35mm und Messsucher gehören für mich irgendwie zusammen wie eben Butter und Brot. Nun gibt es ja zahlreiche wirklich tolle 35mm Objektive für den Leica M-Anschluss und auch einige Hochkaräter in Sachen Lichtstärke. Jetzt ist aber der Messsucher nicht zwingend das allerbeste System für lichtstarke Objektive, zumindest nicht wenn man die Blende aufreisst um damit ein möglichst kleinen Tiefenschärfebereich zu erhalten. Mit ein wenig Übung bzw. Ruhe kann man natürlich auch am Messsucher offenblendig fotografieren. Ich hatte vor einiger Zeit schon das Zeiss Distagon 35mm f1.4 zm hier zum testen gehabt, aber damals vor allem um es an meiner x-pro1 und an meiner M6 zu testen. Diesmal wollte ich sehen, wie es sich an der M10 macht und das jetzt mal gleich vorweg: Ich bin voll verknallt in das Distagon 35mm f1.4.
Look and feel
Das Distagon 35mm ist im Vergleich zu anderen 35mm f1.4 Messsucherobjektiven recht groß und auch eher schwer. Das ist auch einer meiner Kritikpunkte.
Die Blockage des Messsuchers hält sich in Grenzen, zumindest hat es mich nicht sonderlich gestört beim fotografieren.
An der M10 ist es von der Größe, finde ich, noch gerade so akzeptabel. Der Blendenring lässt sich in ⅓ EV Klicks bis f16 abblenden. Der Fokus- und der Blendenring teilen sich hälftig den Objektivtubus, das mag ich persönlich, verhindert es doch eine drohende Fingerakrobatik.
Bei einer Vierteldrehung des Fokussierrings durchläuft man den Fokusbereich von 0,7m bis Unendlich, wobei die 1,2-1,5m Stellung der kleine Zeisstypische Fokusknubel senkrecht nach unten markiert. Der Fokusring läuft bei meinem Exemplar evtl. einen kleinen Tick zu straff, aber das ist das Haar in der Suppe, was ich suche.
In der Summe mag ich es, das Objektiv in die Hand zu nehmen und am Blenden- und Fokusring zu spielen. An der M10 ist es zwar deutlich größer als vergleichbare 35mm gleicher Lichtstärke von Leica oder Voigtländer, aber evtl. ja mit dem Vorteil der besseren Bildqualität?
Bildqualität
Ich liebe das Glas bei Offenblende. Im Zentrum ist es knackscharf und auch zu den Rändern hin weiß die Schärfe zu gefallen. Es vignettiert bei Offenblende schon ein klein wenig aber das ist weder was unerwartetes an einem Objektiv dieser Lichtstärke noch ist es nicht korrigierbar. In LR das entsprechende Objektivprofil auszuwählen beseitigt das. Fokusshift scheint auch kein Problem bei diesem Glas zu sein.
Das Bokeh ist mit butterig gut zu beschreiben.
Wenn man das Glas abblendet wird es nur besser/schärfer, hier vor allem zu den Rändern hin, da das Zentrum offen schon wirklich herausragend ist. Ab ca. Blende 2.8, da die M10 ja mittlerweile nicht mal mehr die Schätzwerte der Blende in den Exifs angibt muss ich hier schätzen/mich erinnern, verschwinden die Randabdunkelungen ganz. Chromatische Aberrationen konnte ich im Grunde keine entdecken. Selbst bei f1.4 erinnere ich mich an kein Bild, bei dem ich nochmal Hand anlegen musste.
Die 24MP der M10 bespielt das Distagon mit Leichtigkeit und ich glaube da stecken noch einige Reserven für mehr MP drinne.
Ich mag auch die Farben sehr gerne. Ich fotografiere mit der M10 eigentlich nur im Raw-Format und wähle in Lightroom meist das M10 Profil. Die Farben wirken schön kräftig und eher etwas warm, ich mag das ganz gerne.
Für wen ist das Distagon dann also?
Meiner Meinung nach ist das Distagon 35mm f1.4 optisch ein ziemlich perfektes Glas und ich vermute das eben genau dieser Umstand der vollen optischen Korrektur dem Glas eben auch die Größe und das Gewicht verleiht. Letztlich ist ein „gutes“ Glas eben auch von Vorlieben des Fotografen abhängig. Schärfe ist nicht alles, genauso wie Bokeh nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Manch einer bevorzugt eben auch nicht perfekte Gläser. Am Ende ist es die Gesamtleistung eines Objektivs und vor allem eben auch der Einsatzzweck der entscheidend ist. Nur weil ein Glas besonders teuer und/oder technisch nah an perfekt ist, ist es nicht das richtige Glas für jeden Fotografen.
Eine allgemein gültige Antwort gibt es hier wohl eher nicht. Wie auch? Ich kann das nur für mich beantworten und ein anderer kann das wieder komplett anders sehen.
Ich hatte das Glas jetzt in den letzten Wochen im Grunde immer dabei. Nicht ausschließlich, da mir Zeiss zu dem 35mm noch das 15mm Distagon zm und das Sonnar 50mm zm mit eingepackt hatte, aber in Vendig diente es mir vor allem als quasi immer drauf. Es hat mir nicht nur da Bilder geliefert, die ich wirklich richtig, richtig gerne mag. Es wurde mir auch nicht zu schwer während des Fototages, allerdings habe ich damit auch nicht Street gemacht. Die Kombi kam auch regelmäßig in die Fototasche und ich habe eher sehr gezielt die Kamera gezückt als dass ich permanent bereit war.
Ich finde, das 35mm Distagon ist ein ganz hervorragendes und durch seine Lichtstärke auch universelles Reiseobjektiv. Die 35mm passen für mich perfekt zu dem Genre und mit der Lichstärke von f1.4 eignet es sich auch für schlechte Lichtverhältnisse oder auch mal ein schnelles Portrait unterwegs.
Für Street finde ich es optisch schon gut, aber die Größe und das Gewicht sind hier eher nicht so angenehm, zumindest so wie ich auf der Strasse arbeite. Da ist die Kamera im Grunde laufend in meiner Hand und ich bevorzuge eine unauffällige Kamera. Das ist mit dem Distagon etwas weniger gut möglich, was nicht heissen soll, dass es unmöglich ist. Ich würde als ausschließlicher Streetfotograf wohl dann doch eher auf anderes Glas setzen.
Dass Zeiss bei den ZM’s allgemein keine Sonnenblende dazu packt, bleibt mir nach wie vor unbegreiflich. Man muss allerdings auch dazu sagen, dass das 35mm Distagon im Grunde keine benötigt. Zumindest nicht um die Optik vor Sonne zu schützen, denn das war für mich nie ein Problem.
Größe und Gewicht sind schon eher grenzwertig für Streetfotografen. Für Reisen bzw. als Allrounder fand ich es aber, wie gesagt, kein Problem. Auch Hochzeitsfotografen werden ihren Spass an diesem Glas haben.
Wer auf optisch perfektes Glas steht und, wie gesagt, gerne offenblendig fotografiert oder eben häufig bei schlechten Lichtverhältnissen noch aus der Hand fotografieren will, der sollte sich das Distagon 35mm f1.4 mal genauer anschauen. Bereits bei Offenblende ist die Abbildungsleistung genial. Abblenden bringt die ohnehin schon extrem gute Schärfe nur ein wenig mehr in die Ecken.
An dieser Stelle möchte ich gerne einen Hinweis auf den von Zeiss betriebenen Rent-Service geben mit dem Name lens4rent. Dort kann man alle Fotoobjektive von ZEISS mieten, zum Beispiel wenn einem für ein Projekt eine bestimmte Brennweite fehlt oder man sich für ein ZEISS-Objektiv interessierst, es aber erstmal unter Alltagsbedingungen testen will, bevor man es kauft. Das Ganze funktioniert einfach und unkompliziert: Objektiv auswählen, Mietzeitraum auswählen, Adress- und Bezahldaten eingeben, abschicken, fertig. Die Objektive bekommt man dann direkt nach Hause geschickt. Gerade bei solch Hochpreisigen Objektiven kann das schon sehr interessant sein, zumal ich meine, dass bei Kauf die Mietkosten einem angerechnet werden?
Abschließend will ich Euch noch gerne mit ein paar meiner Lieblingsbilder zurück lassen. Berlin, Venedig, Kopenhagen, Hamburg und ein Bild aus Frankfurt ist auch dabei. Tolles Glas, was mich wohl noch nach Mexico City demnächst begleiten wird und dann wohl wieder zurück zu Zeiss geht? Leider! Ganz großes „leider“ sogar!
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