- Die reale Situation Geflüchteter ist viel zu wenig bekannt, was oft zur unreflektierten Meinungsbildung führt. O-Young Kwon hat sich mit den Bedingungen in Thessaloniki auseinander gesetzt. In zwei Teilen wollen wir gemeinsam mit ihm auf das Thema aufmerksam machen.
- Junger Geflüchteter ist in sich gekehrt und wärmt sich am Lagerfeuer innerhalb einer abgebrannten Fabrikhalle in Thessaloniki.
Die aktuelle Debatte über Asylsuchende findet auf dem Rücken der Geflüchteten statt. Nicht die Anzahl ist alarmierend, sondern der gesellschaftliche und institutionelle Umgang mit jenen, die ihre Heimat, wegen Krieg, Verfolgung und Armut verlassen mussten.
Abgesehen davon, dass Flüchtlingslager in Griechenland maßlos überfüllt und überfordert sind, müssen Zelte, Decken und Schlafsäcke von den Neuankömmlingen käuflich erworben werden. Obdach gibt es also nur gegen Bezahlung. Solche Lager und andere offizielle Stellen werden von den Betroffenen daher gemieden um nicht nur einer Registrierung in Griechenland zu entgehen, denn die meisten Asylsuchenden kennen die Dublin-Verordnung, die sonst einen späteren Asylantrag bspw. in Deutschland unzulässig macht. So machen sie sich verlassene Züge, Häuser und Fabrikanlagen zu eigen und hausen unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Vor allem junge Männer machen sich auf den gefährlichen und weiten Weg über die Balkanroute. So überqueren bis zu 700 Menschen am Tag den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros um über Thessaloniki noch tiefer nach Europa zu gelangen. Entweder zu Fuß, als blinder Passagier auf Frachtschiffen und Güterzügen oder wie die wenigsten mit Hilfe von teuren Schmugglern.
Während die Augen Europas auf das Mittelmeer gerichtet sind, greifen maskierte Grenzsoldaten entlang der Balkanroute zu harten Mitteln. Es wird von unermesslicher Brutalität, Misshandlungen bis hin zu Raub und Freiheitsberaubung berichtet. Eingeschüchtert und gedemütigt soll es ihnen eine Lehre sein. Diese sog. Pushbacks werden von den Offiziellen geduldet, verstoßen massiv gegen das Völkerrecht und verletzen sowohl die Grundrechte-Charta der EU als auch die Genfer Konvention. Laut Dokumenten des türkischen Innenministeriums wurden so im letzten Jahr etwa 60000 Menschen allein aus Griechenland illegal abgeschoben.
NGOs: Während meiner Recherchen sind mir besonders drei NGOs in Thessaloniki in Erinnerung geblieben, weil sie außerordentliche Hilfe leisten, die sehr wirkungsvoll ist. Auch der Umgang mit den Flüchtlingen war stets herzlich und aufopfernd. Das wären:
* Medical Volunteers International, medical-volunteers.org
In ihren mobilen Behandlungsräumen gewährleisten sie medizinische Versorgung, egal ob die Menschen registriert sind oder Papiere haben. Wenn es Bedarf gibt, dann wird sofort geholfen. Ohne Bürokratie.
* wave thessaloniki
Diese Truppe, in der Flüchtlinge selbst einen Teil des Teams ausmachen, kocht täglich für 500 Menschen. Ebenfalls total unbürokratisch. Wer hunger hat, kriegt auch etwas zu Essen.
* Grenzenlose Wärme, grenzenlose-waerme.blog
Das ist ein studentisches Hilfsprojekt, dass regelmäßig Sachspenden aus Deutschland nach Griechenland transportiert. Ob medizinische Produkte, Winterbekleidung oder helfende Hand bei Küchenprojekten… In enger Zusammenarbeit mit anderen NGOs engagieren sie sich gefühlt in jedem Feld.
Teil 2 am 1.5.2020
O-Young Kwon | oyphoto.com
@oy.photo (instagram.com/oy.photo)
@oy.photography (facebook.com/oy.photography)
Leave a reply