Leica M10-D
Für eine Weile durfte ich eine Leica M10-D ausprobieren. Dafür möchte ich direkt zu Beginn gleich Alex von FOTO-GÖRLITZ danken. Das war eine tolle Gelegenheit!
Mehrdad hatte die M10-D auch schon mal, wie man hier lesen kann. Ich habe das Gefühl, dass jeder ein wenig anders auf diese Kamera reagiert. Immerhin hat mich sogar der MP von Sachsen-Anhalt bei einem Pressetermin auf die M10-D angesprochen als wir uns über was ganz anderes unterhielten. Na gut – ein Hingucker ist sie jedenfalls.
Singlespeed for Life
Beim Fahrradfahren bin ich am ehesten Singlespeeder. Heute ist das ja fast was besonderes, ein Rad ohne Schaltung (und ohne E-Motor) zu fahren, in meiner Kindheit jedoch war das normal. Man hatte keine Schaltung am Rad. Das gab es (hier) nicht bzw nur selten und wenn, schon gar nicht an Kinderrädern. Natürlich bin ich zwischendurch auch mit Schaltung gefahren und besitze solche Räder auch, aber letztlich bin ich immer wieder beim Singlespeed gelandet. Das besondere ist, dass man einfach nicht schalten kann. Tja, üblicherweise kommt an dieser Stelle der Erzählung ein Schlauberger und sagt: „Ich kann auch einfach nicht schalten, wenn ich ne Schaltung habe. Der Effekt ist derselbe!!!eins!elf!!!!“ Dazu kann ich nur sagen, nein, ist es nicht. Habe ich die Wahl nicht, muss ich mich mit der Möglichkeit auch nicht beschäftigen. Fahre ich ein Schaltungsfahrrad schalte ich auch. Dafür habe ich es ja. Fahre ich Singlespeed, fahre ich einfach nur dahin, so wie es gerade geht. Und der Kopf ist freier.
Eine ähnliche Diskussion habe ich, wenn Leute sich mit mir über die Leica Monochrom unterhalten wollen. Warum, wieso, weshalb, wenn man doch einfach Farbbilder in Monochrom umwandeln kann?!?! Ist doch viel besser, mehr Spielräume, bla bla. Auch hier ist es ähnlich. Technisch gesehen kann man sicher einiges dazu schreiben, von Auflösung, Schärfe, ISO, Fabrfiltern etc pp. Tatsächlich interessiert mich das an der Mono nur marginal. Mich interessiert, dass ich mir keine Gedanken machen muss. Es geht nur um Hell und Dunkel. Ich werde den roten Klatschmohn nicht vor dem grünen Sommerweizen fotografieren. Jeder Rot-Grün-Blinde wird das verstehen. Ich muss nicht beim Entwickeln der Rohdaten diverse Regler ziehen um Farben anzupassen. Ich muss nicht nur nicht, ich brauche nicht. Herrlich. Kopf frei. Warum? Spezielles Werkzeug für spezielle Aufgaben – das ist ein Genuss.
M10-D – simpel ist besser?
So und nun kommt die M10-D ins Spiel. Was ist das besondere Element an dieser Kamera? Sie ist digital und hat kein Display. Was erstmal so trivial erscheint, macht doch einiges mit mir während des Fotografierens. Es ist fast die Kamera, die ich mir wünsche. Nur fast. Dazu gleich.
Ich habe mit 6 Jahren angefangen zu Fotografieren. Unerlaubterweise mit der Zenit EM meines Vaters. Das gab Ärger, Film war teuer und er hatte es nicht erlaubt. Aber es führte etwas später dazu, dass ich in der Schultüte eine Beirette hatte und 2 Filme. Schwarzweiß natürlich, der gute ORWO. Also fing ich an. Und natürlich dauerte es Wochen, bis auch der zweite Film voll war und endlich entwickelt werden konnte. Tja. Die Bilder waren sicherlich „Grütze“, aber immerhin für mich auch ganz toll, denn ich blieb dran.
Später durfte ich dann die Zenit auch mal nutzen und selten mal eine EXA mit Lichtschachtsucher. Nur ein Objektiv drauf – das 58er Helios 44-M. Heute als Bokehsahneschnitte bekannt. Damals… „wir hatten ja nüscht.“ Wieder wartet man wochenlang. Und so ging die analoge Karriere noch ganz lange bis irgendwann digital kam. Was hatte die „analoge Zeit“ an sich? Genau – man kannte das Bild erst später. Machte das unsicher? Nein. Man lernte, sich auf sein Erlerntes zu verlassen. Man fotografierte einfach und zumeist wurde es auch so, wie man es sich dachte.
Die Kamera, auf die ich eigentlich hoffe, gibt es (noch) nicht. Aber die M10-D kommt da schon gefährlich nah ran. Nimmt man die M10-D in Betrieb, verknüpft man sie am besten als erstes mit dem Smartphone und nimmt per Leica Fotos App (huhu, Abo für DNG Download – geht gar nicht!! Insbesondere bei der M10-D nicht!) erstmal die wichtigen Einstellungen vor. Ist die Kamera konfiguriert, macht man erstmal kurz per Liveview einen Check, ob auch kein Staub auf dem Sensor ist. Ist alles chic, disconnect! Ich habe Datum, AUTO-ISO Einstellungen, mittenbetonte Messung und DNG only eingestellt. Das wars. Danach war es mit der M10-D nur noch Fotografieren. Wie mit der Beirette. Ähm, naja, besser. 😉
Performance
Ein paar Worte zur Kamera selbst muss ich aber loswerden. Der Akku hält deutlich länger als mit der „normalen“ M10 – klar, man betreibt auch kein Display. Wichtig ist jedoch, wirklich drauf zu achten, dass man die Kamera nicht im Wifi-Modus oder eingeschaltet in die Tasche steckt, ausversehen. Sonst ist der Akku bald platt. Die Rohdaten sind, wie bei der M10 eben auch, gut dehnbar. Man hat wirklich angenehme digitale Negative, aus denen man einiges entwickeln kann. Ansonsten kann man die Kamera vergessen. Ok, diese Formulierung sagt normalerweise was ganz anderes… Soll heißen, die Performance ist super. Schnelles Speichern und Verarbeiten. Belichtungsmessung ist akkurat. Knöpfe und Rädchen hat sie kaum und was man dreht, rastet sauber ein. Ich persönlich mag das ISO-Rad an der M10 Reihe überhaupt nicht, aber das macht nix. Euch wird es anders gehen.
Fazit zur M10-D
Ich bin echt nicht so der Leica M Fotograf, auch wenn ich in letzter Zeit dank unserer Freundschaft mit FOTO-GÖRLITZ wirklich viel mit Leica M fotografiert habe und ich seit 1,5 Jahren eine Leica M (Mono) besitze. Messsucher ist nicht mein bevorzugtes System, aber es gab keine andere nennenswerte Möglichkeit, eine Monochromkamera zu bekommen. Allein für diese Nische also ging es für mich in Richtung Leica M. Nun gibt es mit der M10-D eine Kamera, die mir ein wenig des Zaubers der alten Zeit zurück gibt. Es ist für mich ein bisschen das Beste von beiden Welten. Viele Fotos machen ohne den Film zu wechseln (und danach Wochen zu warten), aber trotzdem nicht „ständig“ nach dem Fotografieren aufs Display gucken, wie es geworden ist. Das hält doch nur auf. 😉 Raus aus dem Kopf damit. Wie beim Singlespeed. Das heißt aber nicht, dass die M10-D für mich jetzt der Heilige Gral ist. Ich schätze Schaltungsräder, äh, Kameras mit Display und Farbe auch sehr. Aber es hier mal nicht zu haben, war auch eine Art Befreiung für den Moment.
Meine ideale Kamera dieser Art habe ich oben bereits angerissen, aber noch nicht ausgeführt. Ich möchte eine Nikon FM3a in Kleinbild digital. Einstellmöglichkeiten wie bei der M10-D, aber eine DLSR mit Schnittbildmattscheibe. Klein, leicht, ohne Display, manueller Fokus. Verschluss und Co per Mechanik. Ist möglich. Leica zeigt es ja mit der M10-D. Und nein, so ein Frankenstein-Dingens mit „I am back“ oder wie das heißt, möchte ich nicht ausprobieren. Das wäre so genau meins. Schönes 50er Zeiss Planar f1.4 drauf und tschüss.
Als ich die M10-D weiter schicken musste, war das echt ein kleiner Abschied. Ich kann mich für vieles begeistern, aber doch gehen lassen. Hier hätte ich sehr gern mehr davon gehabt.
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Hallo Elmar
Sehr schöner Bericht über die Leica M10D. Da ich selber Radfahrer, auch mit Singlespeed Erfahrung bin ist dies ein sehr schöner Vergleich. Auch Dein Ausblick auf Deine Wunsch Kamera hat mich mit Freude erfüllt, den als Leica M9 Besitzer und einiger analogen Schätzchen, hat mich das Gear Akquisition Syndrom immer mehr getroffen, bis heute. Dein Review hat mich veranlasst schon mal zu sparen, auf die M10D, denn Handy hab ich immer dabei, die analoge Anmutung mag ich sehr, SW rückt bei mir immer stärker in den Vordergrund, das ständige Schauen auf das LCD nervt mich und das ich bewusster mit dem Schießen der Bilder umgehe, um einen weiteren Lernprozess zu durchlaufen, damit bessere Bilder entstehen. Für mich galt traveling minimize oder reduce to the max um es smart auszudrücken (Achtung Wortspiel). Danke
Hi Henning! Danke für dein Feedback! Für denjenigen, der Fotografie für sich und aus sich heraus betreibt, ist eine solche Reduzierung wirklich prima, denke ich. Weniger Kamera, aber nicht weniger Leistung. Daraufhin zu sparen und ggf andere Dinge dafür herzugeben, halte ich im Rahmen des Reduzierens für sinnvoll. Dann überlegt man sich noch das eine Objektiv, das drauf soll und ist dann vielleicht endlich „fertig“ damit. 🙂
Guten Tag Elmar, es hat Spass gemacht Deinen Blog zu lesen. Es erinnerte mich auch an meine Anfänge in der Fotografie. Irgendwann bekam ich mal eine kleine Kodak geschenkt. Eine sogenannte „Ritsch-Ratsch-Klick“ mit diesen kleinen Kassettenfilmen. Damit begann meine Fotoleidenschaft. Manchmal Foto und dann auch wieder Leiden :-). Meine erste Spiegelreflexkamera war eine gebrauchte Minolta aber diese begleitete mich über viele Jahre. (Ich besitze diese Kamera noch heute). Nun sind dazwischen fast 4 Jahrzehnte ins Land gegangen und ich bin wie manch andere auch bei Leica gelandet. Erst war es eine Q2 und nun eine M10 Monochrome, und was soll ich sagen diese Kamera ist genau das was ich immer vermisst habe. Sie ist immer dabei – will sagen ich habe diese Kamera wirklich immer in meiner Tasche. Bestückt mit einem Voigtländer 35mm Nocton 1.4 VM II. einfach nur genial. Den Liveview benutze ich nicht. Habe ich sozusagen deaktiviert. Ausgelesen wird zu Hause und dann freue ich mich oder es wird einfach gelöscht. Nach vielen Jahren kann ich zumindest sagen „Ja ich bin angekommen“ und ich werde diese Kamera mit Sicherheit nicht wieder hergeben. Wenigsten solange meine Augen es noch zulassen 🙂
Das kann ich seeeehr gut nachvollziehen. 🙂 Ich schätze zum Beispiel Ken van Sickle sehr – die meisten seiner Fotos sind mit ner alten Leica und einem 35mm entstanden. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn man sich drauf „eingeschossen“ hat, ist das Wenige dann doch befreiend bzw. man kommt an.
Hallo Elmar,
auch von mir vielen Dank für diesen tollen Bericht, den ich just nach dem Kauf meiner M10-D nun gelesen habe. Vor 2 Wochen habe ich mir den Traum erfüllt und die M10-D gekauft und hatte vorher schon länger mit der M10 sowie der Q(P) fotografiert. Die Q(P) ist weiterhin vorhanden.
Die M10-D ist für mich, jemand der im Alltag voll mit allen Arten der IT umgeben ist, ein solider und auch teils benötigter Ausgleich in der Freizeit. Keine Displays, kein Piepen oder Ablenkungen. Ich schnapp mit die Kamera und gehe einfach drauf los und genieße. Die Fotos kann ich mir dann gespannt und voller Vorfreude Zuhause oder im Café auf dem iPad anschauen – lediglich der Download von DNGs ist mit der Preispolitik der reinste Wahnsinn.
In Summe ist die M10-D exakt die Kamera, die ich gesucht habe….auch wenn es ein bisschen verrückt und vielleicht gar bekloppt ist 😉 Aber Hobby ist Hobby
Was ist schon verrückt?! 😀
Ich erachte das Distanzieren vom Display beim Ausüben der persönlichen Kunst da, wo es möglich ist, als gewinnbringend.
Hallo Elmar, danke für den Bericht und dem Vergleich mit Singlespeed.
Als Beta-Tester der M10-D in Verbindung mit der Fotos App kann ich sagen, dass der Reiz mit der M10-D loszuziehen erst der Blick auf den Rechner nach Überspielung der Bilder war. Ich hatte es nur 1-2x genutzt und mir war es zu umständlich die Kamera mit der App zu verbinden, um zu kontrollieren.
Liebe Grüße Mark
Hi Mark, mir war es bei der M10-D gleich am Anfang wichtig um Sensorflecken auszuschließen und die Kameraeinstellungen vorzunehmen. Erst später zu kontrollieren ist ja der Witz an der Kamera bzw genau der Reiz, den sie für mich hat. 🙂 Die Hinweise in Richtung Leica Fotos App richten sich hauptsächlich an den eingeschränkten Funktionsumfang der App in Sachen DNG-Download. Das betrifft ja mehrere Kameras. Viele Grüße! Elmar
Lieber Elmar!
Danke für Deinen Bericht, genauso ist es… in den neunziger Jahren eine letzte M6 ohne TTL und das Mandler 50er Summilux pre, damals alles zu langsam und kein AF, dazwischen die Kinder und alles an Profi Nikon (D)SLR was es gab. Am Ende die schnellsten Nikons und nur noch Zeiss ZF. 2020 alles verkauft und eine Nikon Z6, weil günstig und die besten Mandler Vintage M Objektive und das Voigtländer 40 1,2 angesammelt und dann endlich zu Weihnachten 2020 gerade die letzte M10-D. Die Z6 bereits verkauft und nur noch M10-D und die alte M6. Visoflex wieder verkauft. Und am liebsten? 35er 8 Elements aus 1964 mit M10-D, dicht gefolgt vom 50er rigid aus 1960. Immer wenn ich rausgehe: immer nur ein Objektiv dran, nie mehr dabei…
wenn Auto OFF nach zwei Minuten, hält der Akku tagelang…
Leica APP mittlerweile ja gratis…
Ich wollte immer ein M6, mit weniger kostspieligem Film. Es hat 20 Jahre gedauert…und bei Deinem Wunsch FM3 massiv mit einem 50er ai (!) mit Digitalspeicher bin ich dabei!
Gruss aus Wien
Hi Christoph, tatsächlich lässt mich die M10-D nicht los. Deine Zeilen verstärken den Wunsch nur noch. 🙂
Hallo Elmar,
ein sehr schöner Bericht. Der macht Lust auf die Kamera. Ich fotografiere gerade erst seit einem Jahr mit der M . Es ist so befreiend weniger Optionen zu haben und es macht wieder Spaß zu fotografieren.
Meine nächste große Herausforderung ist eine üble Krankheit loszuwerden…. das Pixel Peeping! Ehrlich, ich kann Fotos nicht mehr so richtig genießen weil ich immer direkt rein zoome und dann in die Ecken gehe um die Performance zu begutachten. Schreckliche Angewohnheit! Ich versuche es mir abzugewöhnen, aber es klappt nur sehr langsam. Ich ertappe mich manchmal dabei sogar in Bildbänden zu zoomen, zum Glück ohne Erfolg ;-).
Kennst Du das Problem und hast Du einen Tipp für mich?
Hallo Ralph! Ein guter Tipp… Ich würde vermutlich eine Weile ausschließlich analog fotografieren. Da beträgt mitunter der Abstand zwischen Auslösen und Bild mehrere Wochen oder gar Monate. Das sollte helfen, sich von der Zoomsucht zu befreien. 🙂 Wenn die Scans dann auf dem Bildschirm sind, kommt natürlich der eigentliche Suchtfaktor wieder. Da sollte die Kombination aus einem gemütlichen Getränk, Zurücklehnen und automatisch ablaufender Slideshow helfen.
Für ganz besonders schwere Fälle: Handschellen am Bürostuhl und jemand anderes klickt erratisch durch die Bilder. Das ist allerdings die harte Methode und nur für fortgeschrittene Nutzer zu empfehlen.
Scherz beiseite.
Tatsächlich hilft es aber auch, durch Ausstellungen zu gehen und sich mit gehörigem Abstand die Werke anderer Künstler anzuschauen. Etwas Distanz hilft, das Werk als Ganzes zu sehen.
LG Elmar