell mit Kitzoom ist vollkommen ausreichend. Oder um die beiden Extreme zu benennen: Street Photography lässt sich mit einer analogen Großformatkamera (hier liegen die Wurzeln dieses Genres!) ebenso gut betreiben, wie mit einem Handy (siehe beispielhaft die neuen Arbeiten von Joel Meyerowitz).
2. Street Photography ist relativ einfach zu erlernen. Es ist nicht notwendig, Kurse zu belegen, Bücher zu wälzen oder gar eine Ausbildung zu absolvieren. Zum Vergleich: Das Fotografieren in einem Studio nebst Nutzung der entsprechenden Technik, ist eine ganz andere Herausforderung und muss mühsam erlernt werden.
3. Street Photography fasziniert, weil sie abwechslungsreicht ist. Diese Einsicht ist auch der Anknüpfungspunkt für diesen Beitrag. Wie facettenreich die Straßenfotografie ist, lässt sich beispielsweise an den Portfolios bekannter Streetfotografen ablesen. Bei einigen Fotografen nehmen Menschen eine zentrale Rolle ein, bei anderen Fotografen steht die urbane Umgebung im Mittelpunkt der Betrachtung und der Mensch dient nur als Sidekick. Bei vielen Straßenfotografen kommen Menschen überhaupt nicht vor. Aufnahmen mit einem Teleobjektiv sind so üblich, wie mit einem Weitwinkelobjektiv. Farbfotos können ebenso verzaubern, wie Schwarz-Weiß Aufnahmen. Und in der Nacht lassen sich ganz besondere Momente einfangen.
Denn die Nacht ist anders. In der Nacht begegnet man anderen Menschen. Sie tun andere Dinge. Die urbanen Räume entfalten in der Nacht eine andere Wirkung als am Tage. Wie mannigfaltig die Street Photography in der Nacht sein kann, möchte ich im Folgendem an einigen ausgewählten Bildern zeigen. Es geht in diesem Beitrag ausdrücklich nicht um ein „how-to“ (5 Topp-Tipps für die Nachtfotografie). Wer derartige Artikel lesen möchte, ist hier falsch. Es geht mir viel mehr darum aufzuzeigen, was das besondere an Fotos ist, die in der Nacht entstanden sind. Warum die Bildästhetik eine andere als am Tage ist, und welche unterschiedliche Möglichkeiten es gibt, das Thema umzusetzen.
Begleitet mich nun auf einer Reise durch die Nacht.
Szene 1: Es ist eine eiskalte Winternacht in Berlin Mitte. Wir überqueren die Spree, als uns die Lichtstrahlen einer kleinen Spielothek anziehen. Wir gehen einige Schritte weiter und verharren vor einem S-Bahnbogen, wo die Spielhalle zwischen Straße und Bahnschienen eingezwängt ist. Uns gefällt der Minimalismus der Szene.
Wer da wohl drinnen sitzt und spielt? Wir fragen uns, wie viele Autofahrer die Jannowitzbrücke am Tage passieren, ohne dieser Spielhalle Beachtung zu schenken. Erst tief in der der Nacht, wird aus einer eigentlich unscheinbaren Spielhalle eine Kulisse- auch ohne Menschen.
Szene 2: Wir sind nun in Hamburg St. Pauli. Wieder ist es nachts. Abseits der Touristenmeile Reeperbahn steuern wir den Reitclub an, der in einer kleinen Nebenstraße gelegen ist. Wir blicken durch das Fenster und sehen, wie die Barfrau mit einem Gast scherzt.
Ein schöner Moment, denn hier lebt noch der alte Kiez: im Reitclub finden die Nachschwärmer mehr als kaltes Bier. Nämlich ein gutes Gespräch und ein wenig Herzlichkeit.
Szene 3: Wir laufen weiter zur Hamburger Hafen. Ein Mann schleicht um die Ecke und verschmilzt mit der Nacht. Was er wohl vorhat? Vermutlich geht er zum Fischmarkt. Dort gibt es viele Kneipen und Bars.
Vielleicht ergötzt sich der Mann ebenso wie wir an dem grandiosen Panorama. Die Lichter des Hafens, leuchten nachts besonders grell und ziehen uns Nachtschwärmer magisch an.
Szene 4: Wir sind zurück in Berlin. Dieses Mal in Charlottenburg. Auch hier gibt es ein munteres Nachtleben. Wir beobachten eine abendliche Szene vor dem bekannten Schwarzen Café in der Kantstraße. Vor dem Café parkt ein alter Volvo.
Berlin Charlottenburg
Einige Leute stehen auf der Straße, trinken gemeinsam ein Bier und genießen die Berliner Luft. Wir werden Zeuge von Begegnungen, die in dieser Form nur in der Nacht möglich sind.
Szene 5: Wir laufen weiter die Kantstraße entlang, denn wir wollen langsam nach Hause. Bevor wir in die S-Bahn springen, bleiben wir vor einem Restaurant stehen und beobachten, wie der Koch seinen Gästen die Speisen zubereitet. Es ist 23:00 Uhr. Dit ist Berlin.
Trotzdem eine banale Szene. In der Nacht entfaltet das Bild dennoch eine besondere Wirkung. Das Kopfkino springt an. Wo wollen die Leute noch hin? Was haben sie heute Nacht schon erlebt?
Szene 6: In Friedrichshain angekommen, hören wir am S-Bahnhof Frankfurter Allee laute Hip Hop Musik. Wir biegen um die Ecke und sehen bzw. hören, wie ein MC zu fetten Bässen rappt.
Die Leute wippen mit dem Kopf, trinken Bier aus dem Späti und schmieden Pläne für die Nacht.
Ende der nächtlichen Wanderung durch Hamburg und Berlin.
Ich hoffe Euch einen kleinen Einblick in die Nachtfotografie gegeben zu haben. Idealerweise habe ich Euch motiviert selber loszuziehen und als nightcrawler stimmungsvolle Bilder zu erschaffen.
Ganz kurz zur Technik: Wie Eingehens erwähnt, spielt Technik für mich keine Rolle. Ihr braucht keine Vollformatkamera um nachts rauschfeine Bilder anzufertigen. Alle Bilder dieser Serie entstanden mit einer APSC- bzw. MFT Kamera.
Wenn ihr mehr zum Thema Street Photography lesen wollt oder ihr Euch einfach nur Streetfotos ansehen wollt, besucht mich auf meiner Webseite:
https://www.Streetwise.Photography
Go with the flow.
Mirko
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Coole Bilder. Aber ist der Volvo in Szene 4 nicht eher ein Saab?
Es ist ein Saab und kein Volvo. LG
Schöne Bilder, als Anregung empfehle ich das Buch “ Beyond“ von Loredama Nemes.
Klasse Tip, Danke, Torsten! 🙂