Es dürfte kein Geheimnis sein. Die Lufthansa hat es hart getroffen dieser Tage. COVID-19 ist ne dumme Kuh, und nein, hier habe ich mich nicht verschrieben.
Ich bin derzeit ein Flieger mit leicht verkrüppelten Flügeln. Ich vermisse das Reisen, nicht so sehr das stressige daran. Eher das Entdecken des noch längst nicht zum Bekannten verkommene.
Ich verstehe mich nebenberuflich als Reisefotograf, hier ist das Reisen natürlich essenziell. Meine Erfahrungsberichte, Tests, oder auch gerne Reviews genannt, hier und auf YouTube beinhalten zu großen Teilen Fotos aus fremden Städten und Ländern ausserhalb Deutschlands. Ich gebe zu, auch deshalb vermisse ich das Reisen. Aber die Welt dreht sich weiter und ein Vorteil an einem wenig fliegendem, hauptberuflichen Vielflieger ist, er/sie hat viel Zeit für andere Dinge. In meinem Fall das Fotografieren, Schreiben, Filmen und noch andere sehr viel wichtigere Dinge ausserhalb meines Blogger-Lebens.
Da sitze ich also im großen und ganzen nun schon seit März mehr oder weniger zu Hause rum. Die Testgeräte stapeln sich im Schrank, und ich muss mir was einfallen lassen, wie und vor allem eben wo ich das ganze abarbeite. „Warum eigentlich nicht auch mal in Berlin?“ – was für ein verrückter Gedanke. 😉
Hört sich jetzt vielleicht etwas lustig an, aber ich weiß nicht, ob ihr das kennt? In der eigenen Stadt ist das mitunter gar nicht so einfach, auf Motivsuche zu gehen. Der Berliner ist eh ne Kiezpflanze. Für den Wilmersdorfer ist Mitte ne Reise in eine andere Welt, und der Prenzelberger weiß vermutlich gar nicht, dass es den Bezirk Schmargendorf gibt. Hier muss ich mal ne Lanze für „den Westen“ brechen: Leute, Berlin ist mehr als Mitte, Prenzelberg, Friedrichshain und/oder Kreuzberg.
Nun, jedenfalls bin ich die letzten Tage mehr oder weniger planlos durch Berlin gezogen. Ja, ehrlicherweise war auch ein Grund der, auf der Vespa Abkühlung zu erhalten. Einfach durch die Straßen düsen, Fahrtwind, der einen kühlt, und da stehen bleiben, wo man denkt: „Ach kieck ma an, hier warst ja ooch schon ewig nich mehr.“ So landete ich zum Beispiel im Gleisdreieck Park oder bei der Ankerklause.
Berlin genießt ja nicht überall und bei jedem einen guten Ruf. Dreckig, gewalttätig, rotzig, vieeeeel zu groß und frech! Alles richtig, aber Berlin ist so viel mehr. Berlin ist grün, entspannt, lustig, freundlich, hilfsbereit, schlagfertig, multikulturell, tolerant, weltoffen und einfach schön.
Berlin ist meine Perle!
Da tanzen ältere Damen und Herren Tango (oder was das war) im Gleisdreieck Park und nebenan rauchen sie Shisha, dass man denkt, der ganze Park wird jetzt eingeräuchert. Jung neben alt, dick neben dünn, deutsch neben nicht-deutsch-aussehend, klassische Tänzer neben sich seltsam bewegenden Menschen zu noch seltsamerer Musik. Picknickkörbe und Bierflaschen, Tüte-rauchende Jugendliche und Erwachsene, die die Luft mit einem alt bekannten Duft schwängern und feine ältere Herrschaften, die ihren allabendlichen Spaziergang pflegen. Normal in Berlin ist jeder, der akzeptiert, dass Menschen eben unterschiedlich sind, mit all ihren Vorlieben und Macken.
Ich bin ein Berliner Junge, und so blöd ich die ganze Situation für uns alle finde, so hat sie nicht nur Nachteile. Ich bin beruflich immer viel unterwegs. Bin ich dann mal zu Hause, genieße ich natürlich die Zeit mit der Familie, und genieße auch mal die Ruhe vom stressigen Arbeitsumfeld mit möglichst wenig Menschen um mich herum. COVID-19 hat mir nach einigen Wochen/Monaten in der Vollbremsung ermöglicht, meinen Kopf aus dem Alltag mal zu erheben und zu merken, was ich so alles über die Zeit vergessen habe um mich herum. Ich muss meine Stadt wieder neu entdecken für mich.
Anfangen tue ich damit bei einem leckeren Eis an einem Samstagabend am Nollendorfplatz. Die unterschiedlichsten Menschen um mich herum, und ich genieße auch die Anonymität und den Umstand, dass ich da in kurzem Schlabberhosenlook auf einen Samstagabend zwischen den langsam erwachenden Nachteulen sitzen kann und Null auffalle.
Auf dem Heimweg werde ich dann aus meiner melancholisch-verträumten Sicht auf mein Berlin von Feuerwehr- und Polizei-Sirenen um mich herum gerüttelt und kann mir ein Lachen nicht verkneifen.
NerdInfo: Alle Bilder hier sind mit der LEICA M10 R entstanden mit dem APO Summicron 50mm. Wir haben kürzlich auch ein Video zur neuen LEICAM M10 R veröffentlicht. Schaut mal hier…
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