Das Leica 35mm Summicron ist wohl eins der beliebtesten Objektive aus dem Hause Leica. Es gibt natürlich zahlreiche ganz hervorragende Leica-Objektive unterschiedlichster Brennweiten, das 35mm Summicron ist allerdings ein echter Klassiker im Leica M-System. Es gibt sehr viele Leica M-Fotografen, die ausschließlich diese Brennweite nutzen. Dies habe ich zum Anlass genommen, bei eben der Objektivreihe einmal etwas genauer hinzuschauen.
Gleich zu Beginn möchte ich an dieser Stelle FOTO-GÖRLITZ für die Leihgabe der drei Objektive danken. Bei meinem kürzlichen Besuch in seinen Büroräumen in Bünden (Ich habe dies hier im Video festgehalten.), schickte er mich nicht mit leeren Händen nach Hause. Danke Dir, Alex!
Summicron ist (nicht) gleich Summicron
In diesem Artikel soll es, wie gesagt, um das LEICA 35mm Summicron gehen. Wobei ich das etwas etwas präzisieren muss, vor allem das mit dem „das“ vor dem Summicron.
Bevor ich mich intensiver mit der Leica M und deren Objektive beschäftigt hatte, fiel mir auf, dass es scheinbar etliche verschiedene Versionen innerhalb einer bestimmten Objektivreihe gab bzw. gibt. Das ist mitunter sehr verwirrend. Von der Fujifilm X-Serie kommend war ich erst einmal überfordert. Ich bin das teilweise heute noch, zugegeben.
Es ist nicht wenig verwunderlich, würde ich meinen, denn im Vergleich zu dem LEICA M-System ist zum Beispiel das X-System ein Baby. Bitte, dies soll hier keiner als eine Wertung verstehen, es geht mir darum, dass es das Leica M-System schon seit den 50er Jahren gibt, es also im Vergleich zu anderen Systemen eben sehr lange auf dem Markt ist. Canon zum Beispiel hat irgendwann in den 90er sein Bajonett geändert. Ich glaube, im Kleinbild hat nur Nikon noch sein altes Bajonett (?). In dieser Zeit hat sich natürlich die Technik, Vergütungen, Materialien und vieles andere immer weiter entwickelt. Es erstaunt daher nicht, dass es bei Leica M deutlich mehr Varianten einer bestimmten Brennweite, gar einer bestimmten Baureihe gibt als bei anderen Systemen.
Meine Recherche ergab dabei folgende Versionen (Quelle: https://www.kenrockwell.com/leica/35mm-f2-asph.htm). Ich lasse hier die ganzen Sondereditionen aussen vor.
1958-1969 : Das erstes 35mm Summicron. Das „8 Elements„, 10 Blendenlamellen, VersionNr: 11308
1969-1979 : Ein 35mm Summicron mit 6 Elemente in 5 Gruppen VersionNr.: 11309
1979-1996 : Das sogenannte „King of Bokeh„. 7 Elemente in 5 Gruppen, 10 Blendenlammellen, VersionNr.: 11310/11311 (silber)
1996-2015 : Das erste Summicron mit einer asphärischen Optik. 7 Elemente in 5 Gruppen, 8 Blendenlamellen VersionNr.: 11879
2015-heute: Eine Asphäre auch mit 7 Elementen in 5 Gruppen aber diesmal 11 Blendenlamellen. VersionNr.: 11673
Die kleinen Unterschiede der 35mm Summicrons
Wer uns regelmäßig besucht und unsere Artikel liest, der weiß, dass wir keine „Mauerziegelwand“-Blogger/Reviewer sind. Wir nutzen die Produkte in unserem Fotoalltag. Tatsächlich ist dies auch hier der Fall. Es liegt zwar grundsätzliche nahe, dass man ein und dasselbe Objekt mit allen drei Objektiven fotografiert und sie dann vergleicht. Aber wenn ich das ernsthaft machen wollen würde, dann müsste ich tatsächlich eine kontrollierte Umgebung schaffen, um vergleichbare Ergebnisse zu schaffen.
Ich sag mal, wie es ist: Ich habe darauf keine Lust! Einfach weil das in der Regel Bilder sind, die ich eh nie in meinem Fotoalltag machen würde. Sie haben demnach für mich und meine Entscheidung keine Aussagekraft. Aber wie wir hier und auch auf unserem YouTube Kanal immer betonen, macht Euch am Ende immer auch Euer ganz eigenes Bild von den Dingen.
Die drei von den fünf verschiedenen Versionen, die mir hier vorliegen, können gleichzeitig nicht unterschiedlicher sein, aber eben auch sehr ähnlich. Unterschiedlich finde ich die drei vor allem in ihrem Design bzw. der Haptik, ähnlich tatsächlich in ihrer Bildleistung, zumindest 2 davon.
Design/Haptik
In meinen Augen unterscheiden sich die drei mir vorliegenden Versionen am meisten in der Haptik. Es gibt natürlich in ihrer optischen Leistung Unterschiede. Für mich persönlich sind diese bei genauem Hinsehen auch erkennbar, tatsächlich aber nur/vor allem im direkten Vergleich. Okay, eines sticht schon etwas heraus.
In der Haptik gewinnt in meinen Augen das „King of Bokeh“. Es ist das kleinste der drei. Wenn ich das richtig deute, ist es mit 134g auch das leichteste 35mm Summicron überhaupt (Stand 2020). Es ist aber nicht zu klein, um fippsig in der Bedienung zu wirken. Der Fokusstab, den alle 3 Crons im übrigen haben, lässt meine Sorge des schmalen Fokusrings in Luft auflösen. Der Blendenring geht in ½ EV von f2.0-f16. Ich finde, er wirkt von allen dreien am lockersten. Er klickt gut und sauber, aber fühlt sich im Vergleich etwas wabbelig an.
Das „8 Elements“ gewinnt in meinen Augen ganz klar, wenn es um Look und Ästhetik geht. Dass ich es an einer silbernen M10 vorzugsweise genutzt habe, hilft hier natürlich. Es sieht einfach toll aus an der Leica M10. Am Anfang hat mich das Fokusrad und der Blendenring etwas verwirrt. Der Fokus ist bei unendlich verriegelt. Mittels Druck auf einer kleinen Lasche am Fokusstab kann man dies entriegeln. Kenn ich so von keinem bisher in meiner Hand befindlichem LEICA Objektiv. Was ich kenne, ist die Variante wie zum Beispiel beim dem versenkbarem 50mm Summicron. Dort ist die Entriegelung auch sehr offensichtlich. Die Ver- bzw. Entriegelungskonstruktion stellt hier quasi den Fokusstab selber dar. Nichts Dramatisches bei dem 8 Elements, wenn man es dann endlich mal herausgefunden hat.
Die Blende geht nur in ganzen Blendenstufen von f2.0-f16. Ich finde das nicht schlimm. In Zeiten von Zwischen ISO Werten ist das für mich verkraftbar. Was mich erstaunte, war allerdings, wie gut er sich doch bedienen lässt. Wenn ich das 8 Elements nutze, habe ich noch eine Sonnenblende auf dem Objektiv montiert. Als ich es so betrachtete, dachte ich: Na, das wird ein Gefummel, da der Blendenring sehr, seeehr schmal ist. Tatsächlich ging das problemlos. Nur im Bereich zwischen 0,7 und 0,9/1m muss ich umgreifen, um am Fokusstab an den Blendenring vorbeizukommen. Es liegt also eher an dem scheinbar versetzten, im Vergleich zu allen anderen M-Gläsern, die ich so kenne, angebrachten Fokusstab des 8 Elements.
Die Version 11879 ist von den dreien wohl die ausgereifteste und größte, aber mit 245g auch „schwerste“ Variante. Wobei ich das mit dem schwer wirklich nur der Vollständigkeit halber erwähnen. Alle drei Objektive sind nicht schwer im eigentlichen Sinne. Sie sind alle so schön klein und leicht, dass sie in jede noch so kleine Fototasche reinpassen. Auch an der M(10) tragen sie kaum auf. Das asphärische 35mm Summicron ist das einzige der drei Objektive, welches (ohne Sonnenblende) ein klein wenig in den 35mm Sucherrahmen reinragt. Mit Sonnenblende natürlich etwas mehr.
Die inneren Werte des 35mm Summicron
Die Haptik eines Objektivs ist natürlich das eine. Ich finde das durchaus wichtig, denn wenn ich genervt bin in der Benutzung eines Objektivs, dann ist das natürlich nicht so gut. Dieser Punkt ist also in meinen Augen durchaus wichtig. Allerdings ist bei der Bildleistung für mich dann der Recall.
Wer bei der Haptik wackelt, muss bei der Bildleistung punkten. Bei dem 35mm Summicron ist das insofern kein Problem, da da keiner wackelt. Zumindest nicht so richtig. Jetzt bin ich leider kein klassischer Objektivtester und mache keine Labortests, um die kleinsten Kleinigkeiten auseinanderzunehmen. Ich beurteile ein Objektiv letztlich danach, wie mir die Ergebnisse gefallen.
Und hier haben mich 2 der Objektive wirklich sehr überrascht. Ich habe schon einiges an Alt-Glas (also Vor-Digital-Zeit) an meiner Leica M, aber auch an meinen Fujis genutzt. Da sind zum Teil wirklich tolle Gläser dabei, mit viel Charme und Charakter, aber oft fallen sie dann bei Schärfe und/oder Mikrokontrasten etwas ab.
Hier hat mich das 8 Elements wirklich sehr überrascht. Meine mir hier vorliegende Version ist scheinbar von 1966. Ein 54 Jahre altes Objektiv liefert hier auf einem 24 Megapixelsensor einfach mal ein Bild ab, welches sich selbst bei 200% Reinzoomen noch locker sehen lassen kann. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich hier pixelpeepe. Ich finde das erstaunlich, und das zeigt mir zum einen, wie krass gut selbst solch alte Objektive abliefern können, und Leica eben nicht umsonst für seine Objektive international gelobt wird. Aber es zeigt auch, wie gut die M auf M-Glas abgestimmt ist. Ein Leica M-Glas gehört, um sein volles Potential zu zeigen, einfach an eine Leica M.
Ähnliches gilt auch für das „King of Bokeh“. Allerdings stand mir beim „8 Elements“ wirklich kurzzeitig der Mund vor Staunen offen. Ich hatte das schlicht nicht erwartet. 54 Jahre!
Alle drei 35mm Summicrons, die ich hier habe, sind in Sachen Schärfe ein sogenannter „No Brainer“. Das aktuellste ist dahingehend sicher noch einmal mehr optimiert. Tatsächlich muss ich jedoch gestehen, dass ich die Leistung des 8 Elements, King of Bokeh und dem 11879 an meiner M10 wirklich sehr gut finde.
Bokeh
Schärfe ist das eine, die Unschärfe ist aber mindestens genauso wichtig. Manchmal sogar noch viel wichtiger, oder sagen wir entscheidender, wenn es darum geht, einen bestimmten Look zu bekommen. Und hier muss ich sagen, unterscheiden sich die drei Objektive für meinen Geschmack doch schon. Tatsächlich ähneln sich für mein Empfinden das King of Bokeh und das 8 Elements. Ich weiß nicht, ob das an meinen zwei Exemplaren liegt, aber ich empfinde das 8 Elements als schärfer. Vermutlich sind die Mikrokontraste hier ausgeprägter. Ich finde, das hat den ausgeprägteren 3D-Pop. Das Bokeh des „King of Bokeh“ zeichnet schöne Kringel in den Lichtern, ist hier aber etwas weicher als das „8 Elements“. Das 35mm Summicron Version 11879 wirkt gegen die zwei anderen fast etwas langweilig, „farblos“. Man muss natürlich auf so ein charaktervolles Bokeh schon stehen.
Ich will mal versuchen, anhand von drei Bildern zu zeigen, was ich meine. Ich hoffe, man sieht das einigermaßen. Ich habe extra keinerlei Korrekturen vorgenommen. Dies sind also 3 jpgs, welche aus 3 verschiedenen dngs direkt ohne Korrekturen meinerseits aus LR exportiert wurden.
Alles perfekt?
Also, wenn man die gewohnt hohen Preise von Leica Objektiven einmal großzügig übersieht, kann man sagen: jain.
Neben den oben aufgeführten Punkten bei Haptik, Schärfe und Bokeh ist mir aufgefallen, dass das 8 Elements in manchen Lichtsituation etwas zickig auf Gegenlicht reagiert. Unten habe ich dazu mal ein Extrembeispiel gebracht. Hier und da mag ich das ja sogar ganz gerne, wenn Lichtreflexionen urplötzlich auftreten. Ich setze das sogar ab und zu gerne als Stilmittel ein. Aber hier gilt eben auch: Kenne Dein Equipment und weiß so, wo die Grenzen sind bzw. was möglich ist.
Welches 35mm Summicron ist mein Favorit?
Zunächst einmal sei noch einmal gesagt: Alle drei Crons, die ich hier hatte zum Test, sind wirklich sehr gute 35mm Objektive. Man hat hier die Wahl zwischen Rot-, Gelb- und Weißgold. Letztlich kommt es wirklich sehr viel auf persönlichen Geschmack bei Bildleistung und Design, aber dann wohl auch auf den Preis an. Ich will auch noch einmal ausrücklich wiederholen, dass ich das aktuellste 35mm Summicron (Version 11673) hier nicht berücksichtige.
Ich will nicht lange um den heißen Brei reden, ich mag von den drei Objektiven das 8 Elements am meisten. Es ist schön klein und leicht. Es ist hervorragend verarbeitet und sieht von den dreien auch noch am coolsten aus. In Sachen Bildleistung hat es mich von den dreien auch am meisten überzeugt. Ich mag das Zusammenspiel von Schärfe und Unschärfe bei dem dem 8 Elements sehr. Dass es auf Gegenlicht mitunter etwas zickig reagiert, finde ich eigentlich ganz cool. Das ist dieses berühmte Charaktervolle – das gute, nicht das, wo man eigentlich nur vermeiden will zu sagen, dass es Müll ist. 😉
Auf ebay habe ich Angebote ab 3000 Euro gesehen, aber eben auch für gute 5300 Euro. Ich habe etwas geschluckt.
Das King of Bokeh finde ich auch sehr cool. Schön klein, ohne fummelig zu sein. Leicht und unheimlich schöne Bildleistung. Gegenlicht scheint dem Objektiv nicht allzu viel auszumachen. Auf dem Gebrauchtmarkt habe ich Angebote ab 2000 Euro gesehen. Die silbernen dagegen gibt es nicht für unter 3000 Euro. Zumindest nicht bei meiner Recherche.
Das 35mm Summicron Version 11879 finde ich haptisch am ausgereiftesten. Dass es eine Asphäre hat, ist natürlich auch kein Nachteil. Ansonsten finde ich es von der Bildleistung das langweiligste, oder positiv ausgedrückt, das ausgeglichenste der drei. Auf ebay habe ich Angebote für knapp unter 2000 Euro gesehen.
Wie oben erwähnt, habe ich diese drei Objektive zu Tests von FOTO-GÖRLITZ erhalten. Ich kann ihn als Händler auch nur wirklich empfehlen. Fair und kompetent.
COVID19 macht leider auch bei uns nicht halt. Ich will mich von Euch gerne mit ein paar Bildern der drei Objektive verabscheiden. Diesmal nicht von der großen weiten Welt. Ich hoffe dennoch, dass sie Euch einen Eindruck dessen geben, was sie leisten können.
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Danke für das Review der legendären Summicrons. Das 40er fehlt noch 🙂
Allerdings muss ich bei solchen Vergleichen innerlich immer schmunzeln, denn eine Beurteilung am Monitor, bringt aus meiner eigenen Testerfahrung keine Aussagekraft. Bevor jetzt alle aufschreien, probiert es selber aus. Ich habe von oben genannten Summicrons plus Summiluxen 35 pre ASPH , ASPH und FLE Abzügen in a4 Und a3 auf Baryt seidenmatt, Glanz und velvet gemacht.
Und da zeigt sich ein anderes Ergebnis, weil Pixel peeping nicht möglich ist.
Ebenso analog mit Dunkelkammer Abzügen….
Leider liest man in keiner Review wie sich das ganze auf Papier ansehen lässt. Somit wird ein zentraler Teil der Fotografie ausgeschlossen.
Stay healthy
Hi Martin,
jetzt hätte alle, die das hier lesen natürlich interessiert, welches „andere Ergebnis“ Du bei Deinen Tests feststellen konntest.
VG
Tobias
Das ist richtig. Das habe ich auch gemacht und bis A4 sieht man keinen Unterschied zu den Summicrons und Summiluxen. Ich habe auch Dunkelkammerabzüge, da sieht man allerdings, das klar das 8 Linser und das Summilux 35 Pre Asph v2 die Nase vorne hat. Schöne Graustufenübergänge, wo das KOB und ASPH nur noch eine Suppe ist.